Poetik-Dozentur Heidelberg 2007

  • Alban Nikolai Herbst wird dieses Jahr die Poetik-Dozentur in Heidelberg abhalten.


    Titel: Kypernetischer Realismus


    Herbst wird drei große Poetik-Vorlesungen halten, die sich unter anderem auch mit den Möglichkeiten des Netzes befassen.
    Vielleicht werden die Vorlesungen sogar mit Webcam live ins Netz übertragen.


    Voraussichtlicher erster Termin:
    15. November, 18 Uhr, im Hörsaal Karlstraße 16
    Herbst spricht über "Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur. Wozu eine literarische, nach-postmoderne Ästhetik?".



    Ein weiterer Termin:


    Der poetische Raum ist immer phantastisch, Zur Aufhebung von Innen und Außen als Realität. Literarische Globalisierung in der Erzählung des Unbewussten; Poetik-Dozentur mit Alban Nikolai
    Nächster Termin: 13.12.2007 / 18:00 Uhr, Hörsaal des Germanistischen Seminars, Karlstraße 16, 69117 Heidelberg.


    Letzter Termin wird 17.Januar sein.


    Mehr habe ich noch nicht herausgefunden.
    Ergänzungen folgen, wenn die Homepage des germanistischen Seminars Heidelberg ergänzt ist.


    Zum Autor:
    Freier Schriftsteller aus Berlin.
    Alban N. Herbst ist mir das erste Mal aufgefallen, als er beim Ingeborg Bachmann Wettbewerb in Klagenfurt gelesen hat.
    Ein bekannter Roman von ihm ist Thetis. Anderwelt.
    Autorenblog: albannikolaiherbst.twoday.net


    Wikipedialink über den Autor: http://de.wikipedia.org/wiki/Alban_Nikolai_Herbst

  • Ich habe es doch noch geschafft zur ersten Poetikvorlesung von Alban Nikolai Herbst in Heidelberg zu kommen.


    Eine bemerkenswerte Vorlesung! :
    Bericht folgt!



    Vorab aber schon der Link für Interessierte auf den kompletten Vorlesungstext:
    http://albannikolaiherbst.twoday.net/


    Hier gilt es schnell zu sein, da der Text schon morgen Abend wieder aus dem Netz genommen wird.


    Morgen um 11.00 bis 13.00 Uhr wird es übrigens ein Schreibseminar von Alban Nikolai Herbst am germanistischen Seminar der Universität Heidelberg geben.
    PB SR 123


    Titel: Dichtung in der „Nach-Postmoderne“
    Teilnahme ist öffentlich und frei!


    Eine Lesung aus dem Werk vom Autor wird es dann um 16.00 bis 18.00 geben. PB 123

  • Bericht zur ersten Poetikvorlesung von Alban Nikolai Herbst in Heidelberg im Rahmen der Poetikdozentur 2007 am 15.11.2007.


    Kybernetischer Realismus – Vorlesung zur Poetik von Alban Nikolai Herbst


    Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur.
    Wozu eine literarische, nach-postmoderne Ästhetik


    Meine Eindrücke und Meinung:
    Dem amerikanischen Star der letztjährigen Poetikdozentur Heidelberg folgte dieses Jahr ein leicht skurril wirkender Autor aus Berlin mit äußerst unbequemen, provokanten und fesselnden Themen.


    Es geht zum Beispiel um den Unterschied zwischen Unterhaltungsliteratur und ernster Literatur (U und E). Herbst hat dazu die Einstellung, die gegen den aktuellen Trend, auf eine klare Trennung besteht und eine Art der Nach-Postmodernen Kunstauffassung von Literatur vertritt.
    Die Begrenzung der Literatur auf reine Funktionalität und schneller Verfügbarkeit sowie kalkulierter Absatz steht seiner Meinung auf ästhetische Wirkung der Dichtung entgegen, die Erwartungen nicht sofort erfüllt und damit den Leser fordert.


    Es geht darum nicht zu schreiben, um die Erwartungen zu erfüllen, zu Entscheiden, was einer Gruppe zugemutet werden kann oder was der Leser überhaupt auffassen kann.
    Die Dichtung benötigt die Form, Kunst entsteht nicht aus Gesinnung oder politischer Moralität.


    Spannend waren die Ausführungen über das Arbeiten beim Schreiben mit Bedeutungshöfen:
    - genaues versus flüchtigen Hinschauen
    - poetische Intensität
    - Semantische Höfe, Rhythmus, Sprache, Verschiebung der Syntax, Manierismen


    Herbst sprach auch vom Handwerk des Schreibens, dass schnell auch in die Rolle des Handlangers führen kann.


    Die Thematik des kybernetische Realismus kann ich nicht definieren, da mir das germanistische Vokabular dazu fehlt.
    Aber da der Vorlesungstext online auf http//:albannikolaiherbst.twoday.net (nur bis Freitag Abend) zu finden ist, brauche ich die Vorlesung thematisch nicht weiter ausführlich vorstellen.


    Herbst stellte Vergleiche der rückschrittlichen Prosaideologie der Deutschen zu den Größen der amerikanischen Literatur, der späte William Gaddis und Thomas Pynchon.
    Viele treffende Zitate beeindruckten.
    Abschließend wurden Fragen beantwortet.



    Die Vorlesung hat mich stark beeindruckt, ohne dass ich allen Thesen bedingungslos zustimmen würde, aber dadurch dass ich Herbst Vorlesung hören und nicht nur lesen konnte, erreichte mich sein Anliegen durch die Intensität. Literarischer Snobismus, den ich ablehne, spielte hier keine Rolle und konnte ich bei dem Dozenten nie spüren.
    Seine Intension beim Vortrag bewirkte ein Aufbrechen verkrusteter Vorstellungen über Literatur und das in Frage stellen herkömmlicher Dichtung.
    Es gilt zu vermeiden, immer nur das als Neu zu erkennen was bereits erkannt ist und stattdessen die echte Wirkung der Literatur freizulegen.

  • Danke für den Bericht und die Quellenangabe (bei der Browserangabe aber "http:// ..." schreiben, sonst funktioniert der Link nicht. ;-) )


    Ich habe mir den Text kopiert und werde mich in einer ruhigen Stunde mal damit beschäftigen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Die zweite Vorlesung in Heidelberg hat heute stattgefunden. :-]
    Der zweite Poetik-Dozentur-Vorlesungstext ist online:


    http://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/4532301/


    Bericht zur Vorlesung tippe ich nioch heute Nacht, poste aber erst morgen.




    Anmerkung: Die für morgen in Heidelberg angesetzte Lesung aus dem Werk des Autors vom Autor entfällt. Terminänderung, auf 12.12.07, also habe ich es verpasst. :-(

  • Poetik-Dozentur Heidelberg 2007 von Alban Nikolai Herbst


    2.Vorlesung 13.12.2007


    Der poetische Raum ist immer phantastisch.
    Zur Aufhebung von Innen und Außen als Realität. Literarische Globalisierung in der Erzählung des Unbewussten.


    Literatur weitet den Bereich des Realen weit über den des Erfahrbaren und vor allem Erfahrenen aus, häufig ohne sich dessen bewusst zu sein. Aufgrund ihres fiktionalen, und eben nicht dokumentarischen Anspruchs ermöglicht sie im Leser die Öffnung eines Imaginationsraums, den dieser mit eigenen Bildern füllen muss. Was beim Lesen an Bildern entsteht, ist also, anders als etwa beim Film, nur bedingt steuerbar. Nach Maßgabe seiner Vorbildung und Vorstellungskraft schafft und füllt der Leser diesen Raum und bewegt sich zugleich in einer Parallelwelt (oder in mehreren). Aus dieser Verbindung von vorgegebener Parallelwelt (etwa der persönlichen Realität) und dem selbst gestalteten Imaginationsraum entsteht der phantastische Raum. Wie schon die Moderne den Entstehungsprozess eines Textes thematisiert, so nimmt die nach-postmoderne Erzähldichtung diesen Imaginationsraum auf und spiegelt ihn in sich selber, in die eigenen Strukturen gewissermaßen, zurück: Damit erfährt diese neue Form von Literatur, anders als die nur so bezeichnete realistische Literatur vieler Gegenwartsschriftsteller, eine Erweiterung um zusätzliche, simultane Dimensionen und damit verbundene Deutungshoheiten, die einem flirrenden (nicht verfilmbaren) Subjektivismus und den Räumen lyrischer Poesie nahe kommen.


    (Text vom Flyer des germanistischen Seminars)



    Meine Meinung:


    Die erste Vorlesung hat diese zweite gut vorbereitet. Es geht um die Phantastische Literatur, ihre Ausdrucksformen und Wirkung. Ein Thema, was mich sehr interessiert, besonders wie die Phantastik gestaltet und der Leser die benannten Räume füllt.
    Als wichtigstes Element der Neuerung sieht der Dozent das Internet und ihre Räume im Cyberraum. Den möglichen Ausdrucksformen des Internets prophezeit Alban Nikolai Herbst eine so hohe Bedeutung, dass die normale Literatur in Form von Büchern letztlich verdrängt wird. Als Veränderung des Leseverhaltens wirken dazu die Links, die Herbst selbst exzessiv einsetzt. Links kann man folgen, muss man aber nicht, interpretiert Herbst. Ich sehe in den unendlich gesetzten Verlinkungen aber die Gefahr des ungesteuerten Lesens (dabei soll der neue Realismus der Kybernetik als Steuerungslehre doch anders wirken). Mir persönlich will diese Zukunftsprognose über die Buchform nicht behagen, aber ich als Purist denke, dass das Gewohnte wenigstens noch in meiner Lebenszeit erhalten bleibt.


    Der Dozent nennt eine bemerkenswert große Menge an Zitaten und Anspielungen an Schriftstellern mit phantastischen Elementen.
    Das bewirkt auch eine Vielzahl an Assoziationen, die schon während der Vorlesung auf den Zuhörer einströmen.
    So erscheint mir bald die gesamte Vorlesung selbst wie ein phantastischer Text.


    Besonders das Nennen der unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Autoren, die in Bezug zueinander gesetzt werden, erzeugt eine hohe Wirkung, da einige Autoren (aber auch Filme und andere Kunstformen) auch für mich eine große Bedeutung haben. Dazu zählen Kafkas Verwandlung, Thomas Manns Zauberberg, aber auch Texte von Kazuo Ishiguro, Borges, Poe. Sogar Tad Williams wird erwähnt, aber auch Wagner, Jean Paul und eigene Texte von Herbst, zum Beispiel Buenes Aires.Anderswelt. Filme wie Alien, von Ridley Scott, unterstützt von H.R.Giger oder die Werke Bunuels, die vom französischen Surrealismus kommen, sogar auch Trash- oder Splatterfilme haben eine angeblich besondere Wirkung.
    Was der Autor logisch ableitet sind die Themen phantastischer Autoren oder auch Science Fiction Autoren:
    - J.G.Ballards Roman Crash, auch verfilmt von David Cronenberg oder Cronenbergs eXistenZ.
    - Newromancer von William Gibson, der den Begriff des Cyperspace prägte, in denen die von Herbst erwähnten Räume zu einer technologischen Wirklichkeit werden.


    Alban Nikolai Herbst entkräftet den Vorwurf des Eskapismus der der Literaturgattung Phantastik gemacht wird
    Herbst sieht in der Phantastik ein Auftrumpfen des Individualismus, des Nonkonformen, will mir scheinen,
    er sieht eine Sprache des Unterbewussten, die das verdrängte nach oben bringt. Daher bezieht Phantastik ihre Kraft.
    Auch Traumwelten, und das auf seine eigene Ängste bezogene, spielen dabei eine Rolle.
    Herbst bringt viele Beispiel und natürlich Zitate, die diesen Ansatz Phantastik aufzunehmen, unterstützen und betont den sexualisierten Hintergrund der Phantastik schon in klassischen Texten.


    Eine erwartete Komponente der Vorlesung steht weniger im Vordergrund, wie der Leser den phantastischen Raum selbst füllt, wie der Leser das weitere Schicksal eines Romans mehr bestimmt, als ein Autor.
    Dieses Thema hätte mich auch sehr interessiert, da ich durch Leseerfahrungen durch Leserunden und Rezensionsfeedback mehr von Romanen erfahre als in der Pre-Internet-Ära.


    Kurz wird das Phänomen des Veraltens von Übersetzungen, während die Kraft des Originaltextes erhalten bleibt, angesprochen. Ein weiteres lohnendes Thema, dem ich fast eine eigene Vorlesung gewünscht hätte.


    Insgesamt war die Vorlesung wieder sehr bereichernd und bewirkt neue Gedanken, die Fehl- oder Neuinterpretation der Dozentur meinerseits bewusst nicht ausschließen. Das Herbst´Vorlesung das zulässt, ist dem Autor hoch anzurechnen.


    Und einige Kernsätze der Vorlesung werden bei Bestand haben:
    - Phantastische Räume sind immer innere.
    - Wie Literatur, wenn sie etwas Verborgenes freilegt, zur phantastischen Kunst wird, im Gegensatz zu rein unterhaltender Fantasy, die nur das Bekannte in anderer Form immer wieder vorstellt. Der Vorwurf des Eskapismus an phantastische Literatur ist schlichtweg falsch. Phantastische Literatur nimmt die Aufklärung zurück!
    - Wahrnehmung und Wahn sind mit einander vernetzt.
    - Der künstlerische Raum ist immer phantastisch. Ist er das nicht, handelt es sich nicht um Kunst.
    - Eine Poetik nach der Moderne und Postmoderne kann keine Poetik der Übereinkunft mehr sein.

  • Poetik-Dozentur Heidelberg von Alban Nikolai Herbst
    3. Vorlesung


    Vorlesung am Do, 17.01.2008, 18.00 Uhr, Hörsaal, Karlstraße 16:


    Kybernetischer Realismus.
    Grundzüge eines zeitgemäßen realistischen Erzählens.


    Text kopiert vom germanistischen Seminar:
    „Kybernetik oder auch die Steuerungs-Lehre spielt bei der Ausbildung der nach-postmodernen Ästhetik für das überleben der Literatur-als-Dichtung eine notwendige, ja entscheidende Rolle: in der de facto unübersichtlich gewordenen Welt (oder See) muss heute anders erzählt (navigiert) werden. Wir sind soeben erst hinausgefahren auf diese See und unsere Fahrt hat sich, anders als in früheren Zeiten, exponentiell beschleunigt: weniger See als Strom-im-Umfang-einer-See. Da Literatur per se ein langsam sich entfaltendes Medium ist, muss sie eine Art entwickeln, die der Beschleunigung sowohl entspricht, als auch sich ihr entgegenstemmt.
    Es geht mir um eine narrative und als Narration erfüllte Form des Erzählens, die erreichte Traditionsstände keinesfalls aufgibt, sich jedoch den Gegebenheiten der Gegenwart aussetzt und sie verarbeitet. Fiktionalität wird zum Realitätskriterium, Vermischung eine der Stützen. Der kybernetische Realismus ist ein Erzählen in freier Tonalität, das Dokumentation (etwa Autobiografie) mit Fiktionalem verbindet, diese jedoch auf eine Weise, dass mehrere Möglichkeitsräume gleichberechtigt und sich gleichberechtigt realisierend nebeneinander stehen.“




    Meine Eindrücke:
    Auch die dritte und letzte Vorlesung zum kybernetischen Realismus bot wieder viel Anregung zu Lese- und Schreibarten zeitgenössischer Literatur. Aus dieser Mischung von Wissenschaft und Dichtung entsteht fast selbst eine phantastische Erzählung. Hier meine nächtlichen, spontanen Eindrücke über die letzte Vorlesung.


    Zur Verdeutlichung wurden Handouts mit 9 Abbildungen verteilt, die die Erläuterungen des Dozenten über Erzählräume und Regelkreise (vielmehr spiralförmig) sowie der Analyse eines Erzählmodells des Autors verdeutlichen.


    Daraus war sehr schön zu sehen, wie aus der Schnittmenge mehrere realistischer Erzählräume ein imaginärer, mythischer Raum entstehen kann. So klar war mir dieser Vorgang vorher nicht.


    Immer wieder erstaunlich, welche Einflüsse auf die Romane des kybernetischen Realismus Herbst nennt.
    Das reicht von klassischen Vorläufern wie Robert Musils Mann ohne Eigenschaften und Ulysses bis zu Thomas Pynchons Ende der Parabeln, J.G.Ballards Crash und Definitionen von William Gibson. Auch Borges Umsetzung der Unendlichkeit in kleine Erzählungen ist ein Ansatz.




    Weiterhin führt Herbst zahlreiche Merkmale zur Erzählhaltung der Literatur kybernetischen Realismus und den unterschied zum traditionellen Realismus aus.
    Kybernetischer Realismus ist:
    - Vital, nicht kontemplativ
    - benutzt horizontale und vertikale, also nichtlineare Erzählweise und Multitasking
    - benutzt die Technik des Überblendens, Perspektivwechsel, bewusste Täuschung und Masken
    - Spiegelungen und Wechselwirkungen ergeben sich aus der Schreibhaltung und vermitteln den Eindruck von Sprüngen
    - ist grundsätzlich nicht abgeschlossen
    Dadurch ist gerade bei dieser Literatur ein mehrmaliges Lesen der Romane möglich, allerdings ist beim zweiten Mal lesen ein erster Eindruck nicht mehr möglich.
    - Benötigt das Ausgraben von verborgenen Emotionen, kein Eskapismus, keine Esoterik
    - Spricht von hier und jetzt, von morgen und nicht nur von der Vergangenheit wie der traditionelle Realismus.


    Aus diesen vielen Merkmalen und Einflüssen entsteht eine poetische Inspiration. Der Leser ist in dieser Literatur stärker beteiligt als in traditionell erzählten Romanen, weil er die Leerstellen der Sprünge imaginär füllen muss. Ein reines konsumieren ist nicht mehr möglich, aber dadurch wird Literatur von reiner Unterhaltung zur Kunst, wie wir schon durch die erste Vorlesung wissen.


    Es gibt die Prognose von Herbst, dass der Roman für diese Art des Erzählens nicht mehr ausreicht und neue Medien stärker in den Leseprozess eingreifen werden.


    Die reine Romanform wird dem Kybernetische Realismus laut Herbst nicht mehr gerecht. Da aber die Körper- und Materiallosigkeit der neuen Medien die Wirklichkeit auch nicht vollständig abbilden kann, wird also eine hybride Form aus Buch und Netz die Zukunft dieser Erzählhaltung des kybernetischen Realismus sein.


    Diese Erfahrungen habe ich hier bei den Leserunden, zum Teil gemeinsam mit den Autoren, schon gemacht und aus mehreren gemeinsam erlebten Leseerfahrungen entstehen neue Perspektiven.


    Diese Poetikdozentur brachte mir so viele Erkenntnisse und Anregungen zum anderen Umgang mit Literatur, dass ich dem germanistischen Seminar in Heidelberg und dem Dozenten Alban Nikolai Herbst herzlich danken möchte. :anbet

  • Habe mir heute endlich einmal die Zeit genommen und deine Texte hier wenigsten überflogen um mir ein Bild vom kybernetischen Realismus machen zu können, nur wird es weiteres Lesen erfordern. Ein paar Punkte möchte ich später gerne aufgreifen.


    Voerst nur dies: Gibt es Beispiele für hybriden Formen? Wie genau kann ich sie mir vorstellen?


    Und dann noch einmal vielen Dank für Mühen, Stunden und Nächte, die du aufbringst, um uns am Ereignis teilassen zu haben, Herr Palomar (der mir überraschenderweise als Buch über den Weg gelaufen ist aber noch nicht bis in mein Regal). Merci und Bückling.

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Voerst nur dies: Gibt es Beispiele für hybriden Formen? Wie genau kann ich sie mir vorstellen?


    Beispiel: Alban Nikolai Herbst hat auf seiner Homepage aus seinem neuen Roman, der noch nicht veröffentlicht ist, immer wieder Abschnitte gepostet, worauf viele Leser Kommentare dazu verfasst haben. Diese Kommentare hat der Autor aufgegriffen und in seinen Roman weiterverarbeitet.
    Er erlaubt in gewisser Weise also ein Eingreifen in seinen Text.
    Bei traditioneller Buchform kann der Leser nur das lesen, was gedruckt ist. Einflussnahme ist normalerweise ausgeschlossen.


    Ein weiteres Beispiel ist, das Herbst manche Kommentatoren zu seinen Texten sogar als Romanfigur aufgenommen hat, in stark verönderter Form natürlich.
    Einmal hat Alban Nikolai Herbst sogar bei eBay einen Rollencharakter versteigert. Der Gewinner der Auktion durfte als Romanfigur im Buch auftauchen. Das war natürlich kein kommerzieller Grund (was ich sonst ablehnen würde), sondern eine Strategie des Autors, den Raum mehr zu öffnen.



    In unseren Leserunden beeinflussen wir die Lesehaltung der Teilnehmer auch durch unsere Beiträge. Eine Mischform ist deshalb hier (in Maßen) sogar schon realisiert.

  • Interessant, interessant. Das setzt natürlich eine entsprechend freie Schreibarbeit des Autors voraus, welcher der Handlung eine gewisse Offenheit gibt um eingreifen zu können. Das heißt auch, dem Leser als solchen über reine Marketingstrukturen hinaus Macht zu geben, was er gerne wie geschrieben lesen möchte.
    Das mit Ebay geht mir allerdings schon einen Tick zu weit in Richtung Fünfminutenruhm.