Anneli Schinkel - Seidentochter

  • Über die Autorin
    Anneli Schinkel kam 1982 in Korea zur Welt. Kurz nach der Geburt wurde sie vor einem Waisenhaus ausgesetzt - bis heute konnte nicht wirklich geklärt werden, von wem. Im Alter von wenigen Monaten wurde sie von einem deutschen Ehepaar adoptiert und wuchs in Köln auf. Heute studiert sie und reist in regelmäßigen Abständen nach Korea.


    Über das Buch
    Der Brief lag im März im Briefkasten meiner Eltern ein Wunder, dass er uns noch erreicht hat, er war an unsere alte Adresse in Köln gerichtet, wo wir seit dreizehn Jahren nicht mehr wohnen.
    Der koreanische Staat ermöglicht dreißig Adoptierten aus der ganzen Welt, ihr Geburtsland kennen zu lernen und sich mit der Kultur des Landes vertraut zu machen ...


    Anneli ist einundzwanzig, als dieser Brief in ihr Leben flattert, und schnell ist klar: sie wird die Einladung annehmen und ihr Geburtsland kennen lernen. Sie wird endlich spüren, wie es ist, einmal äußerlich nicht aufzufallen, Gleiche unter Gleichen zu sein. Und sie wird alles versuchen, um mehr über ihre Herkunft zu erfahren.


    Sie tritt in einer koreanischen Familienshow auf, und dort erzählt sie das Wenige, das sie über die ersten Monate ihres Lebens weiß. Das Unglaubliche passiert: Ihre leiblichen Eltern erkennen sie wieder - sie ist das Kind, das sie jahrelang tot geglaubt hatten. Was nun folgt, ist der manchmal langsame, dann wieder extrem beschleunigte Weg einer Annäherung an eine doch sehr fremde Welt ...


    Meine Meinung
    Ein Schicksal, das wohl viele adoptierte Kinder teilen: Der Wunsch, mehr über die eigenen Wurzeln zu erfahren. Hier ist es noch komplizierter, denn Anneli kommt ursprünglich aus Südkorea und was es nicht einfacher macht: Sie wurde als Findelkind vor einem Waisenhaus abgelegt.


    Doch sie hat mehrfaches Glück: Sie wird von einem Ehepaar adoptiert, daß sie sehr liebt und sie bekommt sogar noch einen kleinen Bruder, ebenfalls aus Korea adoptiert. So wächst sie geliebt und behütet in Deutschland auf und der Wunsch, ihre leiblichen Eltern eines Tages kennenzulernen, wird von ihren Zieheltern unterstützt, was ja auch nicht selbstverständlich ist. Viele Adoptiveltern blockieren ja dieses Anliegen aus Furcht davor, in den Hintergrund treten zu müssen....


    Doch Annelis Eltern tragen ihren Wunsch mit und als sie die Möglichkeit bekommt, zusammen mit ihrem Bruder das Land ihrer Herkunft näher kennenzulernen, sind sie mit dabei. Dabei bekommt sie die Möglichkeit, in einer Fernsehsendung nach ihren Eltern zu suchen - und sie hat tatsächlich Erfolg.


    Nach über 20 Jahren findet die Familie wieder zusammen und Anneli erhält Antworten auf viele Fragen, die sie ihr Leben hindurch begleiteten. Doch die Tage des neu gewonnenen Familienglücks scheinen gezählt, als ihre leibliche Mutter an Krebs erkrankt....


    Das Buch habe ich schon vor einiger Zeit auf meine Wunschliste gesetzt, doch als ich die Autorin erst letzte Woche in einem TV-Beitrag gesehen habe, mußte ich es sofort lesen. Anneli Schinkel kam darin so liebenswert und sympathisch rüber, daß ich das Buch allen anderen, die in meinem RUB schon lauthals um Lektüre baten, vorgezogen habe :-] - und ich wurde nicht enttäuscht.


    Sehr sympathisch beschreibt die Autorin darin ihr Leben und vor allem das, was sich im Jahr 2003 abgespielt hat, als die Suche nach ihren leiblichen Eltern tatsächlich von Erfolg gekrönt wurde.


    Die ersten Begegnungen mit der Familie sind dabei sehr interessant und emotional beschrieben. Spannend ist dabei natürlich nicht nur das Aufeinandertreffen und Zusammenwachsen zweier Familien zu einer sondern auch das Aufeinandertreffen zweier grundverschiedener Kulturen.


    In Korea gibt es ja doch sehr viele Umgangs- und Verhaltensregeln, die uns hier fremd sind und die auch Anneli Schinkel erst kennenlernen muß.


    Für mich auch eine sehr interessante Konstellation: Sie ist in beiden Kulturen zuhause, in der einen durch ihre Geburt und in der anderen sozusagen von Geburt an - und doch ist sie es nicht.


    Bei uns ist sie heimisch, hier fühlt sie sich zuhause und vertraut - doch ihre Erscheinung läßt anderes annehmen. In Korea sieht sie aus wie alle anderen - doch sie ist mit den Bräuchen nicht vertraut und beherrscht auch die Sprache noch nicht gut. "A Stranger in both worlds..."


    Dies läßt einen auch verstehen, warum die Autorin Auslandsadoptionen eigentlich eher kritisch gegenübersteht, obwohl sie es "gut getroffen" hat und zu einem sympathischen, geliebten und ausgeglichenen Menschen herangewachsen ist.


    Doch.... lest das Buch einfach selbst. Ich habe es heute innerhalb weniger Stunden inhaliert und war und bin einfach nur rundum begeistert. Daumen rauf - alle beide!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Fein, daß es Dir so gefallen hat, Batcat!


    Mein Mann hatte das in der Kategorie Sachbuch bei der Lübbe Lesejury gewonnen. Wie Du Dir denken kannst, ist das nicht unbedingt das, was er sich unter Sachbuch vorstellt. Aber dafür kann ich es jetzt lesen... :grin

  • Dann lies das mal! Es ist rundum sympathisch geschrieben, schmökert sich weg wie nix und man lernt viele ebenso interessante wie für uns völlig unverständliche Bräuche und Riten kennen. :-]

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich hab das Buch ausgeliehen bekommen und es auch innerhalb kürzester Zeit verschlungen.


    Anneli berichtet hauptsächlich aus der Gegenwart, wie sie in Korea an einem Seminar teilnimmt, was ins Ausland adoptierten koreanischen Kindern ihre Heimat näher bringen soll. Schon da fallen ihr viele Unterschiede auf, wobei diese Kurse sehr gezwungen versuchen, koreanische Kultur rüberzubringen.


    Durch eine TV-Show findet sie dann tatsächlich ihre Mutter und hat noch mehrere Jahre mit ihr und ihrer Familie, die sie dem Leser schildert. Dabei weist sie immer wieder darauf hin, dass sie zum einen eine sehr glückliche Kindheit bei ihren Adoptiveltern hatte und dass sie zwischen den Kulturen hin- und hergerissen ist.


    Mir hat dieser Bericht sehr gut gefallen und ich habe einen Einblick in die koreanische Kultur bekommen, die mir bisher sehr fremd war.


    Das gibt von mir 9 Punkte.

  • Mein Fazit:
    Anneli, geboren in Korea, aufgewachsen als Adoptivkind in Deutschland, macht sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter.
    Hierbei lernt sie die Kulter und Traditionen Koreas kennen, die auf sie, und ebenso auf mich, stellenweise befremdlich und auch erschreckend wirkten.
    Das Buch hat mich tief berührt und ich mochte es nicht mehr aus der Hand legen.
    9 von 10 Punkte

  • Zuallererst muss die Gestaltung dieses Buches gelobt werden, das die eindrückliche Geschichte einer jungen Frau enthält, die ihre leibliche Mutter in Korea findet. Passend zum Titel „Seidentochter“ schimmert der feste Einband in seidigem Weiß. Sowohl auf dem vorderen, als auch auf dem hinteren Vorsatzblatt befindet sich eine Karte von Nord- und Südkorea. Dafür wurde auf ein Lesebändchen verzichtet.


    Diese wahre Geschichte wurde von Anneli Schinkel geschrieben, die 1982 in Korea geboren, von Martina und Gerd Schinkel adoptiert wurde. Bei ihnen findet sie ein liebevolles Zuhause und eine neue Heimat. Heimatliche Gefühle verbindet sie deshalb nur mit Deutschland. Das Interesse an Korea und an der Suche nach möglichst vielen Strängen ihrer Wurzeln ist im Laufe der Jahre so weit gereift, dass Annelie zusammen mit ihrem ebenfalls aus Korea stammenden Adoptivbruder Jannik, eine Einladung des Staates Korea annimmt, ihr Geburtsland für die Dauer eines mehrtätigen Seminars näher kennen zu lernen.


    So manches, das sie während des Seminars erlebt, wirkt doch sehr befremdlich auf Annelie. Die Nationalhymne wird eingeübt und die Teilnehmer werden angehalten sich so zu verhalten, dass der koreanische Staat stolz auf sie sein kann. Und sie sollen stolz darauf sein, dass Korea ihr Geburtsland ist. Auch Taekwondo mit Grundschulkindern oder Geschichten tanzen fällt Annelie nicht leicht. Viel lieber würde sie mehr Zeit darauf verwenden sich mit den anderen Adoptierten auszutauschen. Welche Erfahrungen haben sie damit gemacht, dass sie fremd aussehen, es aber nicht sind? Welche Geschichte über die Suche nach den leiblichen Eltern haben sie zu erzählen?


    Annelies Suche nach ihrer leiblichen Mutter und das Finden einer ganzen Familie ist jedenfalls erzählenswert. Auf eine höchst sympathische Art berichtet die junge Frau davon, wie sie trotz der mehr als dürftigen Anhaltspunkte über ihre Herkunft, mit Hilfe einer koreanischen Fernsehsendung, ihre leiblichen Eltern und Geschwister findet. Kleinigkeiten wie die Angst vor der Blutabnahme, die nötig ist um mittels DNA-Analyse die Familienzugehörigkeit zweifelsfrei festzustellen und große, wichtige Dinge wie die Annäherung an die leibliche Mutter, das Gefühl ihre Hand zu spüren, beschreibt Annelie Schinkel auf eine Weise, die sehr erwachsen und trotz großer Gefühle nie kitschig wirkt.


    Die Frage, wie viel in einem Menschen Erbanlage und wie viel Sozialisation ist, stellt sich angesichts der großen Unterschiede zwischen der westlichen Annelie und ihrer östlichen Verwandtschaft. Hätte sie auch das Bedürfnis nach solch engem körperlichen Kontakt, wenn sie bei „ihren Koreanern“ aufgewachsen wäre? Wie angepasst an die streng reglementierte Welt Koreas wäre sie?


    Das Thema Auslandsadoption wirft wohl noch mehr Fragen auf, als Adoptionen innerhalb eines Landes es ohnehin tun. Ist es richtig Kinder in einem Land aufwachsen zu lassen, in dem sie ein Leben lang immer wieder mit Fragen und Problemen aufgrund von Äußerlichkeiten konfrontiert werden? Wie schwer ist es für diese Adoptierten ihre Wurzeln zu finden? Kulturell und familiär. Und wenn leibliche Verwandte tatsächlich gefunden werden besteht meist eine nicht unerhebliche Sprachbarriere.


    Antworten auf diese Fragen kann so eine Geschichte nicht geben. Dazu sind sie zu individuell. Aber Einblicke kann sie geben. In ein höchst interessantes Thema und in das ebenso interessante Land Korea.

  • Habe heute morgen im Frühstücksfernsehen eine Bericht über Anneli und den Zusammentreffen mit ihrer leiblichen Familie gesehen. Dieses Buch hat mich sofort interessiert und nach euren Rezis wird es auch gleich auf meine Wunschliste wandern.

    LG Melanie
    :lesend


    „Egal wie tief man die Messlatte des geistigen Verstandes eines Menschen legt, es gibt jeden Tag jemanden der bequem darunter durchlaufen kann!“

  • Das Buch lohnt sich auf jeden Fall.
    Ich war mal mit Anneli zusammen auf einer Stimmschulung für Autoren, und sie ist so ein goldiger, positiver, "echter" Mensch, dass mir dann das Lesen ihrer Geschichte danach doppelt ans Herz gegangen ist.
    Die Umstände, die zu der Adoption geführt haben, sind wirklich haarsträubend. Ich war die Hälfte des Buches in Tränen gebadet, vor allem wegen Annelis leiblicher Mutter. Dabei hat mich nur getröstet, dass die Autorin ein offensichtlich sehr glückliches Leben führt. Schade, den Beitrag im Frühstücksfernsehen habe ich verpasst.


    Liebe Grüße
    Birnbaum

  • Ich bin begeistert. Neben der Suche nach den leiblichen Eltern der Autorin erfährt man sehr viel über die Kultur und den Alltag Koreas. Das Begräbnisritual ist vollkommen verwirrend. Ich wäre genauso schockiert gewesen wie die Autorin.


    Ein sehr sympatisches Buch von einer sehr sympatischen Autorin.

  • Stimmt, dieses Buch empfand ich auch als sehr gut geschrieben und auch schnell gelesen. Ich hatte schon einiges über das Buch gehört und war sehr erfreut als es mir in der Bücherei in die Hände fiel.


    Sicher gibt es einige Zufälle in Annelis Leben und bei der Suche nach ihrer Familie und doch ist es sehr schön, dass es so gut geklappt hat und auch Anneli nun in beiden Familien ihr zuhause gefunden hat und sich auch einlässt auf ein Leben in beiden Kulturen.


    Als Adoptivkind ist es bestimmt allgemein schwer mit den Fragen, auf die man häufig keine Antwort erhalten kann, zu leben. Umso schöner, wenn es einem dann wie Anneli gehen kann. Gerade wenn man auch noch "anders" aussieht.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)