Inhalt:
Laurence de Belgrave, Tochter eines Normannen und einer Römerin, wächst teilweise im Languedoc auf. Nach einer turbulenten Rundreise durch den Mittelmeerraum erlebt sie den Beginn der Albigenserkreuzzüge bis zur Schlacht von Muret mit. Ihre Erlebnisse und die Menschen, die dabei ihren Weg kreuzen, werden ihren weiteren schillernden Lebensweg prägen und sie in weiterer Folge nach Otranto bringen, wo ...
Aber, das ist eine andere Geschichte.
Autor:
siehe andere Rezis
Meinung:
Obwohl ich es normalerweise nicht so mit Frauenfiguren habe, war die ältere Laurence schon in den Gralsbüchern eine der Figuren, die mich am meisten fasziniert haben. Umso entzückter war ich, als sich Berling gerade sie ausgesucht hat, um aus ihrer Sicht frühere Ereignisse, insbesondere den Beginn der Albigenserkreuzzüge, zu schildern. Doch bleibt sie nicht die einzige liebe (oder weniger liebe) alte Freundin, die wir treffen, da wären zB auch John Turnbull, mein Lieblings-Verschwörer und Gavin Montbard de Bethune, mein Lieblings-Templer. Manche treten noch unter anderem Namen auf, sind aber unschwer zu erkennen.
Es treten, bei Prequels fast unvermeidlich, leichte Widersprüche zu den früher entstandenen Büchern auf, aber die fallen nicht weiter ins Gewicht bzw. sind ein Preis, den ich für dieses Buch gern gezahlt habe.
Genau wie die alte mochte ich auch die junge Laurence. Daß sie zeitweise etwas an Yeza erinnert, sollte nicht überraschen.
All das tritt aber nur dann in Erscheinung, wenn man nach Entstehungszeitpunkt liest, und nicht chronologisch. Wenn "Die Ketzerin" der erste Zugang zur Welt dieser Menschen ist, wird man sich höchstens später ein bißchen wundern. Und einen vollends anderen Blick auf gewisse Charaktere haben, wenn man sich dann an die Grals-Bücher macht. Was auch einen gewissen Reiz hat, denke ich.
Was mir an diesem Buch ganz besonders gut gefallen hat, war die Darstellung der Albigenserkreuzzüge. Berlings Sympathien sind ganz klar auf Seiten der Katharer und derer, die unabhängig von ihrer Religion ihre Heimat verteidigen. (Klar erkennbar bei meiner HC-Version nicht zuletzt durch das Kreuz von Toulouse, das dieses äußerlich wunderschöne Buch schmückt.)
Und trotzdem ist ihm zu meiner Überraschung eine ausgewogene Darstellung gelungen. Beide Seiten haben ihre Schurken und ihre edlen Menschen. Seinem Markenzeichen getreu verflicht Berling auch diesmal auf wunderbare Weise Geschichte und Geschichte.
Und auch diesmal flicht Berling, wie er es so gern tut, eine mittelalterliche Chronik in die Geschichte ein, diesmal die von Pierre de Vaux-de-Cernay, was es damals beim Erstlesen besonders reizvoll machte, VdC gleich danach zu lesen.
Durch die eine zentrale Figur mag das Buch einfacher zu lesen sein als die Grals-Bücher mit ihren zig Personen, Schauplätzen und Handlungsfäden. Für Neueinsteiger also durchaus geeignet, weil es dennoch ein klassischer Berling ist.
Chronologisch ist "Die Ketzerin" vor "Die Kinder des Gral" einzuordnen, parallel zu "Franziskus oder Das zweite Memorandum", das, neben der Handlung über den Heiligen, in etwa den gleichen Zeitraum behandelt, aber etwas weiter führt.
Einstmals hatte ich gehofft, Berling würde die Geschichte von Laurence' Jugend fortsetzen und damit das "missing link" zu den Grals-Büchern herstellen. Irgendwie glaube ich jetzt aber nicht mehr daran, da er offenbar mit anderen Projekten beschäftigt ist. Obwohl es durchaus eine feine Sache wäre. Laurence wäre es wert.
Edit: Einen inhaltlichen Fehler beseitigt.