'Die Kaufmannstochter' - Seiten 116 - 230



  • Liebe Gaby,


    so wie du habe ich Gutta auch gesehen.

  • Zitat

    Original von Ines


    Was ist mit der Scham, nicht zu genügen?
    Ich denke nicht nur an den Arbeitslosen, der noch Monate später mit der Brotbüchse unterm Arm das Haus verlässt. Ich denke auch an die kleine Schülerin, die von ihrem Vater gesagt bekommt: "Bei mir zählen nur Einser."


    Scham hat auch immer etwas mit Macht zu tun. Der, der in einem anderen Schamgefühl auslöst, hat Macht über den Schämenden. Ach, da gibt es so viele Aspekte zum Thema.


    Nein, das löst bei mir kein Schamgefühl aus bzw. hat bei mir kein Schamgefühl oder keine Scham ausgelöst. Mein Vater gehört zu der Kategorie nie zufrieden mit seinen Kindern. Aber das war mir immer herzlich egal. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen.


    Es ist aber durchaus möglich, dass andere beschämt sind, wenn sie ihren Eltern nicht genügen.


  • Liebes Cookiemonster,


    herzlichen Dank für deinen Beitrag und deinen Buchtipp. Über einige Gedanken von dir muss ich noch nachdenken.

  • Zitat

    Original von Nachtgedanken


    Ganz ehrlich, ich finde, Bertram verhält sich hier wie ein Zuhälter. Nur dass er sich halt nicht mit Geld bezahlen lässt, sondern mit Informationen und dem Streuen von Gerüchten. Und sobald er Gutta heiratet, macht er einen auf anständig und entledigt sich Irmelins.
    Uneigennützig hätte er sich verhalten, wenn er Irmelin ein Einkommen ohne Gegenleistung verschafft hätte.


    Nachtgedankens Beitrag zu Betram kann ich so einfach nur unterschreiben, ich habe das genauso empfunden. Betram hatte da nur seinen Nutzen im Sinn.

  • Wegen akuten Mangel an Lesezeit bin ich leider erst jetzt mit diesem Abschnitt und den sehr interessanten Diskussionen dazu fertig geworden.


    zum Verhältnis Irmelin zu Bertram:


    Ich sehe es ähnlich wie Nachtgedanken. Für mich agiert hier Bertram mit einem Zuhälter vergleichbar. Für ihn geht es hauptsächlich darum über Irmelin Informationen zu bekommen. Irmelin profitiert durch diese "Zusammenarbeit" zwar insofern, als sich ihre Lebensverhältnisse dadurch verbessern, was aber nichts daran ändert, dass er sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu seinem Werkzeug macht.
    Ich stelle mir hier auch die Frage, ob Bertram Irmelin diese Verbesserungen ihres Lebensstandards von der Hure zur Kurtisane auch nicht gerade deswegen herbeiführt, weil es sich dabei um eine Voraussetzung dafür handelt, dass sie überhaupt die relevanten Kreise ausspionieren kann.


    zu Gutta:


    Ihr Verhalten als Scham zu bezeichnen tue ich mir auch schwer. Es mag zwar auch eine Rolle für ihr Verhalten sein, ich hätte ihr "Hauptmotiv" eher darin gesehen, dass sie durch Erziehung und Gesellschaft ein derart geprägtes Stände- und Rollendenken infilitriert bekommen hat, dass sie glaubt, dass gewisse Verhaltensweisen mit ihrem Ziel Kaufmann zu sein, nicht vereinbar sind.
    Wenn sie liebt und Lust empfindet, dann wird sie in ihrem Denken zu einer Magd. Sie will aber in jeden Fall eine Kauffrau sein und daher verbietet sie sich davon abweichende Verhaltensweisen. Sie denkt praktisch in Schablonen, was sie hört und gesagt bekommt, was eine Magd, Ehefrau etc. ausmacht.


    Das würde ich auch in der Hochzeitsnacht so sehen, als sie sinngemäß sagte, dass man in der Hochzeitsnacht das so machen muss. Sie hat die Schablone, dass eine Hochzeitsnacht so ablaufen muss und deswegen macht sie es auch so.


    Edit:
    Interessant finde ich auch das Spiel mit der Abhebung aus der Masse durch den Namen. Hier wird in sehr vielen verschiedenen Situationen immer wieder darauf bezug genommen und es zieht sich immer wieder durch diverse Szenen.
    Vor allem als Gutta Bertram sagt, dass sie in sozusagen auch deswegen erwählt hat, weil er ihrem Vater gleicht und sie in einer Ehe mit ihm ihr Leben im Grunde fortführen kann. Das war wieder ein Seitenhieb gegen Bertram, der sich unbedingt als Einzelperson behaupten will und dann, nachdem er schon erfahren musste, dass Gutta ihn nicht liebt, in ihn auch nur ein Abziehbild ihres Vaters sieht.


    Etwas länger haben mich auch die Motive Bertrams für seinen Angriff auf den Alten Stetten beschäftigt. Sieht er sich eigentlich selbst auch als Mörder oder hat er nur Angst, dass Stetten noch einmal aufwacht und ihn fälschlicherweise als solchen verleumdet?


    Der historische Hintergrund ist wieder anschaulich dargestellt. Was ich dabei allerdings etwas schade finde ist, dass er oft "blockartig" vorkommt. Z.B. in einem Kapitel wird die Pest behandelt, späteres Kapitel Luther. Obwohl es jetzt schon mehr beginnt, dass diese Themen auch mehr in den Alltag einfließen, was gerade sehr spannend ist. Solche Details finde ich immer wieder sehr interessant, vor allem wenn man darin die Auswirkungen der Weltgeschichte auf den Alltag der Menschen sieht - z.B. Fischpreis.

  • Mir geht's wie dir taciturus! :knuddel1


    Zitat

    Original von Queeny
    Etwas zu wenig fand ich umschrieben, wie Bertram als Ehemann von Gutta erwählt wurde. Lag es nur daran, dass er ein eigenes Haus besitzt und sich als Kaufmann einen Namen gemacht hat?


    Ja, ich musste ich auch nochmal zurückblättern, weil ich dachte, ich hätte 2 Seiten übersprungen.


    Zitat

    Original von Bouquineur
    Die Hochzeitsnacht fand ich merkwürdig. Vor allem der Satz: Er verschloss ihr den Mund mit einem Kuss und zeugte ein Kind :wow
    Nach der Schilderung seiner Erfahrungen mit Irmelin war mir an dieser Stelle zu wenig Action :grin
    Im Rückblick aber verständlich, da wir ja im Anschluss erfahren, dass Gutta kalt wie Eis ist.


    Also ich fand gerade den von dir zitierten Satz klasse, damit ist doch alles gesagt :grin


    Gutta empfinde ich auch nicht als kalt wie Eis, sondern eher als erlaube sie sich selbst keine Gefühle (wegen ihrer Ängste, dann zur "läufigen Hündin" zu werden und ihre Fähigkeiten als Kaufmannstochter zu verlieren) und ist deswegen so zurückhaltend. Ich mag sie nach wie vor und ich hätte Bertram sein Verhalten bei und kurz nach der Geburt der Tochter ganz sicher auch nicht schneller verziehen :schlaeger
    Apropos - ich finde ihn generell immer unsympathischer :-(


    Zitat

    Original von GabiMeyer
    FAXENKRAM, jedes Mal wenn ich dieses Wort lese muss ich ein weinig lachen, lustig!


    Mir ist es eben im Gespräch rausgerutscht! :wow :lache


    Zitat

    Original von Ines
    Irmelin hat doch auch von ihm profitiert. Und er hat sie zu nichts gezwungen, hat ihr nichts versprochen. Für mich ist das eher eine Geschäftsbeziehung. Tragisch ist nur, dass Irmelin ihn liebt. Aber das kann man Bertram ja nicht vorwerfen.


    Ihre Liebe zu ihm nicht, aber wie er damit umgeht, schon!! Er hätte ihr viel früher sagen müssen, dass er sie nicht liebt und sie nicht in dem naiven Glauben lassen, dass er wegen ihr zu ihr kommt. Überhaupt hätte er nicht mit ihr schlafen dürfen!


    Zitat

    Original von Ines
    Was haltet ihr von der Scham? Ist sie ein unterschätztes Gefühl oder gibt es sie heute gar nicht mehr so?


    Na klar gibt es sie noch, nur wahrscheinlich in anderen Bereichen als vor 400 Jahren. Ich denke auch, dass es eine starke Emotion ist - allerdings ist sowohl die Art ihrer Ausprägung als auch ihre Intensität natürlich stark von den herrschenden Normen abhängig. Das auf Scham folgende Verhalten ist sicher meist Verbergen, Vertuschen, etc. - und manchmal eben zu einem hohen Preis.
    Gutta und Scham passt in sexueller Hinsicht zusammen für mich - in jeder anderen nicht, also ich würde sie nicht generell als schamhaft bezeichnen, denn auf die Urteile der anderen gibt sie ja nicht viel.


    ----


    Herrlich übrigens die Szene, in der Ludovik Bertram erklärt, was Humanismus ist :rofl

  • Eure Meinungen zur Beziehung zwischen Irmelin und Bertram sind ziemlich einhellig.
    Es interessiert mich, wie ihr die Sache umgekehrt bewerten würdet. Wenn Irmelin Bertram mit Hilfe von vermeintlichen Informationen eine Stube und ein paar Kleider aus den Rippen kitzeln würde. Ich befürchte fast, dass hier nicht für den einen gilt, was für den anderen Gültigkeit hat.
    Ich bin sehr gespannt auf eure Beiträge.


    Gruß Ines

  • Nun bin ich mit diesem Abschnitt auch durch.


    Die Spannung reißt nicht ab! :-)


    Was ich schade finde, dass Bertram mir nicht näher kommt. Ich finde ihn nach wie vor sympathisch, mag, was er vorhat und wie er sich durchboxt. Ich gehe den Weg gerne mit ihm.
    Von daher sehe ich wahrscheinlich, wie ich auch schon im vorigen Kapitel vor einigen Tagen geschrieben habe, diese Endung von ihm und Irmelin anders als so manch ein Leser. Es war eine klare Sache. (Sehe es ähnlich wie kamelin). Es gab eine klare Abmachung zwischen ihnen. Bertram hat ihr mehr gegeben als manch ein anderer. Dass sie sich in ihn verliebt, ist ihr "Problem" (klingt jetzt sehr hart - sorry!). Aber sie kann als Hure nicht erwarten, dass er sie wieder liebt! Auch wenn er Informationen von ihr wollte, er hat sie dafür auch bezahlt. Ob er nun mit ihr ins Bett geht und dafür zahlt oder Informationen von ihr erhält und dafür bezahlt - das ist doch egal! Wesentlich leichter lässt es sich doch in Punkto Emotionalität mit den Informationsgabe Irmelins umgehen, oder?!


    Was ich aber schade finde, dass Bertram immer nur grob erwähnt wird. Es gibt wenig wörtliche Rede, dadurch kommt mir weder Bertram noch Gutta näher.


    Was mich sehr interessiert hätte, wäre, wie Bertram und Gutta sich in der Phase vor der Hochzeit verständigt haben.
    Es fällt mir dadurch schwer, vorzustellen, wie es
    1. zu der Hochzeitsnach kommen konnte. Haben die beiden sich denn nicht vorher schon mal angelächelt, vielleicht ein zartes Küsschen getauscht, sich an der Hand gehalten?
    2. zu der Kälte nach der Hochzeitsnacht kommen konnte. Es muss doch eine emotionale Bindung bei beiden in irgendeiner Form gegeben haben, auf die Bertram sich hätte stützen können und an die Gutta sich hätte erinnern können.
    Ich muss gestehen, dieses wichtige und entscheidende Kapitel vor der Hochzeit ist mir zu kurz gekommen. Da fehlt der Aufbau. Vielleicht hätte ich die beiden dann besser verstanden. :gruebel


    Sehr schlau fand ich diese Holzgeschichte mit Phillipp. Hat mir gut gefallen, die Passage!


    Schlimm fand ich, dass Bertram nicht bei Gutta während der Geburt war. Aber, sie hat ja auch viel dafür getan, dass er wegbleibt und sich eher um die Geschäfte kümmert! In meinen Augen ist sie selber Schuld! Wer den "Liebsten" so auf Abstand hält und ihn, auch wenn's ihr nicht gut geht, ins Kontor schickt, oder sich nicht helfen lassen will (Bertram hatte ihr ja angeboten, durchs Kaufhaus für sie zu laufen), der kann auch nicht erwarten, dass der andere sich permanent verbiegt.


    Bertrams enttäuschte Aussage über das Mädchen (Baby)war wirklich blöd!


    Aber, wenn die beiden ein bisschen mehr miteinander gesprochen hätten, wenn ein Vertrauensverhältnis da gewesen wäre, dann hätte es auch nicht diese Art der Missverständnisse gegeben, denke ich.


    Bin gespannt, wie es weiter geht!

    :lesend Ich lese: "Weit übers Meer" von Dörthe Binkert


    - Beständigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg -

  • Zitat

    Original von Ines
    Eure Meinungen zur Beziehung zwischen Irmelin und Bertram sind ziemlich einhellig.
    Es interessiert mich, wie ihr die Sache umgekehrt bewerten würdet. Wenn Irmelin Bertram mit Hilfe von vermeintlichen Informationen eine Stube und ein paar Kleider aus den Rippen kitzeln würde. Ich befürchte fast, dass hier nicht für den einen gilt, was für den anderen Gültigkeit hat.
    Ich bin sehr gespannt auf eure Beiträge.


    Gruß Ines


    Wäre das wirklich das Pendant zur Situation? Für mich geht die hier beschriebene Situation nicht so weit. Hier würde Irmelin Bertram Informationen verkaufen. Sie würde für ihn spionieren und würde als Ausgleich dafür Vorteile erhalten.


    In der Situation im Buch kommt für mich noch das Element hinzu, dass Bertram andere Absichten hat als Irmelin. Einerseits bin ich mir nicht sicher, ob er es wirklich deutlich als Geschäftsbeziehung für Irmelin ersichtlich gemacht hat. Er läßt ihr die Kleider und die Hütte vor allem ja auch zukommen, weil es sozusagen die Arbeitsmittel Irmelins sind. Ist ihr das wirklich klar oder glaubt sie, dass er ihr das aus Liebe gibt?


    Andererseits fragt ihn Irmelin konkret, ob er sie liebt. Aus dieser Szene hätte ich herausgelesen, dass Irmelin das Angebot für Bertram Informationen zu sammeln abgelehnt hätte, wenn er ihr offenbart hätte, dass er sie nicht liebt. Es muss ihm also klar gewessen sein, dass Irmelin sich etwas anderes erwartet, als sie bekommen wird.

  • Zitat

    Original von Ines
    Eure Meinungen zur Beziehung zwischen Irmelin und Bertram sind ziemlich einhellig.
    Es interessiert mich, wie ihr die Sache umgekehrt bewerten würdet. Wenn Irmelin Bertram mit Hilfe von vermeintlichen Informationen eine Stube und ein paar Kleider aus den Rippen kitzeln würde. Ich befürchte fast, dass hier nicht für den einen gilt, was für den anderen Gültigkeit hat.
    Ich bin sehr gespannt auf eure Beiträge.


    Gruß Ines


    Ich denke, dann hätten wir alle über Irmelin geschimpft. Dass sie Vorteile hatte aus der Beziehung, dass sehen wir denke ich alle ähnlich.
    Uns hat halt nur das wie gestört. Es ist ok, wenn beide mit offenen Karten spielen und beide wissen, was sie von der Beziehung erwarten können.


    Hätte Irmelin hier mit Bertrams Gefühlen gespielt und ihn so eindeutig ausgenutzt, wären wir Bertram dafür an die Kehle gesprungen :-)

  • Zitat

    Original von Ines
    Du hast vollkommen Recht, taciturus. Trotzdem frage ich, ob die Beurteilung gleich ausgefallen wäre, wären die Rollen vertauscht.


    Gruß Ines


    Diese Frage kann ich leider nicht mehr ganz unvoreingenommen beantworten.
    Ich denke aber, dass ich dieselbe Meinung darüber gehabt hätte. Hoffe ich zumindest. :grin Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass es so wäre.


  • Liebe Linda,


    man darf einen historischen Roman nicht immer durch die Brille der Gegenwart lesen. Damals herrschten andere Sitten, andere Konventionen. Dass der Mann bei der Geburt eines Kindes dabei ist, wie das heute der Fall ist, war damals undenkbar. Kinder kriegen war Frauensache. Basta. Ende. Aus. Die anderen Männer hätten Bertram verlacht; die Hebamme hätte ihn rausgeschmissen. Im Allgemeinen verlief die Geburt unter Anteilnahme von Hebamme, Nachbarinnen und anderen Frauen. Männer wären nicht geduldet worden.


    Auch Hochzeiten und Ehen allgemein verliefen damals anders. Die Liebe, wie wir sie heute kennen, hatte damals einen sehr viel geringeren Stellenwert als heute. Liebesheiraten waren nicht erstrebenswert. Wichtig war allein, ob die Güter des einen gut zu den Gütern des anderen passten. Von daher gab es in der Verlobungszeit zwar einen Austausch zwischen den Verlobten, aber mit Zärtlichkeiten hielt man sich da nicht lange auf. Warum auch? Deshalb ist es für die damalige Zeit auch keine "kalte Hochzeitsnacht", sondern eine ganz und gar normale.
    Dass dir das Kapitel zu kurz gekommen scheint, tut mir Leid. Vielleicht wird dir einiges klarer, wenn du die Zeit, in der es spielt, und die Rolle der Frau, der Ehe und der Sexualität dabei bedenkst.


    Gruß Ines

  • Zitat

    Original von Ines
    Du hast vollkommen Recht, taciturus. Trotzdem frage ich, ob die Beurteilung gleich ausgefallen wäre, wären die Rollen vertauscht.


    Gruß Ines


    Es fällt mir jetzt auch schwer unvoreingenommen zu antworten. Es mag durchaus sein, dass man das Verhalten umgekehrt etwas milder sehen würde, da tue ich mir momentan schwer mich hineinzudenken.
    Ich würde vermuten, dass ich es auch nicht gutheißen würde. Allerdings muss ich vielleicht meien Aussagen in Bezug auf Bertram dazu klarstellen, dass ich das Verhalten zwar nicht positiv oder neutral sehe, aber durchaus nicht extrem negativ.


    Vor allem was im nächsten Thread auch gesagt wurde, finde ich nicht, dass Irmilin nur Opfer oder überwiegend Opfer ist. Ich sehe sie durchaus als eine Person die ihr Leben in die Hand nehmen kann und es auch tut, aber eben hier auch Gefangene in ihrem Wunschdenken ist.

  • Jetzt ist Bertram auch noch mitschuldig am Tod des alten Steffen. Erst sein Vater, jetzt der alte Steffen. Große Gewissensbisse scheint er nicht gehabt zu haben. Sein Verhalten Irmelin gegenüber finde ich auch weiterhin sehr unfair. Er ist ein Kämpfer, der seine Ziele mit allen Mitteln verfolgt. Sogar aus Krieg und Pest versucht er Geschäfte herauszuholen (damals nicht anders als heute).


    Die Hochzeit mit Gutta wurde mir zu oberflächlich abgehandelt. Wie ist das überhaupt alles so schnell zustande gekommen?

    Immerhin liebt Bertram ja seine Gutta, sie ihn aber leider nicht. Mich würde schon interessieren, wodurch ihre Gefühle so blokiert werden. Schön zu sehen, dass sie jedenfalls für ihre Tochter Gefühle entwickeln kann.
    Welche Gefühle sie wohl ihrem Mann gegenüber hatte, als sie ihn "mein Junge" genannt hat.


    Sehr gut finde ich für mich persönlich, dass ich meine historischen Grundkenntnisse auffrischen kann.

  • Ich glaube, sie nennt ihn "mein Junge", um ihn nicht als Mann sehen zu müssen. Kann das sein? Was meint ihr?


    Liebe Tanne,


    Hochzeiten, ich schrieb es schon an anderer Stelle, waren damals etwas ganz anderes als heute. Im Grunde waren es Geschäftsbeziehungen, die geknüpft wurden. Handelshaus heiratete Handelshaus. Liebe im heutigen Sinne gab es damals in weit geringerem Maß.

  • Zitat

    Original von Ines
    Ich glaube, sie nennt ihn "mein Junge", um ihn nicht als Mann sehen zu müssen. Kann das sein? Was meint ihr?


    Möglich :gruebel Damit drückt sie schon in ihrer Anrede aus, dass sie sich genau das verbietet - aber es klingt furchtbar, ich muss jedesmal an eine ältliche Dame denken, die ein Kind in die Wange kneift *grusel*

  • So, nun habe ich auch den 2. Teil beendet. Ich LIEBE dieses Buch. Ein dickes Lob an Ines!!!


    Irmela war mir eigentlich sehr sympathisch. Aber sie scheint sich doch eine Liebe ausgerechnet zu haben, wo
    Aus Bertrams Sicht keine ist. Wobei Bertram ihr ja nie eine Liebe versprochen hat, zumindest keine Gefühlsbetonte. Er hat ihr gegenüber ja immer ehrlich mit offenen Karten gespielt. Hm….ihre Rachegedanken machen mir Sorgen. Was sie wohl noch
    Aushecken wird, und wo sie Bertram´s steile, zielstrebige Karriere wohl ins Aus jagen wird? Ich könnte
    Mir vorstellen das ein einflußreicher Bürger wie Hainbach einer ihrer Kunden ist, und sie ihr Wissen um Bertram
    ausspielen wird. Sie hat für Bertram spioniert, warum sollte sie es nicht auch für Hainbach tun?


    Mit Bertram werde ich nicht wirklich warm. Er ist zu berechnend geworden, und benutzt wirklich jeden
    um weiter voran zu kommen, oder die anderen (vor allem Ludovik) gegeneinander auszuspielen, und sie
    gezielt ins Messer rennen zu lassen. Auch sein Verhalten gegenüber Gutta finde ich zwar wohlwollend, aber
    Nncht wirklich immer nett und fair. Natürlich spielt bei ihm auch ein ganzer Teil Hilflosigkeit mit rein. Auch bei der Geburt von der 1. Tochter (herrje war das wohl noch Teil 2?) verhält er sich sehr machohaft ihr gegenüber, da kann ich Guttas Wut schon verstehen.
    Oder verhält er sich nur so, weil er endlich die Anerkenneung haben möchte die einem bürgerlichen
    Zustehen sollte?
    Ich wundere mich wirklich über die Kälte, die er seiner Tochter gegenüber ausstrahlt. Er wurde als Kind doch von seinen Eltern nicht geliebt. Da hätte ich wirklich gedacht, daß er gerade an seinem Kind versucht gut zu machen, was er in der Kindheit nicht erfahren durfte.


    Gutta ist mir auch absolut nicht sympathisch. Sie ist so gefühlskalt. Was wäre so schlimm daran, wenn sie ihre
    Gefühle Bertram gegenüber zuläßt? Ich glaube Gutta ist ein Mensch der sehr viel Kontrolle über sich selbst haben muß/ möchte.


    Die Magd ist mir noch nicht ganz geheuer…warum ist Gutta so dagegen, daß sie die Spukgeschichten über
    Das Haus verbreitet? Hat Bertram ihr den Namen eigentlich weggenommen, damit sie sich so fühlt wie er damals?


    Ludovik ist ein Weichei. Viel Luft und nichts dahinter, aber er scheint die richtigen Freunde zu haben, die ihn
    Immer wieder aus dem Dreck ziehen. Und genau dies wird Bertram noch zum Verhängnis werden, denke ich.


    Die Hochzeitsnacht wurde erst beschrieben, und dann als es um die Leidenschaft ging mit einem Satz
    beendet, aber dazu äußerte ich mich bereits *grins*, im 1 Teil des Buches.


    Weißt Du was ich an Deinen Leserunden so sehr liebe Ines:


    Das Du immer mit Herzblut dabei bist alles zu beantworten, und VOR ALLEM auch, dass Du uns Leser dazu animierst das Buch bzw. das Leben allgemein in der heutigen Zeit aus verschiedenen Blickwinkeln zu überdenken :-).


    Du fragtest nach dem Thema Scham:


    Ehrlich gesagt hatte auch ich alle möglichen Eindrücke zu diesem Buch wie z. B. Minderwertigkeitsgefühle, Geltungssucht, Rache, Ehrgeiz.


    An Scham habe ich bis ich beim nachlesen hier darüber stolperte nicht gedacht. Und auch jetzt wo ich davon weiß, sehe ich die Scham im Buch nicht so sehr.


    Was das Leben an sich und die Scham angeht:
    Am ehrlichsten zeigen kleine Kinder ihre Scham. Umso älter sie werden, umso besser können sie bzw. die Menschen an sich sie überspielen. Sei es mit betontem Selbstbewußtsein, sei es durch ablenken, oder durch Lügen. Klar man sieht immer mal wieder die "Scham" (die Supernanny ist ja z. B. das Beste Beispiel dafür), aber ich denke man achtet auch nicht wirklich bewußt darauf ob sich jemand schämt. Es sei denn es ist eine nahe Person wie ein Familienmitglied, der Partner, oder eine gute Freundin.

    LG Katja :wave


    "Die reinste Form des Wahnsinns ist es ,
    alles beim alten zu lassen .
    Und gleichzeitig zu hoffen , das sich etwas ändert."-Albert Einstein ."


    :lesend "FÜNF "- Ursula Poznanski

  • Liebe Katja,


    vielen Dank für dein langes Posting. Du schreibst über die Scham bei Kindern. Ich glaube aber, dass es noch eine andere Scham gibt, die sich vorwiegend bei ERwachsenen findet. Nämlich die, die manchen Arbeitslosen noch wochenlang mit der Brotbüchse das Haus verlassen lässt, obwohl er längst keine Beschäftigung mehr hat. Oder die Scham, nicht zu genügen. Ich glaube, das ist ein sehr weites Feld.


    Und ich bleibe dabei: Gutta ist nicht gefühlskalt. Ja, ich behaupte sogar, dass sie sehr sensibel ist. So sensibel, dass die Scham eben eine so große Rolle in ihrer Gefühlswelt spielt.


    Dass Bertram sich kaum um seine Tochter kümmert, liebe Katja, war für die damalige Zeit normal. Nur aus heutiger Sicht nimmt sich das merkwürdig aus.


    Groß Ines