Kurzbeschreibung (Amazon)
"Wenn ich traurig bin, kocht Jan Kartoffeln für mich. Zum Frühstück."
Was tun, wenn man eine sehr emotionale, sehr russische Mutter hat, die mindestens einmal täglich anruft? Und eine wunderbare, aber schrecklich vergessliche Großmutter, die nur in ihrer Sankt Petersburger Vergangenheit lebt? Dazu noch einen reizenden Bruder, der gerade beschlossen hat, sich dem Buddhismus zuzuwenden?
Eigentlich wäre Anja schon damit ausgelastet, in Deutschland Freund und Ex-Freund unter einen Hut zu bringen. Aber einer russischen Familie entkommt man nicht so leicht, auch wenn sie weit weg ist ...
Die Autorin (SchirmerGraf Verlag – dort gibt’s auch ein Foto)
Lena Gorelik, geboren 1981 in Sankt Petersburg, kam 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als „Kontingentflüchtling“ nach Deutschland. Nach ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München absolvierte sie den Elitestudiengang „Osteuropastudien“. Ihr erster Roman Meine weißen Nächte (erschienen im Herbst 2004) wurde vom Magazin bücher als „der beste neue Roman über Deutschland und absolut hinreißendes Buch“ gelobt und mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet.
Meine Meinung
Das Buch habe ich beim Eulentreffen vom Büchertisch gefischt – danke dem edlen Spender/der edlen Spenderin!
Ein ausgesprochen nettes Buch, das ich locker in kurzer Zeit durchgelesen hatte. Wenn ich mir die Biografie der Autorin angucke, kann ich mir vorstellen, dass da einiges Autobiografische verarbeitet wurde.
Das Buch wechselt zwischen zwei Zeitebenen. Anja, Soziologiestudentin, erzählt von ihrer russischen Familie, vom Leben mit ihrem (deutschen) Freund Jan und von der Wiederbegegnung mit ihrem ersten (russischen) Freund Ilja, und immer wieder streut sie Episoden aus ihrer ersten Zeit in Deutschland ein, als sie mit 11 Jahren mit ihrer Familie sozusagen per Zufall von Russland nach Deutschland einwanderte, die ersten Monate im Wohnheim lebte, Deutsch lernen und sich in der Schule integrieren musste.
Ich kenne selbst einige Frauen, die als Kinder mit ihren (allerdings deutschstämmigen) Familien aus Russland nach Deutschland gekommen sind, und ich habe durchaus einiges wiedererkannt. Es ist eine amüsante Schilderung, die trotzdem durchblicken lässt, wie schwer es für die Familie gewesen sein muss, sich in Deutschland zurechtzufinden und einzuleben.
Insgesamt war mir das Buch etwas zu harmlos – ein bisschen mehr Biss und/oder Tiefgang hätte ihm gut getan. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass das Buch im HC falsch aufgehoben ist; da werden Erwartungen geweckt, die das Buch nicht erfüllt. Wer aber etwas nicht allzu Schwergewichtiges über die russische Seele und ihr Zusammentreffen mit der deutschen Kultur zur Zeit der Perestroika lesen mag, verpackt in einen lockeren Frauenroman, der greife zu.