Schreibwettbewerb November 2007 - Thema: "Briefe"

  • Thema November 2007:


    "Briefe"


    Vom 01. bis 20. November 2007 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb November 2007 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!


    Nur für registrierte Mitglieder mit mindestens 50 Beiträgen!


    Eine Bitte: Schickt uns Eure Beiträge als .doc oder .rtf und sendet sie uns als Anhang in einer Mail. Damit kommen dann auch Zeilenumbrüche, etc. richtig bei uns an. In Word könnt ihr dann auch die Rechtschreibhilfe nutzen und unter „Extras“ habt ihr die Möglichkeit „Wörter zählen“.


    Wir wünschen Euch viel Spaß und viel Erfolg!

  • von Linda



    „Liebe Marie,
    nun halte ich es nicht mehr aus und schreibe Dir, weil ich es nicht mehr länger für mich behalten kann. Ein Gedanke quält mich und die Konzentration auf alltägliche Dinge lässt sichtlich nach. Ich bin verzweifelt und weiß nicht, was ich machen soll, wie ich da rauskommen soll! Ich bitte Dich, mir zu helfen!
    Das, was ich mir immer gewünscht habe, ist nun eingetreten und Du bist die erste, die es erfährt: ich bin schwanger! Ja, ich bekomme endlich ein Kind! Es wird ein Mädchen und sie soll Katharina heißen. Einerseits freue ich mich riesig, andererseits trage ich aber auch eine große Last mit mir herum, denn Alexander weiß noch nichts davon! Obwohl ich schon im vierten Monat bin, fand ich nicht den Mut, es ihm zu sagen. Zum Glück ist nichts vom Babybauch zu sehen, so dass mir Alex keine unangenehmen Fragen stellen kann. Sicher wirst Du Dich fragen, warum ich ihm die Schwangerschaft verschwiegen habe. Damit komme ich auch gleich zum unangenehmen Teil der Geschichte: Zum Zeitpunkt, wo es passiert sein könnte, habe ich auch mit Antonio geschlafen. Du weißt doch, der Italiener, der beste Freund von Alex.
    So, es ist heraus, es ist gesagt! Ich fühle mich ein bisschen besser, allerdings weiß noch nicht, ob ich Dir den Brief überhaupt rausschicke…
    Ich habe Antonio natürlich nichts gesagt, habe überhaupt keinen Kontakt zu ihm. Es geschah nach einer Lesung, zu der wir beide gegangen waren, da Alex keine Zeit gehabt hatte. Antonio besaß eine unglaubliche Ausstrahlung an dem Abend. Er hat mir so viele Komplimente gemacht und mich immer wieder in seine Arme gezogen – ich war wie berauscht von ihm. Ich habe mich küssen lassen und es hat nicht lange gedauert, als ich seine Küsse erwiderte und der Abend seinen Lauf nahm…
    Was ich nicht verstehe, ist, dass es passieren konnte! Denn ich liebe Alex und schätze ihn sehr!
    Ich bin zu weit gegangen und habe ein schlechtes Gewissen. Nun sitze ich hier und könnte mich dafür ohrfeigen! Doch so sehr ich mich auch verfluche, ich kann es nicht rückgängig machen. Die einzige Lösung bestünde darin, das Kind abtreiben zu lassen. Doch dafür ist die Schwangerschaft ist zu weit fortgeschritten – und das möchte ich auch nicht!
    Ich habe Angst mit Alexander zu sprechen, Angst davor, was passieren wird, Angst, ihn zu verlieren.
    Oh, Marie, was soll ich bloß tun? Bitte erzähle niemandem davon! Es muss unbedingt unser Geheimnis bleiben!
    Ich überlege, ob ich Alex...“
    Ein Zucken durchfuhr meinen Körper, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und Alexander fragte: „Na, Süße, schreibst du etwas?“
    Ich nickte und mein Herz klopfte zum Zerspringen. Ich versuchte ruhig zu antworten. „Ich schreibe einen Brief an meine Freundin Katharina.“
    „Aha.“ Er lächelte und drehte sich zum Gehen, als er stutzte und stehen blieb.
    Fragend blickte er mich an: „Katharina? Seit wann heißt deine Freundin denn Katharina? Das ist doch der Name, den unser Kind mal bekommen soll...!“

  • von Tom



    (1)


    Guten Morgen, Du Süßer!


    Kaffee ist in der Thermoskanne.
    Das war eine so wunderbare Nacht.
    Sehen wir uns morgen wieder?
    Deine Bärbel
    (Der Joghurt mit dem Edding-Herz ist für Dich!)


    (12)


    Na, Du lieber Langschläfer!


    Ich muß schnell zu meiner Mama, ihr die Neuigkeiten überbringen.
    Ich liebe Dich!
    Bärbelchen
    (Nimm Dir ruhig den Joghurt, auch wenn es der letzte ist!)


    (37)


    Morgen, Schatz.


    Tut mir leid wegen der Kopfschmerzen.
    Das holen wir am Wochenende nach, ja?
    IlD,
    B.
    (Ich kaufe morgen neuen Joghurt!)


    (51)


    Ich muß Dein Auto nehmen, bei meinem fehlt Öl.
    Denkst Du auch mal daran, die Filtertüte in den Müll zu schmeißen?
    Danke!
    Bärbel
    (Der Joghurt war schon über dem Verfallsdatum, sorry.)


    (85)


    Mit Deiner Schnarcherei müssen wir uns was einfallen lassen.
    Bin bis morgen bei Mutter.
    B.
    (Aldi hatte gestern keinen Joghurt mehr.)


    (133)



    Wenn Du morgens um zwei nach Hause kommst, kannst Du wenigstens versuchen, leise zu sein, oder?
    (Es ist KEIN Joghurt im Kühlschrank.)


    (185)


    Sie ist auch Dein Kind.
    (Kauf Dir Deinen Joghurt selbst!)


    (271)


    Bin zwei Wochen mit Katrin auf Mallorca.
    (Du kannst den Joghurt essen.)


    (317)


    FINGER WEG VON MEINEM JOGHURT.


    (455)


    Katrin hat Dich mit dieser Frau gesehen.
    Das wirst Du bereuen.
    (Du kannst den Joghurt gerne essen, aber ICH würde das an Deiner Stelle nicht tun.)


    (601)


    Du hast gewonnen.
    Ich bleibe bei Mutter.
    (Der Joghurt ist für Dich.)

  • von Lotta



    Miriam bläst gerne den Puderzucker von Schokoladenhörnchen herunter und malt Lippenstiftschmetterlinge an die weiße Wand. Steht oft ganz dicht an den Gleisen und hört den Zügen beim Vorbeirauschen zu. Lehnt an dem gelben Postkasten und schiebt sehnsüchtige Blicke durch den Schlitz.


    Irgendjemand ist immer da, der sie am Ärmel zupft, der mit den Fingerspitzen an die Fenster ihrer Traumwelt klopft und ruppigsanft den Reißverschluss ihrer Jacke schließt: „Komm, kleine Ausreißerin, komm nach Hause.“


    Zu Hause: das ist ein buntes Gebäude, in dem verlorene Kinder gesammelt werden, damit sie in ihren Erinnerungen schwimmen lernen. „Hier haben wir die Briefkastenfee“, sagt der Irgendjemand und hebt seine Mütze zum Gruß. Der Direktor nickt, dankt, bleibt versonnen an der Tür stehen und lauscht den vielen Stimmen seines Menschenfundbüros.


    Die Briefkastenfee ist schon um die Ecke geflitzt, mit einem Heimwehlächeln auf den Lippen und einem Bündel Stifte in der Hand. Sie sitzt am Schreibtisch und baumelt mit den Beinen. Liebe Mama, schreibt Miriam und entschwebt der Zeit.


    „Bist du wach, kleine Träumerin? Aufstehen, Liebes.“
    Wenn Mama, Tagschläferin und Dunkelschwärmerin, früh auf war, wurde es ein ganz besonderer Tag. Ein Zuckerwattetag, den man in schaumigweißen Kleidern verbringt. Mit Frühstück im Bett, Seifenblasenbädern in Kokosnussshampoo und schulfrei für Prinzessinnen. Ein Dubadididum-Tag. Mit Ideen und Wortgewändern, in die man schlüpfen und in denen man die Welt vergessen konnte: „Weißt du, was wir machen, kleine Miriam? Wir sind Lückenspringer. Wir springen in die Lücken dieser lückenhaften Welt und sehen zu, wie das Leben über den Rand schwappt und fließt.“


    Buchstaben stolpern unbeholfen über das Papier.


    „Steh auf, Mama. Steh doch endlich auf.“
    Das Leben stockte, gerann zu kleinen, wehrlosen Tröpfchen. Ein Frühlingsmorgen in Weltuntergangsstimmung. Rosafarbene Tabletten auf dem Küchentisch. Ein glückliches Foto mit zerbrochenem Glas. Viel zu fremde Menschen mit viel zu lauten Stimmen.
    „Kommen Sie, bitte, Sie sind in keiner Verfassung …“
    „Das Mädchen. Jemand soll das kleine Mädchen wegschaffen!“
    Eine Seifenblase, die zerplatzt. Ein Lippenstiftschmetterling, der fortfliegt. Eine weinende Frau mit klebrigen Haaren. Dubadididum.
    „Miriam … ich komme dich holen. Versprochen. Wir schreiben uns. Briefe. Weißt du, was Briefe wirklich sind? Zauberwesen, Zugvögel mit bunten Flügeln. Sie wissen immer wohin.“


    Miriams Hand schmerzt. Die Buchstaben hüpfen, sind Tintenkleckse, Spiegelbilder, sind winzige Packesel, die Wünsche ins Traumland transportieren.


    Der Direktor ist ein Mann mit Brille, Bart und warmen Augen. Seine weißen Haare sind Schneeflocken, die langsam zu schmelzen beginnen. Natalie wirbelt herein, windig, die neue Sekretärin: „Die Post – ach, und das war auch dabei.“
    Weiße Umschläge, sorgfältig beschrieben, traumgefüllt. Verschmiert mit himmelblauer Stempelschrift: UNZUSTELLBAR ZURÜCK.
    „Was ist das?“ fragt Natalie, ungeschulte Weltenretterin.
    „Das? Oh, das … Briefe von Miriam.“
    Er öffnet eine Schublade, randvoll mit Zetteln, Briefe ins Niemandsland.
    „Ihre Mutter. Ein Unfall … sie ist zwei Wochen nach der Einlieferung gestorben.“


    Irgendwo schreibt sich Miriam eine Welt aus Papier. Unter ihren Fingernägeln klebt Farbe, ihre Augen sind müde Fenster zu fernen Zeiten. In ihren Händen hält sie selbstgemachte Tintenhoffnung, Zugvogelgepäck, reisefertig. Denn Zugvögel wissen immer wohin.

  • von Leserättin



    Die Schachtel hatte unter dem Bett gestanden, so gut versteckt, dass sie erst beim großen Hausputz gefunden worden war. Jenny betrachtete die an den Rändern bereits gewellte Pappe. Das Etikett war nicht mehr lesbar.
    Vorsichtig hob Jenny den Deckel ab. Zwei Umschläge fielen herunter, landeten mit einem dumpfen Geräusch auf dem frisch gewischten Boden. Jenny griff nach ihnen und fluchte leise über die feuchte Stelle. Das Papier war stark vergilbt, die Schrift so ausgeblichen, dass nur Teile der Adresse zu entziffern waren. Und der Vorname – Anna.
    Ihre Großmutter, der Brief war an Oma adressiert. Ein schneller Blick durch die anderen zeigte, dass sie alle für Anna Mehring waren. Und immer der gleiche Name als Absender – Jakob Mehring.
    Jakob Mehring, Jennys Großvater. Sie kannte ihn nur aus den Erzählungen ihrer Oma, denn er war im Krieg geblieben. Diese Briefe musste er während seiner Zeit als Funker geschickt haben.
    Jennys Neugier siegte über ihre Erziehung. Man durfte Briefe anderer Leute nicht lesen, das hatte auch Oma immer gesagt. Doch Oma war tot, sein über fünf Jahren schon.
    Das Papier vom Briefbogen war so dünn, dass der Wischeimer neben Jennys Füßen durchschimmerte. Die Tinte war hier deutlicher, aber die Schrift schwer zu lesen. Der Brief war komplett in Sütterlin verfasst. Oma hatte viele Bücher in dieser alten Schrift und als Mädchen hatte Jenny gern darin gelesen. Sie erinnerte sich an die Buchstaben, das S, das wie ein F aussah, das B, das mehr an ein L erinnerte und die anderen. Nach einigen Zeilen fiel das Lesen ihr leichter.
    Jakob – Opa – schrieb von einem Angriff, dass sie fliehen mussten und er sich deshalb so lange nicht hatte melden können. Zwei seiner Kameraden waren ums Leben gekommen, einem dritten hatte man ein Bein amputieren müssen.
    Jenny schauderte und überflog die nächsten Zeilen nur. Ganz unten standen mehrere Punkte und Striche. Aber es sah nicht aus, als hätte er damit nur versucht, die Tinte zum Fließen zu bringen. Nein, sie bildeten ein Muster. Ein Code?
    Morsezeichen! Natürlich, Opa war ja Funker gewesen. Mit dem Brief in der Hand ging Jenny an ihren PC und ergoogelte sich eine Morsetabelle. Punkt für Punkt und Strich für Strich wandelte Jenny sie in Buchstaben um.
    Ich liebe dich erschien auf dem Zettel.
    Jenny schluckte, nahm den Brief und legte ihn zu den anderen in den Schuhkarton zurück. Dies waren Omas Briefe, niemanden sonst gingen sie etwas an. Sie verstaute den Karton wieder unter dem Bett und nahm den Wischeimer auf.

  • von Doc Hollywood



    An: Verteiler Gemeinde St. Lukas
    CC: sekretariat@st-lukas-unserer-lieben-Frau.de
    BCC: webmistress@buechereule.de
    Betreff: Gemeindebrief November 2007


    Liebe Gemeindemitglieder,


    erst einmal vielen Dank, dass inzwischen rund zwei Drittel unserer Gemeinde wild dazu entschlossen ist, sich für den Gemeindebrief per E-Mail einzutragen. Alle anderen werden selbstverständlich auch weiterhin die Printausgabe auf handgedengeltem Recyclingpapier aus der vorderindischen Diaspora erhalten. Somit kann sich St. Lukas-unserer-lieben-Frau guten Gewissens um den Titel "Grüne Kirche 2008" bewerben.


    Wir verabschieden bis Ende November Diakon Knarzbach, der sich neuen Aufgaben außerhalb der Gemeinde zuwenden wird. Sein untrügliches Gespür für Fettnäppfchen und unfreiwilliger Komik wird zumindest mir sehr fehlen. Ich erinnere nur an seine "interpretierte Werks-Lesung" (wie er es nannte) des Evangeliums, in dem nicht nur sodomistische Schafhirten und homosexuelle Zöllner zum Zuge kamen, sondern auch Weinberge wegen dem Bau einer mehrspurigen, römischen Fernstraße versetzt wurden. Danke, Jupp, für Deinen unermüdlichen Einsatz um ein besseres Miteinander.


    Ebenfalls vermissen werden wir Elvira "Elfe" Gruber, deren spontan improvisierten Ausdruckstanzeinlagen während der Liturgie ein ums andere Mal für lautstarke Auseinandersetzungen in den Kirchenvorstandssitzungen gesorgt hat. Elvira wurde nun mit 83 Jahren in die Tanztruppe Gottes berufen und dreht jetzt hoffentlich elegante Pirouetten mit den Aposteln.


    Wer für die Vorweihnachtszeit noch eine Beschäftigung sucht, der kann sich vertrauensvoll an unseren Küster, Herrn Jülich, wenden, der dringend Ersatz für die in Flammen aufgegangenen Strohsterne unseres letztjährigen Christbaums benötigt. An dieser Stelle wäre es auch nett, wenn Malte Grohmüller den, während des Brandes aus der Weihnachtskrippe entwendeten Stier wieder zurückgibt. Ich biete einen Geiselaustausch gegen den Playmobil-Astronauten, den er damals bei seiner überstürzten Flucht zurücklassen musste.


    Erfreuliche Nachrichten gibt es vom Sport zu melden. Die Auswahlmannschaft katholischer Geistlicher, „Team Kain“, konnte sich in einem nicht gerade von Barmherzigkeit und Güte gekennzeichneten Endspiel gegen die protestantischen Kicker „Erfolg allein durch Glauben“ mit einem 2:0 durchsetzen. Damit gehört der Regionalpokal bis zum nächsten Jahr erst mal wieder den Katholiken, nachdem er jahrelang im evangelischen Seniorenstift an der Stadtgrenze eine Heimat hatte. Vielen lieben Dank an alle Gemeindemitglieder, die bei den Spielen dabei waren und unsere Mannschaft mit aufmunternden Rufen, wie „Macht sie fertig!“ und „Hau ihn um!“ unterstützt haben.


    Mit diesen versöhnlichen Worten beschließe ich diesen Gemeindebrief und hoffe Sie und Euch alle beim nächsten Gottesdienst wiederzusehen. Zur Erinnerung: Am kommenden Sonntag wird die kleine Anna-Lena getauft. Es wäre also schön, wenn der Kirchenchor dieses Mal zu den richtigen Liedertexten greift und nicht wie bei Elviras Beerdigung mit Klatschorgien der Teilnehmer begleitet werden muss.


    Herzlichst,


    Pfarrer Regner

  • von flashfrog



    Ich grüße Sie, lieber Herr Nikolaus,
    Ihr Brief traf mich an hier im schönen Hawaii.
    (Da habe ich nämlich mein Ferienhaus.)
    Ne dolle Geschichte ist das, eieiei!


    Knecht Ruprecht, der war also wieder besoffen
    und hat dann beim Flug mit beladenem Schlitten
    ein Windrad gerade frontal getroffen,
    sodass Sie dem Schlitten sehr plötzlich entglitten?


    Ein Schock war es, als ich die Botschaft empfing.
    Wie geht es denn Ihrem gebrochenen Bein?
    Natürlich, ich mach ihn, den Job, is kein Ding!
    Für liebe Kollegen da spring ich doch ein!


    Doch Mütze mit Zipfel trag ich nicht beim Schaffen!
    Das Ding kommt mir sicherlich nicht auf die Ohren,
    man macht sich mit sowas ja völlig zum Affen.
    Stattdessen wird lieber recht stilvoll gefroren.


    Und wo wir dabei sind, zum wallenden Bart
    da können mich keine 10 Pferde bewegen!
    Bereitschaft zur Hilfe, das klingt vielleicht hart,
    die hat ihre Grenzen auch unter Kollegen!


    Es reicht schon, dass man sich das Fell ganz verdreckt
    bei diesem Gerutsche im schwarzen Kamin ...
    Ich hab alle Stiefel bemalt und versteckt.
    Die Nikolausnester aus Tannenzweiggrün


    die waren das Schwierigste auf meinem Marsch.
    (Sie wissen schon, diese mit vier dicken Kerzen.)
    Beim Ei-Legen pieksen die Nadeln am Allerwertesten.
    Wie tapfer ertragen Sie jährlich die Schmerzen!


    Hab alles geschafft in der Nikolausnacht.
    Dass Sie das nicht waren, merkt sicher kein Schwein,
    so pflichtbewusst habe ich alles gemacht.
    Da können Sie völlig beruhigt sein.


    Gezeichnet O. Hase. Mit freundlichem Gruß.
    PS: Gute Besserung für Ihren Fuß.

  • von churchill



    Presseerklärung


    Sozialdemokratische Partei Deutschlands
    Der Vorsitzende


    Der Vorsitzende des SPD, Kurt Beck, kritisiert in einem offenen Brief scharf den gegenwärtigen Kurs der Bundeskanzlerin. Er verweist auf die wankelmütige Haltung der Unionsvorsitzenden in nahezu allen aktuellen politischen Fragen. Es könne nicht angehen, dass klare Absprachen aus der Koalitionsrunde permanent gebrochen werden Der Schluss liege nahe, dass die Vorsitzende ihre Partei in keiner Weise im Griff habe und sich „auf der Nase herumtanzen“ lasse. Besonders in Fragen des Mindestlohns und der Verlängerung des ALG 1 zeige sich die Inkompetenz der Kanzlerin.

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    Hallo Andschie,


    ich vermute mal, du hast zuerst die Anlage gelesen. Ich musste das so schreiben, weil nach dem Rücktritt von Franz der SPD-Bande klar gemacht werden muss, wer der Häuptling ist.
    Hat dir der Wein nach der letzten Koalitionsrunde geschmeckt? Er ist aus meinem Heimatort. Wir könnten mal ne ausgedehntere Weinprobe machen, wenn du in der Gegend bist. Kannst auch deinen Mann mitbringen, ist ja nichts Offizielles ... Sag mal, hast du eine Idee, wie ich den Steinmeier klein halten kann? In der aktuellen Umfrage liegt er vor mir. Mist. Vielleicht hätte ich doch den Peer zum Vizekanzler machen sollen. Naja, abwarten und Wein trinken. Übrigens, kennste schon das neueste Berliner Gerücht? Die Telekom sponsert in Zukunft Maybrit Illner und die Sonntagstalkshow von Anne Will wird umbenannt in „Christopher-Street-Show“ mit Guido als Dauergast. Ich hab gegrölt, als Oskar mir das heut morgen am Telefon erzählt hat.
    Wir sehen uns in Berlin. Bis dann


    Kurt
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    Hi Kurti,


    ich hab dir schon hundertmal gesagt, du sollst nicht „Andschie“ schreiben, das nervt tierisch!
    Der Wein? Ehrliche Meinung? Ein Franzose wäre mir lieber. Aber zu der Weinprobe sag ich trotzdem nicht nein. Ich komme allerdings lieber allein und lasse meinen Mann im dunklen Osten zurück * grins *. Euer Hotzenplotz Thierse ist einfach genial, bringt der den Hammer mit dem Kohl und schafft uns so richtig Munition! Genau in dem Augenblick, wo die meisten den Kohl sogar als lebendiges Einheitsdenkmal vor dem Kanzleramt aufstellen würden.
    Und was den Steinmeier angeht: Wenn er zu sehr nervt, sag Bescheid, dann darf er ein paar Extraflüge nach Usbekistan, Ruanda oder Haiti übernehmen ...
    Das mit der Christopher-Street-Show ist geil. Kennst du schon den:
    „Warum gab es in den letzten Tagen so wenig Selbstmorde? Es haben sich zwar viele auf die Schienen gelegt, aber es kam halt kein Zug“
    * lach *
    Machs gut, mein Dicker, wir simsen


    Angela
    p.s. Die Anlage hast du sicher erwartet ... Gruß an Oskar!


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    Presseerklärung


    Christlich Demokratische Union Deutschlands
    Die Vorsitzende


    Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, reagiert gelassen auf die Angriffe der Sozialdemokraten. Die zunehmende Schärfe und Polemik seitens des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten zeigten deutlich dessen schwaches Nervenkostüm, so die Kanzlerin am Sonntagabend in Berlin. Die SPD erwecke den Eindruck eines aufgescheuchten Hühnerhaufens, in dem sich offensichtlich einige Hähne produzieren müssten. Auf geäußerte Vorwürfe, sie sei inkompetent, verwies die Kanzlerin auf einen „auffallend zunehmenden Provinzialismus aus Reihen der SPD-Führung, deren Erinnerungsvermögen bezüglich der Koalitionsabsprachen offensichtlich stark getrübt sei.“

  • von Sinela



    Hallo lieber Gott!


    Stimmt diese Anrede überhaupt? Bist Du wirklich ein „lieber“ Gott oder trägst Du wie wir Menschen gut und böse in Dir? Wie ich darauf komme? Schließlich sind wir Dein Ebenbild und jeder von uns trägt beide Seiten in sich. Okay, Du hast uns die Entscheidung überlassen, in welche Richtung wir gehen. Aber hast Du die dann nicht auch? Und geht es Dir nicht auch manchmal wie uns, dass man eigentlich im Herzen gut ist, aber trotzdem was böses tut? Ohne es eigentlich zu wollen? Und es einem nachher unendlich leid tut? Gibt es deshalb Kriege auf dieser Erde? Oder Mord und Totschlag? Oder die ganze andere Palette an Verbrechen? Auch an Kindern. Wobei ich hier nicht nur an die Gewaltverbrechen denke, sondern an die „kleinen“ Verbrechen, die Eltern ihren Kindern antun. Eltern können Kinder böse an der Seele verletzen, oft ohne dass es ihnen bewusst ist. Das schlimmste Verbrechen aber ist, wenn man seine Kinder ohne Liebe aufwachsen lässt. Denn die Liebe ist alles auf dieser Welt! Wäre Deine Liebe in jedem Menschen wirksam, dann würden wir im Paradies leben. Aber liebst Du uns wirklich alle gleich stark? Warum gibt es Menschen, denen es einfach nur gut geht, gesundheitlich wie auch materiell, und andere Menschen, die nach Deinen Grundsätzen leben, ihren Mitmenschen achten, niemanden verletzt haben, die aber trotzdem in bitterster Armut leben müssen. Oder mit Krankheiten geschlagen sind. Oder noch schlimmer: Sowohl mit dem einen als auch dem anderen „gesegnet“ sind. Oder ist es wirklich ein Segen, denn es heißt ja, dass Du die Menschen, die Du besonders liebst, auch besonders prüfst. Ist da was wahres dran oder ist das nur blödes Geschwätz von Priestern, die verzweifelte Menschen trösten wollen?


    Was ich Dich auch noch fragen will, nein, fragen muss: Gibt es eine Widergeburt? Oder haben das auch nur Menschen erfunden, damit die Angst vor dem Tod nicht gar so groß ist? Ich möchte daran glauben, aber es irritiert mich, dass jeden Tag mehr Kinder geboren werden als Menschen sterben. Woher nimmst Du die Seelen für diese? Hast Du da oben im Himmel eine Art Fabrik, die am laufenden Meter Seelen herstellt? Und was passiert, wenn die Engel mit der Produktion nicht mehr nachkommen? Gibt es dann Umweltkatastophen wie den Tsunami im Indischen Ozean oder eine Seuche wie die Spanische Grippe, denen Hunderttausende von Menschen zum Opfer fallen? Oder nimmst Du Dir die Seelen von aussterbenden Tierarten oder von Massenschlachtungen, die wegen BSE oder der Hühnergrippe überall auf der Welt statt gefunden haben? Und wie passt all das mit Deinem Image als „lieber“ Gott zusammen?


    Liest Du die Briefe, die Du jeden Tag bekommst? Hörst Du Dir die Gebete an, die an Dich gerichtet werden? Oder hast Du auch mal keinen Bock und nimmst Dir frei und lässt die Menschheit allein? An manchen Tagen kommt es mir so vor. Was heißt an manchen Tagen, eigentlich an allen Tagen. Ich weiß nicht, ob Du „mein“ Gott sein kannst. Werde mich wieder bei Dir melden,


    eine Zweifelnde

  • von Voltaire



    „Engelbrecht P. Klammgießer – Notar“ stand auf dem Umschlag. Was konnte ein Notar von mir wollen? Ich riss den Umschlag auf, nicht nur meine Hände, auch die dazugehörigen Finger, zitterten.


    „.....werden Sie zur Öffnung und Verlesung des Testamentes des Herrn Alfred Krachtberg gebeten. Der Erblasser hat Sie in seinem letzten Willen erwähnt und bedacht.“ Onkel Alfred, ein Nennonkel, war also erblasst. Verschieden, erkaltet, hatte den Löffel abgegeben, hoffentlich nicht einen aus dem Silberbesteckkasten, hoffte ich im Stillen.
    Und ich sollte erben.


    Würde ich jetzt endlich meine Arbeit an den Nagel hängen können? Onkel Alfred war, wenn mich meine Erinnerung nicht täuschte, ich hatte ihn glaube ich jetzt etwa zwanzig Jahre nicht gesehen und davon mindest neunzehneinhalb Jahre nicht einmal an ihn gedacht, also dieser Onkel Alfred war nicht ohne Vermögen.


    Der Tag der Eröffnung und Verlesung war da! Der erste Tag meines neuen Lebens!


    Eine helle Hose, eine schwarze Jacke, ein rotes Hemd, mein Outfit konnte sich sehen lassen. Meine neueste Micky-Mouse-Krawatte vervollständigte meine Garderobe. Old Spice in die Haare massiert und ich war bereit zum Ritterschlag.


    Und dann saßen sie dort bei Herrn Notar Klammgießer, auf eilends herangeschafften Stühlen, wie bei einer Lesung brav hintereinander. Es waren mindestens 30 Erbschleicher und notorische Betrüger, bereit sich gegenseitig zu zerfleischen.


    Klammgießer begrüßte die Meute und mich kurz, setzte seine Brille auf und begann mit dem Verlesen des Testamentes.


    Es ging Schlag auf Schlag.
    Mietwohnungen, Häuser, Beteiligungen, diverse Konten, kleinere Legate zogen aufgerufen an mir vorbei, machten aber eben immer woanders Halt. Dabei hätten all diese Dinge sehr gut zu mir gepasst.


    „Das Testament enthält noch einen letzten Passus, den ich Ihnen noch verlesen möchte.“


    Klammgießer schaute mich freundlich und wohlwollend lächelnd an. Hatte er vielleicht doch noch eine Ölquelle oder eine Reederei in Petto? Meine Hose war kaum in der Lage die Feuchtigkeit von meinen Handflächen zu absorbieren. Mein Schluckmechanismus lief Amok.


    Klammgießer räusperte sich:
    „Meinen wertvollsten Besitz, meinen ideellsten Wert vermache ich dem Sohn meines geliebten Freundes Ernst G. Ernst, alter Freund, ich bin auf dem Wege zu dir.“


    Ernst G. war mein Vater. Ich war tatsächlich gemeint. Ich! Not, Elend und Arbeitsfron hatten jetzt ein Ende, ich würde noch heute Abend in die schillernde Welt der Schönen und Reichen einsteigen. Das Wertvollste aus der Erbmasse sollte wohl an mich gehen.


    Klammgießer schaut mich prüfend an, offenbar sorgte er sich um meinen Blutdruck, meine Verdauung, die Bekämpfung meines Nagelbettpilzes, ich weiß es nicht, warum kam er nicht endlich zur Sache. Mich dürstete nach Champagner. In diesem Gesöff würde ich noch heute baden.....



    „....und so vermache ich meine „Wolfgang-Petry-Dieter-Bohlen-Boris-Becker-Sammelalben“ an diesen jungen Mann. Möge er es in Ehren halten und die Sammlung mit der großer Leidenschaft weiterführen, die ich stets beim Sammeln verspürte. Was sind alle materiellen Werte gegen ihre ideellen Brüder?“


    Ich hörte Klammgießer noch rufen: „Einen Arzt, wir brauchen einen Arzt.“ Dann wurde es in gewisser Weise stockdunkel in mir und um mich herum wurde es dunkelschwarz.


    Seit diesem Tag weiß ich nun, was Ohrensausen wirklich ist.

  • von Luc



    Im Alter von 35 Jahren den ersten Orgasmus - selbst für ein Genie wie Clara fand ich das ziemlich spät. Ich schmunzelte über ihren Brief aus Montevideo. Die Zeitungen würden sich freuen, wenn sie das Schreiben in die Finger bekämen. Ich sah schon die Titelzeile: „Berühmte Geigenvirtuosin, endlich auf dem Höhepunkt.“ Ich warf den Brief ins Kaminfeuer. Clara hatte nie aufgehört, ihre Geheimnisse mit mir zu teilen, so als wäre ich ihre beste Freundin und nicht ihr Bruder. Ich freute mich. Schließlich begann Sie wieder, am Leben Gefallen zu finden, was sich für mich auch darin äußerte, dass Clara keine Zeile mehr auf ihre Künstlerkrankheiten verwendete. Sie litt unter Magen-Darm-Beschwerden vor den Auftritten, ständigen Rückenschmerzen und wechselte halbjährlich ihren Psychotherapeuten aus. Clara zeigte sogar eine gewisse Empörung darüber, dass ihr der Orgasmus nicht früher widerfahren war. Argentinische Männer mussten etwas besonderes sein.


    Vater bat mich, nein er befahl mir, nach Clara zu schauen, nachdem er von den Konzertabsagen gehört hatte, obwohl ich auf ihre anstehende doppelte Volljährigkeit hinwies und dadurch Termine in China versäumte. Ich rief Clara an, sie lachte verdächtig laut, gluckste und nannte einen Treffpunkt. Eine Tango-Bar inmitten der Stadt. Verliebt, dachte ich neidisch und nahm den nächstbesten Flug.


    Ich betrat das Trocadero zum verabredeten Zeitpunkt und bestellte einen Cognac. Paare standen auf und fassten sich an den Händen, als die Livemusik begann. Den Tänzern verschwand das Lächeln aus den Gesichtszügen und machte einer Sinnlichkeit Platz, die mir den Atem stocken ließ. Der Mann vor mir tanzte wie ein Liebesgott. Vielleicht Claras Orgasmusbote ...? Bandoneon und Violon heizten uns ein. Clara! Ich entdeckte meine Schwester neben dem Klavierspieler. Ich entdeckte aber auch eine Veränderung in ihrer Spielweise. Sie galt als Perfektionistin, detailverliebt, technisch brillant. Hier spielte Sie zwanglos, ja leidenschaftlich, von den Fesseln der klassischen Musik befreit.


    Clara kam an meinen Tisch und umarmte mich.
    „Hat einer der Musiker das Wunder an Lebenslust ausgelöst oder dieser Tänzer?“, fragte ich.
    „Eduardo? Bestimmt nicht. Dafür bin ich allein verantwortlich. Ich habe nämlich eine lebensverändernde Entscheidung getroffen. Die Verspannungen im Rücken, die Depressionen sind jedenfalls verschwunden. Sogar mein Lampenfieber ist gebändigt“, sagte sie.
    „Eine Entscheidung?“,
    „Ich höre auf zu funktionieren“, antwortete Clara.
    Ich hob die Augenbrauen.
    „Die klassische Musik, meine Karriere beruhten auf Vaters Ideen. Es ist Zeit, erwachsen zu werden“, sagte sie. Der Kellner brachte Clara ein Bier.
    „Alkohol? Ich staune, Schwesterherz“,
    „Nächsten Monat fliege ich nach Dublin, irische Volksmusik. Ich muss üben“, erklärte sie und nahm einen kräftigen Schluck. Eduardo, der Tänzer, sah mich wild an.
    „Und dann?“ stammelte ich.
    „Ungarn, Zigeunermusik, zur Stilfindung. Und du?“
    „Ich fliege nach Schanghai. Die Familie wird eine Niederlassung eröffnen.“
    „Was wirst du dort tun?“,
    „Funktionieren“, sagte ich. Eduardo kam an den Tisch und grüßte Clara. Mein Herz raste.
    „Weiß Vater inzwischen, dass du schwul bist?“, fragte Sie und Claras neu gewonnene Freiheit, schwappte zu mir über, als ich in Eduardos Augen versank.
    „Einen Stift, einen Zettel", bat ich Clara und lachte bei dem Gedanken an Vaters Gesicht beim Lesen meines Geständnisses.