Mal ein allgemeines Thema im Bereich 'Historischer Roman': Wie weit stören Euch offensichtliche Anachronismen in Historischen Romanen?
Und zwar sowohl was Kleinigkeiten angeht (wenn etwa Techniken angewandt werden, die in diesem Jahrhundert einfach noch nicht bekannt waren), als auch umfassendere 'Zeitsprünge', wenn z. B. in noch dunklen Zeiten ständig von 'Frauenrechten' die Rede ist?
Mich persönlich stört das sehr, aber den Eulen allgemein scheint es nichts auszumachen - im Gegensatz zu den Rezensenten bei Amazon, die den Autoren oft ihre Fehler um die Ohren schlagen. Romane, die dort stark kritisiert werden, bekommen hier nur positive Wertungen.
Und, ganz provozierend gefragt: Wenn es nicht die fundierte 'Zeitreise' ist, die uns am Historischen Roman reizt - was ist es dann? 'Geschichtskitterung'? Die Vorstellung, dass früher alles besser war? Irgendein kluger Kopf hat gerade gesagt, wir leben in einer Zeit der Mythologisierung der Vergangenheit. Dazu scheint mir der Trend, in ein Pseudo-Mittelalter abzutauchen, recht gut zu passen.
Anachronismen
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Hallo Chris,
die Buchrubriken sind nur für Rezensionen gedacht. Aus diesem Grund habe ich deinen Thread in "Allerlei Buch" verschoben -
Chris, mich stören solche Anachronismen bei historischen Romanen auch und es war mir nicht bewusst, dass Romane mit solchen Fehlern bei den Büchereulen offensichtlich gut rezensiert werden.
Kannst du vielleicht ein oder zwei konkrete Beispieel geben, welche Romane betroffen waren?
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Nun, wenn man sich mit dem Phänomen "Historischer Roman" befasst, wird man sehr schnell eine Verklärung und Romantisierung feststellen, vor allem, was das Thema des Mittelalters betrifft. Ich habe vor einigen Jahren einen Roman gelesen, von einer amerikanischen Autorin, über ein Frauenschicksal im europäischen Mittelalter und ich fand es interessant, wie schön es damals war - Über die Verwendung von Hygieneutensilien ganz zu schweigen, bis hin zur Rolle der Hebamme in einem Dorf wirkte das alles so... utopisch, so schön. Wo war da die Pest? Die vielen Entbehrungen der Menschen (Die meisten Menschen im frühen Mittelalter waren chronisch unterernährt. Warum? Das Nahrungsangebot war gering, bestand bei den Bewirtschaftern von einem Stück Boden nur aus einem Weizenbrei, aus gekochtem Gemüse und nur ganz selten Fleisch. Es gab keine genauen "Pläne" über Viehzucht, also es wurde weder systemtaisch angebaut noch gezüchtet.) oder aber, dass es keine Dorfstruktur wie zu Städtezeiten gab. Seitdem habe ich diesem Bereich der Romane abgeschworen...
Wobei ich doch noch etwas erwähnen möchte: Ich denke, es ist verdammt schwierig eine zeitliche Epoche nach heutigen Maßstäben zu bewerten. Wenn wir nur zum einen von der dünnen Quellenlage ausgehen, was sich fast auf, z.B. beim Mittelalter auf Chroniken stützt, dann ist es sehr leicht verständlich, dass wir aus heutiger Sicht kaum Möglichkeiten haben nachzuvollziehen, wie die damalige Lebensweise "wirklich" war; vor allem, was "Einzelschicksale" angeht, ist man mit einer kaum vorhandenen Quellenlage konfrontiert und wenn man dann mal Quellen hat, sollte man kritisch hinterfragen, ob eine Neubearbeitung aus dem Jahr 1700 wirklich aussagekräftig ist für eine Quelle aus dem 13.Jahrhundert.
Ich glaube, hier liegt eine Schwierigkeit; dieses psychologische reinfühlen ist schwer möglich, weil wir nur mit heutigen Gefühlsregungen darangehen und nur nach heutigen Maßstäben bewerten können. Und da sind dann z.B. Sachen dabei, die eindeutig aus heutiger Sicht indiskutabel sind und deswegen solche Gedanken hervorrufen wie "Wieso haben die sich nicht gewehrt, die Frauen?" und deswegen werden aus leichten Aufruhen von Frauen im 19.Jahrhundert schnell die ersten Emanzen, weil es uns mit unserem heutigen Verständnis richtig erscheint.Ich hoffe, jeder versteht, was ich meine *hust*...
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nein, weiß ich nicht- ich kann deiner Theorie schlicht nicht folgen, da eine gute Recherche jedes Buch ausmacht- egal ob historischer oder sonstwas Roman. Ein Krimi in dem ein Urteil über zweieinhalb Jahre auf Bewährung ausgesprochen wird ist genauso danaben, wie ein historischer Roman, indem die Römer mit Steigbügeln reiten.
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Zitat
ich kann deiner Theorie schlicht nicht folgen, da eine gute Recherche jedes Buch ausmacht
Natürlich ist es wichtig für einen historischen Roman zu recherchieren und doch unterliegt der historische Roman, genauso wenig wie jeder andere Roman, nicht einer Wissenschaft, sondern der Erzählkunst, deswegen sind und hier zitiere ich Wikipedia: "...von historischen Fakten mitunter stark abzuweichen." Bestes Beispiel wäre hier der Roman "Die Markgräfin" von Sabine Weigand; die Autorin arbeitet gekonnt Wissen über die mittelalterliche Lebenswelt um ihre Figuren auf, die wirklich existiert hat und doch erzähltze sie im Nachwort, musste sie einige Ereignisse vorschieben, um die Konzentration stärker auf den Abstieg ihrer Figur zu legen. (Also die Ereignisse um die Markgräfin fanden nicht, wie sie im Roman erzählte alle in einem Jahr, sondern in einem Rhythmus von 10 Jahren statt.)
Zu deiner Verlinkung; ich kenne als Geschichtsstudentin diese Übersichten. Wovon ich aber geredet habe, sind Quellen aus dieser Zeit und keine Spekulationen über den Bevölkerungsverlauf im 14.Jahrhundert. Worauf stützt sich denn diese Annahme, dass es einen Bevölkerungsanstieg gab bis zum 13.Jahrhundert und durch eine große Pestepidemie die Bevölkerung dramatisch dezimiert wurde? Richtig, durch Chroniken.
ZitatEin Krimi in dem ein Urteil über zweieinhalb Jahre auf Bewährung ausgesprochen wird ist genauso danaben, wie ein historischer Roman, indem die Römer mit Steigbügeln reiten.
Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass der historische Roman nicht als oberste Maxime hat die vollständige, historische Wahrheit zu erklären. Er möchte eine andere Epoche nahebringen; wir lesen historische Romane u.a., weil uns das Leben der damaligen Bevölkerung interessiert oder aber weil, weil uns ein Einzelschicksal interessiert. Oder liest du einen historischen Roman mit der Intention, wenn nicht genau jede Jahreszahl der Wahrheit entspricht, legst du es weg? Wir sollten nicht vergessen, dass ein Roman immer Fiktion beinhaltet, also Erzählfluss usw.
Was hälst du denn von historischen Romanen, die über Figuren handeln, die gar nicht gelebt haben zu dieser Zeit, also ausgedachte Charaktere sind, die man zur Erzählung über eine Epoche einfach "hergestellt" hat?
Die Quintessenz meines Redens war:
- Historische Ereignisse werden nach heutigen Maßstäben bewertet.
- Du kannst nur mit dem historischen Material arbeiten, was du hast. Alles andere musst du fiktional aufarbeiten, weil wo Lücken sind, gibt es bald keinen Lesefluss mehr.
- Das Mittelalter wird teilweise dadurch romantisiert und verklärt, weil einfach die Quellenlage und vor allem Berichte von Einzelschicksalen selten bis gar nicht vorhanden sind; welchen Menschen reizt es nicht, sich etwas über eine Epoche auszudenken, bzw. seine Fantasie spinnen zu lassen, wenn nun einmal keine Idee da ist, was dort geschehen ist. (Was z.B. ist mit den dreißig fehlenden Jahren von Jesus? Was hat er da gemacht?) -
Das ist ja alles gut und schön, aber diese Frage:
ZitatOriginal von Herr Palomar
Kannst du vielleicht ein oder zwei konkrete Beispiele geben, welche Romane betroffen waren?wurde noch immer nicht beantwortet (oder habe ich die Antwort überlesen?). Würde mich aber auch interessieren.
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Zitat
Original von SiCollier
Das ist ja alles gut und schön, aber diese Frage:wurde noch immer nicht beantwortet (oder habe ich die Antwort überlesen?). Würde mich aber auch interessieren.
Oben wurde ja mal "Die Markgräfin" angesprochen... mir hat das Buch sehr gut gefallen und mich hat es nicht gestört, dass die Autorin die geschichtlichen Fakten etwas verschoben hat - ich war mir ja bewusst, dass ich einen Roman lese und kein Sachbuch. Gut finde ich aber trotzdem, wenn eine Verschiebung der Fakten durch den Autor klargestellt wird.
Wenn mich ein Roman sehr begeistert hat, bringt er mich auch mal dazu, mich noch weiter mit dem Thema zu befassen. So ging es mir zuletzt mit einem anderen Buch von S. Weigand "Die Königsdame".Ich kann aber durchaus nachvollziehen, dass solche Verschiebungen störend sind, wenn man sich mit den geschichtlichen Daten, die in einem Buch eine Rolle spielen, sehr gut auskennt und dann ständig darüber stolpert, das etwas nicht stimmt. Aber das ist wohl bei allen Büchern so - beowulf hat da ja schon so schön geschrieben, dass eine gute Recherche jedes Buch ausmacht. Da kann ich nur zustimmen...
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Es kommt drauf an, wie gut ich Bescheid weiss. Zum Glück habe ich ja, was Geschichte angeht, so gut wie keine Ahnung. Zum Beispiel kann ich nicht von jedem Gemüse sagen, wann es in Europa eingeführt wurde und schon gar nicht, wie die Leute wirklich gedacht haben.
Ich hab auch schon historische Romane gelesen, die rein historisch gesehen totaler Bullshit waren, die ich aber schneller weggefuttert habe als eine Tüte Chips. "Der König von Assur" von Jutta Ahrens ist so ein Fall. Bis auf den Namen der Hauptfigur habe ich da rein gar nichts wiedergefunden. Noch nicht mal die Verwandschaftsverhältnisse hab ich bestätigen können. Umso mehr habe ich mich gewundert, dass dann in einer Amazon-Rezension stand, dass das Buch "einen guten Überblick über die Sitten und Gebräuche im alten Assur" gibt. Aber egal, ich hab's trotzdem verschlungen, weil die Geschichte fesselnd war.
Andererseits gibt es aber auch wieder Bücher, wo mich anachronistische Begriffe nerven. Zum Beispiel habe ich "Aspasia" von Taylor Caldwell an die Wand geworfen, weil Aspasia (in der deutschen Übersetzung) immer als Kurtisane bezeichnet wird und nicht als Hetäre, was für mich nicht stimmig war in einem Roman über olle Griechen.
Andererseits (nochmal) verwendet Robert von Ranke Graves in seinem Buch "Ich Claudius" bewusst anachronistische Begriffe, um das Buch einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen. Das fand ich zwar gewöhnungsbedürftig, trotzdem mochte ich aber das Buch. Vielleicht, weil ich wusste, dass er die richtigen Begriffe hätte verwenden können, wenn er gewollt hätte.
Also, so richtig eindeutig beantworten kann ich die Frage nicht.
"Pseudomittelalterliche Welt" spricht mich schon an. Auch in Fantasy-Romanen. Wenn die Leute in Burgen wohnen, Tuniken tragen, heissen Würzwein trinken und sich mit "My Lord" anreden. Keine Ahnung, das "Edle Ritter"-Syndrom wahrscheinlich. "Starke Frau im dunklen Mittelalter" geht bei mir dafür gar nicht.
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Ich möchte keine konkreten Beispiele nennen, weil ich selbst historische Romane schreibe und keine direkte Kollegenschelte betreiben mag.
Gelegentliches 'Verschieben' von Ereignissen im Historischen Roman finde ich übrigens nicht schlimm, wenn der Autor es im Nachwort erklärt.
Und natürlich soll der Historische Roman auch Fiktion bleiben. Aber der Hintergrund muss m. E. einfach stimmen - Recherche gehört zum Job des Autors - wobei die Einführung der Gemüsesorten meistens noch ganz leicht herauszufinden ist. Aber wusstet Ihr zum Beispiel, dass im Mittelalter die Technik des Strickens noch nicht erfunden war? Also keine Strickstrümpfe, auf denen die Helden durchs Schloss paddeln ... Sehr gern erwähnen Autoren auch Butzenscheiben, die scheinen das Mittelalter-Accessoire an sich zu sein. Es gab sie aber erst seit dem 14. Jahrhundert ... Wie gesagt, der Leser muss das nicht wissen. Aber der Autor sollte sich ein bisschen intensiver mit seiner Zeit beschäftigen, als - zum Teil wörtlich! - Wikipedia zu zitieren.Warum kann ein Urteil übrigens nicht 'zweieinhalb Jahre auf Bewährung' lauten? Falls ich doch mal einen Krimi schreibe ...
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Zitat
Original von Chris
Warum kann ein Urteil übrigens nicht 'zweieinhalb Jahre auf Bewährung' lauten? Falls ich doch mal einen Krimi schreibe ...Ja eben. Man muss es überhaupt merken. Ich hätte mich bei "zweieinhalb Jahren auf Bewährung" überhaupt nicht gewundert.
Ich rege mich dafür auf, wenn psychische Krankheiten in Romanen völlig falsch oder klischeehaft dargestellt werden.
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Mir ist noch ein Beispiel eingefallen (siehe Chris Beispiel "Stricken"): Was ich immer sehr interessant fand, war die Tatsache, wie gesittet die Menschen schon im frühen Mittelalter (also um 500/600) gegessen haben, nämlich mit Messer und Gabel... Im 9.Jahrhundert gab es Gabeln im Byzantinischen Reich, sie kamen auch nach Europa, aber kamen erst "in Mode" im 15.Jahrhundert. Und vom Messer will ich gar nicht reden, das, was wir heute als Messer bezeichnen, würde ich auch erst grob geschätzt auf das 14./15.Jahrhundert zurückführen, vorher war es ein einfacher Spieß; beim einfachen Volk nur die Hände bzw. ab dem 11.Jahrhundert (Wenn ich mich nicht ganz irre...) der Löffel.
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Zitat
Original von Delphin
Es kommt drauf an, wie gut ich Bescheid weiss. Zum Glück habe ich ja, was Geschichte angeht, so gut wie keine Ahnung. Zum Beispiel kann ich nicht von jedem Gemüse sagen, wann es in Europa eingeführt wurde und schon gar nicht, wie die Leute wirklich gedacht haben.Mir gehts genauso.
Natürlich ist es mir lieber, wenn die Vergangenheit richtig erzählt wird. Aber was ich lese, sind Romane und keine Fachbücher. -
ich muss auch zugeben, dass mein Geschichtswissen sehr ... ähhhh ... eingeschränkt ist. Kurz: ich hab keine Ahnung.
Daher fällt es mir nicht auf, dass es zB Strickstrümpfe nicht gab - ich hab auch keinen Plan, wann welcher Kaiser dran war - Geschichte vor 1900 ist bei einfach nur ein großer wabbernder Nebel.
Daher stört es mich auch nicht sonderlich, wenn solche (für mich) Kleinigkeiten nicht stimmen. Nichtsdestotrotz habe ich aber bei gut recherchierten Büchern (ich kann auch nur Sabine Weigand nennen - tolles Buch!) als zB bei Wolf Serno wo ich bei manchen Dingen einfach nur den Kopf geschüttelt hab. Da war einfach zu vieles unplausibel und zu viele Zufälle. das hat aber weniger mit Geschichte zu tun...
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Ja, ich fürchte auch: den meisten Bullshit würde ich wegen erwiesener Schimmerlosigkeit nicht mal bemerken.
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Zitat
Original von Vandam
Ja, ich fürchte auch: den meisten Bullshit würde ich wegen erwiesener Schimmerlosigkeit nicht mal bemerken.ZitatOriginal von Chris
Mich persönlich stört das sehr, aber den Eulen allgemein scheint es nichts auszumachen - im Gegensatz zu den Rezensenten bei Amazon, die den Autoren oft ihre Fehler um die Ohren schlagen. Romane, die dort stark kritisiert werden, bekommen hier nur positive Wertungen.Mich wundert nur, woher die Amazon-Rezensenten ihr Wissen über Geschichte hernehmen und so die Fehler der Autoren sofort erkennen und die Büchereulen nicht. Ich denke doch, dass die Schimmerlosigkeit hier wie dort zu finden ist.
Zudem ist es vermessen zu glauben, man könnte Autoren so einfach einen Recherchefehler nachweisen.
Ich habe einmal einen Autoren vor meiner Rezension wegen einem unklaren Detail angeschrieben. Bei diesem Detail haben alle Internetquellen dieselbe fehlerhafte Auskunft gegeben, aber der Autor hatte erwiesenermaßen Recht.
Die historischen Romane die ich überwiegend lese, vermitteln eigentlich eine gute Glaubwürdigkeit bei den Fakten. Fehlerhaft recherchierte Romane halte ich für eher selten.
Rezensenten, die einfach gleich ungeprüft von FEHLER schreiben, machen es sich auch zu einfach. -
Solange es nicht statistisch erwiesen ist, dass Amazon-Rezensenten mehr Fehler bemerken als Eulen, ist das für mich auch mehr eine "gefühlte Tatsache".
Ich würde mir keine wirklich kompetente Rezi eines historischen Romans zutrauen. Respektive, ich könnte das nur nach den üblichen Kriterien eines Romans machen aber ich sähe mich außerstande, historische Fehler aufzudecken. Siehe oben: es ist peinlich, aber ich hab schlicht keine Ahnung.
Das geht einigen anderen Lesern/Rezensenten vermutlich genauso.
Vielleicht traut man sich im trauten Eulenkreis "unter Freunden" eher, mal unbefangen was zu einem historischen Roman zu schreiben, auch wenn man von den Hintergründen nix weiß. Und bei Amazon fühlen sich eher die Fachleute berufen, die dann hingebungsvoll in ihrem Fachgebiet am Erbsenzählen sind ...
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Zitat
Original von Vandam
Solange es nicht statistisch erwiesen ist, dass Amazon-Rezensenten mehr Fehler bemerken als Eulen, ist das für mich auch mehr eine "gefühlte Tatsache".
...
Und bei Amazon fühlen sich eher die Fachleute berufen, die dann hingebungsvoll in ihrem Fachgebiet am Erbsenzählen sind ...
Meine gefühlte Tatsache sieht anders aus.Einige dieser Fachleute äußern auch eher ihre Meinung, die als Tatsachen verkauft werden.
Über historische Fakten zu urteile ist oft problematisch.
Ob z.B. Richard III als Schurke oder als Verleumdeter hingestellt wird, bleibt auch Geschmackssache. Ich finde, ein Autor hat das recht, ihn als Schurken hinzustellen, auch wenn es keine Gerichtsverhandlung gab, die seine Schuld erwiesen hat. Andere sehen das anders.Über das Thema Umgang mit historischen Details wurde bei den Büchereule schon häufiger diskutiert.
Es sind auch verschiedene Aspekte bei dem Umgang mit der Vergangenheit.
Zum Beispiel die Sprache. Hier hat mir gut gefallen, was Richard Dübell bei der Büchereulen-Leserunde geschrieben hat:ZitatOriginal von Richard Dübell
ich verwende in meinen Büchern bewußt eine möglichst moderne Dialogform.
....
Was dabei aber nicht passieren darf, ist die Verwendung von Vokabeln, Metaphern usw., die man zu der Zeit, in der die Geschichte spielt, gar nicht kennen konnte, weil sie auf modernen Erkenntnissen beruhen. "Er steht ganz schön unter Strom" wäre das nächstliegendste Beispiel, das mir einfällt.Sehr gut gefällt mir auch, was Brigite Riebe über Fehler bei historischen Quellen bei einer Büchereulen-Leserunde sagte:
ZitatOriginal von Brigitte Riebe
... Die Menschen früherer Zeiten haben sehr wenig über sichs elber gesagt - wer konnte überhaupt lesen und schreiben?
Was wir von ihne rezipieren, datiert aus den (unvollständigen? gefälschten? bearbeiteten? veränderten?) Quellen, die uns per Zufall überliefert worden sind.
Daher ist der Autor dieser Büchers ehr viel auf seine Einfühlung un Phantasie angewiesen, wenn er sich diesen Personen nähern möchte.
Im Idealfall gelingt es - manchmal - dennoch.
Von Roswitha von Gandersheim gibt es nur ihre Werke, in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert (und in der Staatsbibliothek München einsehbar - habe ich natürlich getan).
Hast sie schon vorher geschrieben?
Noch danach?
Ist sie nach 973 gestorben? Aus dem Stift (sie war NIEMALS Nonne, auch wenn viele das behaupten) ausgeschieden? Und wenn ja, weshalb?
Fragen über Fragen ...Und gerade zu einem Brigitte Riebe Roman gab es mal eine sehr unfaire Amazon-Rezension, die viele (auch Büchereulen) als unzumutbar eingestuft haben. Diese Rezension ist heute verschwunden.
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Zitat
Original von Chris
Warum kann ein Urteil übrigens nicht 'zweieinhalb Jahre auf Bewährung' lauten? Falls ich doch mal einen Krimi schreibe ...
Ich hoffe du erwartest bei der Frage nach dem "Warum" keine philosophische Antwort- die einfache ist- es steht so im Gesetz.
Die Strafaussetzung zur Bewährung soll in der Regel für Freiheitsstrafen bis zwölf Monate erfolgen, bei Freiheitstrafen zwischen einem bis maximal zwei Jahren dann, wenn eine "günstige Sozialprognose" abgegeben werden kann- also wenn der Richter meint es sei sehr wahrscheinlich, dass der Täter in der Bewährungszeit (die ist dann drei bis fünf Jahre) nicht erneut straffällig wird.
Edit:
wenn du Mittelalter meinst, redest du von Frühmittelalter?
Das 13. Jahrhundert ist nach meiner Ansicht aber volle Kanne Mittelalter. In Deutschland fängt für mich das Ende des Mittelalters mit dem mittleren Dürer an, also so etwa mit dem Skandal um das Selbstporträt Anno 1500, also zu Beginn des 16ten Jahrhunderts.
Recht hast du natürlich mit den "Teufelszinken", die mit Katharina di Medici ihren Siegeszug in Mitteleuropa begannen, aber ob man jetzt Messer immer mit einer älteren Bezeichnung benennen muß, das halte ich für fraglich. Auch in einem Roman aus der Römerzeit erwarte ich nicht immer eine Differenzierung zwischen Gladius und Spata- wenn es denn nicht für die Geschichte in der Geschichte notwendig ist, dann ist Schwert eben Schwert, auch wenn die meisten Leser dann an ein mittelalterliches Ritterschwert denken- und auch da gab es unterschiedliche Typen.
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Zitat
Original von Vandam
Vielleicht traut man sich im trauten Eulenkreis "unter Freunden" eher, mal unbefangen was zu einem historischen Roman zu schreiben, auch wenn man von den Hintergründen nix weiß. Und bei Amazon fühlen sich eher die Fachleute berufen, die dann hingebungsvoll in ihrem Fachgebiet am Erbsenzählen sind ...Oder es fällt leichter, ein Buch in einer Amazon-Rezension auseinanderzupflücken, als es einem Eulenautor praktisch direkt ins Gesicht zu sagen. Die Distanz ist doch größer. "Die Päpstin" zum Beispiel wurde ja sowohl hier als auch bei Amazon auf historische Ungenauigkeiten abgeklopft. Aber die Autorin hockt auch irgenwo in den USA.