Originaltitel: Bumbai (Indien, 1995)
Regisseur: Mani Ratnam
Darsteller: Nasser, Arvind Swamy, Manisha Koirala, Tinnu Anand
EAN: 4260017061135
Sprache: Tamil (mit deutschen Untertiteln), Laufzeit ca. 141 min
FSK: ab 12 Jahren
Erschienen: Oktober 2007
Wer genauere Angaben will:
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Inhalt
Shekhar ist Hindu und Shaila Muslimin. Konventionen verbieten ihnen eine Heirat. Die Flucht in die anonyme Großstadt Bombay ist ihr einzige Hoffnung. Hier bekommen sie Zwillinge und führen ein glückliches Familienleben. Doch es kommt zu Unruhen zwischen Hindus und Moslems. Tausende Menschenleben werden vernichtet, Familien zerstört. Inmitten des Chaos werden Shekhar und Shaila von ihren Kindern getrennt, die nun auf sich allein gestellt sind, in einer Stadt im Ausnahmezustand, wo religiöse Zugehörigkeit über Leben und Tod entscheiden kann.
Meine Meinung
Normalerweise sehe ich mir einen Film, dessen Sprache ich nicht verstehe, nicht an. Tamil verstehe ich nicht. Also sehe ich mir Filme in dieser Sprache nicht an.
Für diesen Film habe ich eine Ausnahme gemacht, und ihn mir „OmU“ (also im Original - tamil - mit deutschen Untertiteln angesehen). Es hat sich wirklich gelohnt. Er ist ein flammendes Plädoyer für religiöse Toleranz.
Ich habe noch nicht all zu viele „Bollywood“-Filme gesehen, doch nach allem, was ich weiß, ragt dieser aus der Menge der üblichen weit hinaus, weil er mit mindestens zwei Tabus bricht. Zum einen gibt es wirklich einen, nein sogar mehrere Küsse. Für einen indischen Film eine Sensation. Zum anderen thematisiert er das friedliche Zusammenleben von Hindus und Moslems mit einer sehr deutlichen Botschaft (daß zwischendurch an einigen Stellen eine sehr indische Sichtweise durchkommt, brauche ich nicht extra zu erwähnen, das sollte klar sein). Einiges, was die Seiten sich so an den Kopf werfen, kam mir sehr bekannt vor. Nicht nur aus der Leserunde zum „Der letzte Harem“, wo es um den Gegensatz Christentum - Islam ging, sondern könnte sich durchaus auch heute, hier in unserem Land, abspielen bzw. gehört werden. Die im ersten Teil des Filmes geäußerten islamischen „Familienüberzeugungen“ finden sich in deutschen Gerichtsakten wieder - Stichwort „Ehrenmorde“. Insofern wird nicht nur ein rein indisches, sondern ein Problem, was auch bei uns zu finden ist, thematisiert - eben das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Religion.
Daß dies ein teilweise harter, bitterer Weg ist, wird nicht verschwiegen. Und an einigen Stellen der Unruhen (Bombay 1992 / 1993, worauf die Ereignisse des Filmes anspielen) mußte ich schon schlucken. Man muß nicht immer alles zeigen, um den Schrecken und den Terror rüberzubringen. Manchmal sind Andeutungen schlimmer. Die für mich beeindruckendste Szene war, als der Vater von Shekhar (Hindu) mit seinem Enkel an Moslems geriet, die ihn nach der Religionszugehörigkeit fragten. Die falsche Antwort würde den Tod bedeuten. Nur durch das Eingreifen von Shailas Vater (Moslem), der gerade in der Nähe war und seinen bisherigen „Feind“ als Bruder bezeichnete, konnten beide im letzten Moment gerettet werden.
Natürlich kommen, wie bei Bollywood-Produktionen, Musik, Gesang und Tanz nicht zu kurz. Und natürlich, das sei nicht verschwiegen, geht es in gewisser Weise gut aus. Was bei einem Plädoyer für Toleranz auch nicht anders geht. Doch der Weg ist lang, hart, steinig - und nicht jeder erreicht das Ziel.
Um ein Zitat aus dem Film etwas abzuwandeln und zu erweitern: „Hinduismus ist ein Weg zu Gott. Islam ist ein Weg zu Gott. Christentum ist ein Weg zu Gott. Warum führen sie dann Krieg gegeneinander?“ Diese Frage wurde weder im Film noch im realen Leben bisher beantwortet.
Auf die Schuldfrage angesprochen, gab jeder Religionsführer der anderen Seite Schuld. Auf die Frage, wann das Morden aufhöre - antwortete keiner von beiden. Ich fand die gezeigten Handlungsweisen der "offiziellen" (sowohl der Religionen als auch der Politiker bzw. Beamten) so typisch und erschreckend realistisch - wie es in der wirklichen Welt halt auch ist. Und je mehr ich mich mit den „organisierten (institutionalisierten) Religionen“ befasse, um so mehr wächst meine Distanz dazu. Vielleicht sind die überkommenen Formen und Institutionen den Herausforderungen unserer Zeit doch nicht mehr gewachsen? Benötigen wir doch eine Art "neues Bewußtsein", um künftig friedlich zusammen leben zu können?
Joseph Campbell hat auf die Frage, was „die neue Mythologie unserer Zeit“ (bzw. deren Symbol) sei, einmal sinngemäß geantwortet: Der Anblick des Planeten Erde vom Weltraum aus gesehen, wie ein Bild eingerahmt vom Bullauge eines Raumschiffes (bzw. Space Shuttle). Es gibt nur eine Welt, nur eine Menschheit, nur ein gemeinsames Schicksal. Es wird Zeit, daß wir uns dessen bewußt werden und versuchen, danach zu handeln und zu leben. In Toleranz und mit gegenseitigem Respekt. Damit niemand mehr Leichenhallen nach seinen Kindern durchsuchen muß. Diese zentrale Botschaft hat der Film für mich glaubwürdig vermittelt.