Das Delta - Jens Johannes Kramer

  • Das Delta, Jens Johannes Kramer, fredeboldundfischer, Köln, September 2007, ISBN 978-3-939674-05-4, 16,95 €


    Zum Autor: lt. Klappentext
    Jens Johannes Kramer, geboren 1957 in Cuxhaven, studierte Ethnologie und Islamwissenschaften. Er verdiente sein Geld in Berlin als Messerhändler, in Österreich als Steinmetz, verkaufte Autos nach Marokko und lebte einige Jahre in Frankreich. Eines Tages fand er sich auf einem heiligen Berg in Westafrika wieder. Auf die Frage an den dortigen Chief, ob er über die Geschichte des Berges etwas schreiben dürfe, antwortete der nur: "Schreib doch, was Du willst." Das tut er seitdem.
    Sein erster Roman "Die Stadt unter den Steinen", erschien 2000 bei List. Kramer ist verheiratet und lebt in Hamburg.


    Meine Meinung:
    Wenn ich Jens Johannes Kramers historischen Roman „Das Delta“ mit einem Wort charakterisieren müsste, würde ich mich für das Wort ungewöhnlich entscheiden. Ungewöhnlich ist Jens Johannes Kramers Roman gleich in mehrfacher Hinsicht: in der Wahl des Handlungsortes, in der Wahl des Themas, in der Ausgestaltung der Charaktere und in seiner Erzähltechnik und Sprache.


    1894: Die 32jährige Mary Cooley reist im Auftrag der Royal Geographic Society in das Nigerdelta, um dort Fische zu katalogisieren. Noch bevor sie ihr Reiseziel erreicht, wird ihr prophezeit, dass sie dort einen Mann sehen wird, der ein Geist ist und einen Toten, der nicht tot ist und dass sie auf die Liebe stoßen wird, die schon lange auf sie wartet. Im Nigerdelta angekommen, muss Mary Cooley schnell feststellen, dass die Region nicht zu Unrecht als eine der gefährlichsten Regionen der Welt gilt. Die Region ist geprägt von Kämpfen zwischen den Eingeborenen und den Engländern um die Vorherrschaft im ölreichen Delta. Auch Mary Cooley gerät in das Netz aus Korruption, Verschwörung und Intrigen und wird heimlich Zeugin eines mörderischen Fetischkultes. Zur Seite steht ihr der undurchsichtige Graf Charles DeCardi, der ihr mehr oder weniger willig immer wieder aus der Patsche helfen muß...


    Das Nigerdelta und der Kampf der Eingeborenen und Engländer um die dortige Vorherrschaft ist ein Thema im historischen Roman, das mir in dieser Form, obwohl ich bereits viele historische Romane gelesen habe, bisher nicht begegnet ist und bietet den Lesern viel neue Information um Land, Kultur und Religion der Bewohner und Geschichte der Region. Die Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss in der Region steht deutlich als Träger im Vordergrund des Romans, die Beziehungsgeschichte zwischen Mary Cooley und Charles DeCardi ist aber eine durchaus interessante und auflockernde Beigabe, da beide Figuren äußerst eigenwillige Charaktere sind. Die Dialoge zwischen beiden gehören so auch wegen ihres Witzes, ihrer Kreativität und Spritzigkeit zu den Highlights des Romans.


    Trotz der reizvollen Thematik, die auf einer wahren Begebenheit aufbaut, und der interessanten Charaktere macht der Autor Jens Johannes Kramer es seinen Lesern nicht leicht in die Welt des Nigerdeltas einzusteigen. Insbesondere das erste Drittel des Romans ist geprägt von häufigen Orts- und Szenenwechseln, was bewirkt, dass der Leser relativ lange dem Geschehen und den handelnden Personen nicht nahe kommt. Obwohl der Autor eine flüssige, angenehme Sprache einsetzt, trägt auch sein Sprachstil dazu bei, den Leser eher auf Distanz zu halten und ihn nicht in der Erzählung versinken zu lassen. Auf diese Weise fordert der Autor eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nigerdeltas, das bis heute noch nicht zur Ruhe gekommen ist.


    Fredebold und Fischer hat „Das Delta“ als gebundenes Buch mit Schutzumschlag und Lesebändchen herausgebracht. Das Buch enthält außer dem Roman eine Karte und ein Nachwort des Autors, in dem er Informationen zur Abgrenzung von Fakten und Fiktion erläutert.


    „Das Delta“ ist ein ungewöhnlicher, anspruchsvoller historischer Roman, der sich nicht einfach nebenher lesen lässt, den Leser aber mit interessanten Informationen aus der Geschichte des Nigerdeltas, Kultur und Religion seiner Bewohner und humorvollen Szenen insbesondere mit den Protagonisten zwischen den ernsten Auseinandersetzungen der Region belohnt.

  • Das Delta – Jens Johannes Kramer


    Meine Meinung:
    Viele historische Romane folgen einer bewährten Formel, dadurch entsteht ein nur zu gut bekanntes Schema. Obwohl ich auch viele dieser historischen Romane trotzdem mag, bin ich froh über einen Roman wie Das Delta, der anders ist. Das liegt teilweise am ungewöhnlichen Schauplatz des Romans, das Nigerdelta, aber auch wie der Autor seine Charaktere eher verhalten aufbaut. Ihnen ist nicht so leicht in die Karten zu schauen, gerade bei den Dialogen gibt es einige Überraschungen. Sie haben fast screwballcharakter. Auch der Jenseits von Afrika-Vergleich, den Amazon nahe legt, ist zumindest auf Mary Cooley zutreffend, eine Frau wie Meryl Streep, oder vielleicht eher Nicole Kidman.
    Dass Mary auf eine real basierende Frau basiert ist ein Aspekt, der dem Charakter zu sogar noch mehr Realität verhilft.
    Sie trifft den freidenkenden, coolen Charly, der seine Finger in verschiedenen Geschäften im Delta hat. Ein Typ wie Humphrey Bogart. Mary und Charly verstehen sich sehr gut.


    Mit den jungen Thaddeus Hollingworth, dem ehemaligen Missionsschüler, der sich in die von ihrem Volk, den Brass, verstossene Eve verliebt, gibt es eine Parallelhandlung.
    Diese beiden geschilderten Beziehungen sind sehr unterschiedlich, aber beide haben einen eigentümlichen, rührenden Charme.


    Die Ereignisse um den Aufstand der von einer englischen Company ausgebeuteten Brass, als so einige Engländer aufgegessen wurden und der daruaf folgende brutale Rachefeldzug der Company werden dann eigentlich am Schluß nur noch faktenreich aufgeführt, aber nicht mehr erzählerisch dargestellt. Das ist auch nicht notwendig, da der Schwerpunkt des Romans sehr geschickt vom Autor auf die Vorläuferereignisse gelegt wurde.


    Mit gefällt die Sprache des Autors, die dass Kunststück schafft, zugleich kraftvoll und unaufdringlich zu sein und eine ganz eigene Bilderflut von Mangrovensümpfen, Maniokplantagen und Fetischzeremonien zu schaffen.