Kurzbeschreibung:
Der junge Kronprinz Friedrich gerät zwischen die elterlichen Fronten: Auf der einen Seite die Mutter - Sophie Dorothea fördert seine musischen und schöngeistigen Neigungen und träumt von einem höfischen Lebensstil wie in Paris oder London. Auf der anderen Seite der Vater - Friedrich Wilhelm I., der "Soldatenkönig", möchte, dass der Thronfolger so wird wie er selbst: streng, diszipliniert, pflichtbewusst und geradlinig, bescheiden, sparsam und hart gegen sich selbst. Der Aufstieg Preußens ist mit diesen Tugenden eng verbunden, doch Friedrich wird zwischen den Vorstellungen seiner Eltern förmlich zerrissen. Schließlich versucht er zu fliehen, was mit der Hinrichtung seines besten Freundes Katte bestraft wird.
Cornelia Wusowski erzählt einfühlsam, wie sich der vermutlich bekannteste Vater-Sohn-Konflikt in der deutschen Geschichte aufbaut und eskaliert und wie es schließlich zu Annäherung und Versöhnung kommt.
Meine Meinung:
Preußen, 1716 - 1740: Friedrich Wilhelm I., der »Soldatenkönig« ist nicht nur in den Augen seiner Frau Sophie Dorothea ein Bettelkönig, fehlt ihm doch jeglicher Sinn für das derzeit übliche und umständliche Hofzeremoniell und die dazugehörigen überflüssigen Ämter, Bälle und Bankette. Stattdessen lebt er spartanisch, legt Wert auf Sparsamkeit, Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit sowie Gehorsam und verlangt all das auch von seiner Familie, womit Konflikte vorprogrammiert sind, denn Sophie Dorothea wünscht als gebürtige Welfenprinzessin für sich und die Kinder ein angemessenes Leben, sie zieht ihre Fäden hinter dem Rücken des Gatten und fördert die Entwicklung des Kronprinzen in unerwünschte Bahnen.
Fritz muss bereits als 4-jähriger nach einem, von seinem Vater verfassten, Erziehungsplan leben, der mehr einem militärischen Reglement als einem Unterrichtsplan gleicht. Ab seinem siebten Geburtstag soll er vor allem lernen, König in Preußen zu sein, was bedeutet, dass das für andere Prinzen übliche Studium der Weltgeschichte sowie der klassischen antiken Autoren und das Lernen der lateinischen Sprache nicht erwünscht ist, hauptsächlich muss er das Leben seiner Untertanen kennen lernen und sich der Regierungsarbeit widmen. Fritz soll Gott achten und fürchten und ihm soll durch die Erzieher Abscheu vor Opern und Komödien eingeflößt werden, da das liederliches Zeug ist und im Leben nichts taugt. Kurzum, Friedrich Wilhelm will aus Fritz sein Ebenbild formen, aber Fritz verachtet die Ideale seines Vaters, er liebt Romane und das Flötenspiel, hat ganz andere Vorstellungen vom Leben.
Immer weiter entfernen sich Vater und Sohn voneinander, immer krasser zeichnen sich die Gegensätze ab; und während sich Fritz nach geistreicher Konversation und kultiviertem Lebensstil sehnt, muss er an den schlichten und ihm verhassten Vergnügungen des Vaters, wie dem Tabakkollegium oder den Jagdausflügen, teilnehmen. Der Vater begegnet den Neigungen des Sprösslings mit Härte, schreckt auch nicht davor zurück, den Kronprinzen in aller Öffentlichkeit zu demütigen oder zu schlagen. Für Fritz wird das Leben immer unerträglicher und schließlich beschließt er zu fliehen, was mit der Hinrichtung seines besten Freundes Katte drakonisch bestraft wird. Fritz selbst wird inhaftiert und lebt anschließend auf Befehl des Vaters in seiner Küstriner Wohnung in völliger Isolation und in einer Freiheit, die nur aus Verboten besteht ... und ganz langsam beginnt bei Fritz ein Umdenken, er würdigt die Leistungen des Vaters, der einem heruntergekommenen, verarmten Land wirtschaftlichen Aufschwung, eine bestens organisierte Verwaltung und eine starke Armee gebracht hat, die Preußen zu einem starken Bündnispartner macht. Er lernt den König zu respektieren, aber der Vater bleibt ihm fremd. Letztlich verspricht Fritz, das Werk des Vaters fortzuführen, denn er hat verinnerlicht, dass die Pflichten vor den Vergnügungen kommen.
In Cornelia Wusowskis »Friedrich der Große« erwacht Preußen unter Friedrich Wilhelm I. wieder zum Leben. Auf rund 750 Seiten nimmt der Leser am damaligen Leben teil, staunt und schmunzelt so manches Mal über die Lebensart und Auffassungen des »Soldatenkönigs«, wobei die Gegensätze zu anderen europäischen Höfen allseits präsent sind und jeder Leser beim Vergleich wohl seine eigenen Schlüsse ziehen wird. Im Mittelpunkt aber steht die Beschreibung des bekannten Vater-Sohn-Konflikts, wie er hätte sein können.
Kurzum: Ein interessanter historischer Roman, der sich leicht und flüssig liest, dennoch reichlich Stoff zum Nachdenken birgt und der es dem Leser beim Verteilen der Sympathien nicht immer leicht macht. Gern hätte ich noch weitere 750 Seiten gelesen, aber leider endet das Buch zwangsläufig mit dem Tod Friedrich Wilhelms.
Abgerundet wird der Roman durch ein ausführliches Nachwort, worin auch über Dichtung und Wahrheit aufgeklärt wird, einer Zeittafel und einem Stammbaum. Ferner ist ein nützliches Glossar anhängig.
Viele Grüße
Kalypso
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