Der Fluch des Mt. Saint Michel - F. Lenoir, V. Cabesos

  • Mit der Einsortierung dieses Buches hab ich mich ein bißchen schwer getan, es hätte auch unter Historisches oder Krimi gepaßt, aber von allem etwas, also hab ich es mal unter Belletristik abgelegt.


    Die Handlung ist am Anfang zweigeteilt:


    Der erste Handlungsstrang spielt 1103 in der Benediktinerabtei des Mt. Saint Michel in der Normandie. Dort soll eine neue Kirche erbaut werden. Der Baumeistr, Bruder Roman, der schon in Cluny gelernt hatte, wie man Kirchen baut, fällt jedoch bei einem Überfall Räubern zum Opfer und wird von der Einheimischen Moira gesundgepflegt.


    Moira ist das, was man im Mittelalter wohl als Hexe bezeichnen würde: Eine Keltin, die zu ihren Wurzeln steht, obwohl sie getauft ist; außerdem kennt sie sich in der Heilkunde sehr gut aus.


    Nach Romans Genesung jedoch trifft sich der Mönch weiterhin mit Moira, angeblich, um ihr das Christentum näherzubringen, in Wirklichkeit jedoch haben die beiden sich ineinander verliebt. Ihre Beziehung wird entdeckt und Moira wegen Ketzerei angeklagt und verurteilt. Sie stirbt auf dem Scheiterhaufen, nicht jedoch ohne Roman das Versprechen abzunehmen, die alte Krypta der Kirche beim Umbau nicht anzutasten.


    Der zweite Handlungsstrang erzählt uns von Jeanne, einer Archäologin unserer Zeit. In frühester Kindheit hatte sie auf dem Mt. Saint Michel eine Vision eines Kopflosen Mönches, der sie seitdem nicht mehr losläßt.


    Als im Kloster Cluny, in dem Jeanne arbeitet, eine Schriftrolle gefunden wird, die von den Ereignissen um Roman und Moira berichten, beschließt sie, ihrer Vision und damit dem Geheimnis des Mont Saint Michel auf den Grund zu gehen.


    Doch als ein Mitglied ihres Grabungsteams tot aufgefunden wird, begreift sie langsam, daß hier nicht nur die Geschichte Geheimnisse birgt.


    Meine Meinung:
    Gut und flüssig geschrieben, spannend und schlüssig - was will man mehr? Etwas verwirrend ist am Anfang der permanente Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, was dem Spannungsbogen jedoch sehr zuträglich ist, weil man so nach und nach die Geschnisse der Vergangenheit rekonstruieren kann.


    Ganz am Ende wartet das Buch noch mit einer dicken Überraschung auf, die ich so nicht erwartet hätte.


    Alles in allem ein sehr lesenswertes und spannendes Buch. Mir hat es sehr gut gefallen.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich habs gerade bei Ibäää für 7,50 Euro ergattert - neu und ungelesen *freu*


    Super, das andere ist mit 16 Euro für ein TB ja auch ganz schön teuer

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Mich habt ihr so neugierig gemacht, dass das Buch auch auf den Weihnachtswunschzettel gekommen ist. Da ich auch schon auf dem kleinen Eiland war, interessiert es mich besonders.
    Vielen Dank für die schöne Rezi.

  • Caia, ist das Buch sehr keltoman? Ich hab's ja auf der Wunschliste stehen, weil ich den Mt St Michel irgendwie gerne mag (trotz der Touristenströme machen wir da immer mal gerne Halt), sorge mich aber ein wenig, dass darin zuviel Keltenbrimborium vorkommt.
    Was ich meine: gegen eine Keltin als Protagonsitin habe ich nichts einzuwenden, wenn das Ganze aber auf eine "die Kelten wussten schon immer - im Einklang mit der Natur - was besser ist für die Menschheit"-Botschaft hinausläuft, ist das Buch wohl eher nichts für mich...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • @ Draper, also ich fand jetzt nicht, daß da zu sehr die Keltenkeule ausgepackt wurde. Klar kommen die keltischen Wurzeln zum Tragen und sie spielen auch eine wichtige Rolle, aber letztendlich umfaßt die Geschichte von Roman und Moira vielleicht ein Drittel des Buchs, der Rest handelt von Jeanne und der heutigen Zeit.


    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Was für ein Buch! Nach einem zweitägigen Lesemarathon bin ich gerade fertig geworden und kann mich Caias Bewertung bedingungslos anschließen. Von mir die volle Punktzahl.


    Zitat

    Original von Caia



    Ich dagegen schon, das hat mich nicht wirklich überrascht.


    Die zwei Handlungsstränge fügen sich perfekt ineinander und nebenbei lernt man eine Menge über die normannisch/bretonische Geschichte, die Benediktiner, den Mount-Saint-Michel und über Legenden.


    Das keltische zieht sich schon wie ein roter Faden durch das Buch, aber im Vordergrund steht hier wirklich die Liebe zwischen Roman und Moira. Sie beherrscht auch den Strang, der in der Gegenwart spielt, ist die Basis dafür und nimmt für mich somit deutlich mehr als ein Drittel des Romans in Anspruch.
    Ich saß hier mit Tränen in den Augen, als


    Die Zeitsprünge haben mich nicht verwirrt, auch wenn sie nicht angekündigt wurden. Die einzelnen Kapitel tragen nur Nummern, sonst keine Überschriften.


    Tja und am Ende des Buches


    Eine Kleinigkeit habe ich zu Bemängeln, von ich aber nicht weiß, ob es an der Übersetzung liegt. Zu Anfang ist von Papier und Ölpapier als Fensterersatz die Rede. Soweit ich weiß, gab es Papier in Europa erst ab ca. 1100. Eher hätte gepasst, dass an den Fenstern Tierhäute gehangen haben.


    Sehr reizvoll fand ich, dass der Strang, der in der Gegenwart spielt, in der Vergangenheitsform geschrieben ist und der Strang, der im 11. Jahrhundert spielt, in der Gegenwartsform.


    Gefehlt hat mir eine Karte mit der Ansicht der Klosteranlage von oben. Auf den letzten beiden Seiten gibt es einen Querschnitt der Insel und der Klosteranlage sowohl von der Nord/Süd als auch der Ost/Westseite. Die habe ich aber viel zu spät entdeckt, da ich normalerweise nicht zuerst auf die letzten Seiten schaue. Die Karten wären auf den ersten Seiten besser aufgehoben gewesen.


    Das Buch selbst hält den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite. Ich habe es einfach nicht aus der Hand legen können.


    EDIT: Nachtrag zur Rezi

  • Die Piperausgabe ist jetzt erschienen..


    Edit: Die teure Ausgabe ist ja auch von Piper, diese hier kostet halt ein kleineres TB weniger als die von Caia vorgestellte.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Wobei ich persönlich sagen muß, daß mir die kleineren TB Ausgaben besser gefallen, die sind einfach handlicher als diese dicken Klopper, die anscheinend grade der Renner bei den Verlagen sind!

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
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  • So, ich sah es grad in meinem RUB stehen, als ich die gelesene Reichs wieder einsortierte, und ich fing auch gleich zu lesen an. - Hab die grosse TB-Ausgabe- und ja: es ist etwas unhandlich, und nicht nur etwas... a taschenbuch soll schon in eine mantel/jackentasche passen, sonst ist's ka taschenbuch...


    :-]Auf seite 10 wird etwas sehr wahres über Jeanne und ihre berufung gesagt, denn es gibt neben religiösen märtyrern kein fanatischeres völkchen, als archäologen... :chen

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Hm, fertig und zwiegespalten bin... :gruebel
    eigentlich hat es mir irgendwie gefallen, weil ich schon lang keinen mittelalter-krimi mehr gelesen hab, und das offensichtlich vermisst hab, und der Mont-St-Michel an und für sich ein tolles terrain ist... aberr...
    ich wurde das gefühl der fusion Nome-della-rose / Pillars-of-the-earth / Visiteurs-oder-sonstiger-Zeitreise-Roman nicht los...
    Ich hab tatsächlich erwartet, dass der arme, heimatlose, kopflose und armlose Neolithiker spukt, dessen Dolmen der böse Dolm Aubert umgegraben und zerstört hat, und dessen knochen dann selbigem grabfrevelnden Aubert als die seinigen untergeschoben wurden, und war letzenendes unheimlich enttäuscht weil es wieder nur das

    und das ermüdet diesen leser hier dann doch etwas...


    was mich noch etwas gestört hat, war die psychische und emotionale verwirrung der protagonistin.
    Man sagt Archäologen ja oft nach, dass sie einen mehr oder weniger grossen hieb haben, aber der fanatismus eines echten archäologen geht in eine völlig andere richtung als die der heldin...
    Die zahlreichen verworrenen beziehungen, die die protagonistin neben der arbeit hat, und der mangelnde eifer, den sie plötzlich bei ihrer lebenstraum-grabung an den tag legt, just am letzten nachmittag der grabung wo sie sinnlos spazieren geht, statt bis zur letzten sekunde ihr team anzutreiben und auf teufel-komm-raus zu graben, ist äusserst kurios...


    ebenso kurios war die husch-pfusch-hau-mit-pickel-rein-methode: bevor man in einer sensiblen zone sinnlos die letzte denkmalgeschützte karolingische mauer nieder reisst, schaut man doch zuerst ob man irgendwie mit einer zerstörungsfreien methode ein boden/felsprofil bekommt; wenn man weiss, wo was zu holen ist, bevor man mit seinem pickel ausholt, geht das viel schneller und billiger, ganz ohne säuerliche denkmalschützer und museumsleiter, die im rücken intrigen spinnen müssen... im jahr 2004 in dem das buch entstand, sollte sich das eigentlich auch bei französischen archäologen und denkmalschützern herumgesprochen haben, dass es zerstörungsfreie suchmethoden gibt... aber was tut man nicht alles, um für ein buch künstliche konflikte zu entwerfen... :rolleyes

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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