Dan Simmons: Terror

  • Nein, dieses Buch handelt NICHT von Osama Bin Laden, vom 9.11. oder von ähnlichen Ereignissen. "Terror" ist ein lupenreiner historischer Roman, der die Ereignisse rund um John Franklins letzte Expedition thematisiert, die Suche nach der legendären Nordwestpassage.


    Zwei britische Schiffe brechen im Sommer 1845 auf, um in den arktischen Eismeeren nördlich von Amerika einen Seeweg nach Asien zu erkunden: Die "Erebus" unter dem Kommando von James Fitzjames und die "Terror" mit ihrem Kapitän Francis Crozier. Etwa 130 Mann befinden sich auf den beiden Mörserschiffen, die verstärkt und mit reichlich Proviant ausgestattet für eine mehrjährige Polartour gerüstet sind - oder sein sollten. Im Frühherbst 1846 schließt sich das Eis um die Schiffe, und als es auch im Sommer 1847 nicht aufbricht, deutet sich das Unausweichliche an: Die Expedition wird scheitern. Früher oder später werden die Männer ihre Schiffe verlassen und mühevoll einen rettenden Landweg suchen müssen. Im Frühjahr 1848 schließlich wagen sie diesen Schritt.


    Der berühmte Expeditionsleiter John Franklin, dem u.a. der deutsche Autor Sten Nadolny in "Die Entdeckung der Langsamkeit" ein Denkmal gesetzt hat, spielt in diesem Buch nur eine Nebenrolle; er stirbt relativ früh. Helden dieses epischen und weitgehend fiktiven Werkes sind Francis Crozier, der Kapitän der "Terror", ein Assistenzarzt namens Goodsir und einige andere Besatzungsmitglieder. Wechselnd erzählt Simmons aus deren Perspektiven das Geschehen. Dieserart erlebt der Leser mit, wie die Not wächst, wie Skorbut, Sturm, Kälte, Hunger, Meuterei und andere Ereignisse ihre Opfer fordern. Zu letzteren gehört ein monströser Eisbär, oder ein Wesen, das die Reisenden lange Zeit für einen Eisbären halten, obwohl es doppelt so groß ist wie alle bislang gesichteten Exemplare. Dieses Tier meuchelt nach und nach Dutzende der Expeditionsteilnehmer, und wohin sich die im Eis eingeschlossenen auch wenden, es scheint ihnen immer auf den Fersen zu bleiben. Alle Versuche, es zu erlegen, scheitern unter großen Verlusten.


    Dan Simmons gilt als einer der besten SF-Autoren unserer Zeit ("Hyperion", "Endymion", "Illium", "Olympos"), er hat Horrorgeschichten ("Kinder der Nacht") geschrieben - und wagt sich mit "Terror" erstmals an einen historischen Roman, der zwar in gewisser Weise phantastische Elemente hat, aber weit weniger, als dies der Klappentext weiszumachen versucht. Sehr eindringlich und fachgenau schildert Simmons das Leben und Sterben an Bord der Schiffe und später auf dem endlosen Eis. Man spürt als Leser nachgerade die klamme, bittere Kälte, die die Rettungssuchenden niemals aus ihrem eisigen Griff entlässt, und obwohl die Handlung insbesondere im zweiten Teil recht linear und manchmal vorhersehbar verläuft, wächst die Spannung von Seite zu Seite. Von der tatsächlichen Expedition wurden nur wenige Spuren gefunden. Simmons skizziert einen plausiblen und sehr authentisch anmutenden Ablauf, erzählt großartig, einfühlsam, brutal und extrem unterhaltsam. Ein packendes, interessantes Buch, dem man seine Längen verzeiht. Beeindruckend und überraschend, vor allem für eingefleischte Simmons-Fans.

  • Ich warte schon seit einiger Zeit auf Deine Rezi dazu, Tom :grin


    Ist das Buch Deiner Erachtens sehr horrorlastig?


    edit: Genaugenommen warte ich auf Deine Rezi seit Sommer, als ich das Buch beim Stöbern entdeckt habe und es auf meine Wunschliste gewandert ist.

  • Hallo, Pelican.


    Zitat

    Ist das Buch Deiner Erachtens sehr horrorlastig?


    Die Geschehnisse werden schonungslos geschildert, und dazu gehört z.B. auch Kannibalismus. Aber das hat mir "Horror" nicht viel zu tun; den Klappentext zum Buch fand ich sehr merkwürdig, er ist ziemlich unpassend. Es ist ein brutales Buch, aber es spielt nicht mit dem Schrecken, um den Leser zu verstören, sondern es wird eben geschildert, was vermeintlich geschieht. Ich würde nicht so weit gehen, eine Warnung für sensible Gemüter auszusprechen. Aber es ist hart, ja. Nur hat es mit dem Genre "Horror" nichts zu tun, meiner Meinung nach.

  • Hallo, Herr Palomar.


    Zitat

    Von Dan Simmons kenne ich bisher nur In der Schwebe und Fiesta in Havanna.


    Und ich kannte bisher nur "Hyperion" (bzw. "Die Hyperion-Gesänge"), "Endymion", "Illium" und "Olympos", sowie "Kinder der Nacht". Die vier erstgenannten gehören m.E. zum Besten, was die SF in den letzten vierzig Jahren hervorgebracht hat.

  • Zitat

    Original von Tom
    Die Geschehnisse werden schonungslos geschildert, und dazu gehört z.B. auch Kannibalismus. Aber das hat mir "Horror" nicht viel zu tun; den Klappentext zum Buch fand ich sehr merkwürdig, er ist ziemlich unpassend. Es ist ein brutales Buch, aber es spielt nicht mit dem Schrecken, um den Leser zu verstören, sondern es wird eben geschildert, was vermeintlich geschieht. Ich würde nicht so weit gehen, eine Warnung für sensible Gemüter auszusprechen. Aber es ist hart, ja. Nur hat es mit dem Genre "Horror" nichts zu tun, meiner Meinung nach.


    @ Tom


    fein, das klingt ok. Ich fand diese Verknüpfung Historie und Horror im Klappentext doch recht seltsam. Und das Horrorgenre ist so gar nicht mein Ding.

  • Pelican : Ich denke, der Verlag hat das gemacht, um die Simmons-Fans, die von ihm ja "nur" SF und Horror - im weitesten Sinne, aber auf sehr hohem Niveau - kennen, davon zu überzeugen, dieses Buch doch zu kaufen. Klappentexte sind Klappentexte sind Klappentexte. Aber meistens eben keine verläßlichen Informationen über das Buch, auf dem sie sich befinden. ;-)

  • Zitat

    Original von Tom
    Klappentexte sind Klappentexte sind Klappentexte. Aber meistens eben keine verläßlichen Informationen über das Buch, auf dem sie sich befinden. ;-)


    Ich finde sogar, sie werden zunehmend irreführender gestaltet. Glücklicherweise gibt es ja aber andere Möglichkeiten sich zu informieren ;-)

  • Das ist mein erster Simmons, war anfangs auch skeptisch, weil er mir nur aus der SF-Schublade bekannt war. Die Geschichte sprach mich jedoch sehr an und da ich Tausendseiter mag, dachte ich mir, versuchs mal.


    Wowwwwww! Ich habe jetzt die ersten 200 Seiten und der Roman lässt sich ja kaum aus der Hand legen. Ich musste mir bei 22 Grad Zimmertemperatur die Decke holen, wie Godsir seinen ersten Landaufbruch beschreibt.

  • Das Wetter ließ ein schnelleres Fortkommen in den Kapiteln nicht zu, leider musste ich die Geschehnisse der HMS Terror aus beruflichen Gründen vernachlässigen. Mittlerweile ist mir aber ein Vorstoß bis Seite 365 gelungen.


    Die letzten 150 standen im Zeichen des Monsters. Es blieb bisher - und wahrscheilich wird es auch so bleiben - anonym, was der Spannung keineswegs einen Abbruch tut. Über 40 Seiten wird der Kampf ums Überleben, den die Besatzung sowieso schon tagein und tagaus führt, von

    Ergreifend und im höchstem Maße spannend mit welcher Lebensenergie er diesem Monster entgegen tritt. Wobei das eigentliche Monster nicht das einzige Untier ist. Auf Seite 249 wird das Monster von Kapitän Crozier wie folgt beschrieben:


    Der Teufel, der sie hier oben in seinem Reich umbringen wollte, war nicht nur das Wesen mit dem weißen Pelz, das sie einem nach dem anderen abschlachtet, sondern alles hier - die gnadenlose Kälte, das drängende Eis, die elektrischen Stürme, das Ausbleiben der Robben, Wale, Vögel, Walrosse.... - einfach alles. Das Ungeheuer aus dem Eis war lediglich eine weitere Erscheinungsform eines Teufels, der auf ihren Tod sann


    Die Wortgewalt von Simmons ist wirklich enorm.


    Die sowieso schon kurzen Tage dieser Jahreszeit neigen sich dem Ende, die Kälte drängt in die Glieder, ich ziehe mich zurück in meine Koje. Möchte heute noch wenigstens Seite 500 erreichen, in der Hoffnung das der Spannungsbogen noch ein wenig gesteigert wird.

  • Die 500 längst überschritten, kann ich bisher sagen, dass "Terror" keineswegs horrorlastig ist. Das Monster, dass sich nicht näher beschreiben lässt, wird von den Besatzungsmitgliedern nur am Rande wahrgenommen, weil die täglichen Probleme doch stärker wiegen als die zwischenzeitlichen Angriffe, getrost dem Motto: " mich wird es schon nicht treffen". Wenn es anders wäre, hätten die beiden Mannschaften sicher nicht einen

    aufgeführt, der in einer absoluten Katastrophe endete.


    Käpt´n Crozier dem Hauptdarsteller dieser Tragödie zolle ich jeglichen Respekt, wie er es schafft, neben dem Kampf

    die Mannschaften zusammenzuhalten.

    Die abwechslungsreichen Schilderungen durch die Tagebucheinträge, die in altdeutscher Sprache geschrieben sind, finde ich recht gelungen, auch wenn man dem entgegen halten muss, dass es sich um eine rein englische Expedition handelt. Sie vermitteln dadurch, dass wir uns stets im 19 Jh befinden. Auch die Fachbegriffe aus der Seglersprache unterstreichen, dass der Autor den Leser in die Geschichte miteinbeziehen will.


    Kleiner Tipp: Am Ende des Buches sind die Begriffe näher erläutert. Anfangs hatte ich nämlich noch in "wiki" nachgeschaut.


    Deshalb, nicht nur unterhaltsam sondern auch lehrreich!

  • ...gilt für diesen Roman nicht!


    Immer wieder erfährt die Expedition Rückschläge, dennoch obsiegt die Hoffnung, gerettet zu werden.


    Mittlerweile gut in den 700´ ern. Die Expedition hat das Schiff verlassen und versucht sich nun mit ihren Booten im Schlepptau über den Landweg zu retten. Der beschwerliche Weg, teils über Land und teils über´s Packeis wird packend geschildert. Kleine Lichtblicke folgen Tiefs, die das Überleben in der Kälte immer schwerer machen.

    Die Szene war sehr abwechslungsreich und lockerte den Roman auf, durch kriminalistische Vorgehensweise, gewürzt mit ein wenig Pathologie .


    Schade eigentlich nur, dass dieses opulente Werk sich dem Ende zuneigt.

  • Im Gegensatz zur Besatzung der HMS Terror habe ich mein Ziel( 962 Seiten ) erreicht.


    Nach dem Aufbruch der Besatzung über den Landweg, die Zivilisation Nord-Kanadas zu erreichen, wird die ganze Tragik noch einmal durch den Egoismus einzelner Besatzungsmitglieder auf die Spitze getrieben. Hervorragend im Stile von Alien inszeniert, wo nicht nur die Schurken letztmalig Opfer der Kreatur werden. Was nicht heißt, dass alle Besatzungsmitglieder dem Monster zum Opfer fallen. Mehr sollte an dieser Stelle zum Inhalt jedoch nicht gesagt werden.


    Abschließend möchte ich feststellen, dass die Geschichte um die Expedition der Erebus und der HMS Terror absolut gelungen ist. Simmons hat über 1000 Seiten selten den Spannungsbogen erschlaffen lassen. Die Hintergrundinformationen und die bisher noch nicht erwähnten Erklärungen zu Mythen der Eskimos waren höchst interessant und erinnern an das Leben im Einklang mit der Natur, wie es auch von anderen Urvölkern praktiziert wurde bzw. wird.


    Der Schluss selbst kam mir persönlich zu plötzlich. Allerdings hatte es der Autor schwer, weil das Ergebnis der Expedition bereits bekannt war. Aber dennoch ist es ihm gelungen aus der Tragödie zumindest einen kleinen Lichtblick erstrahlen zu lassen.


    Zu guter letzt noch etwas zum Hardcover selbst. Das Buch ist aufwändig gearbeitet, mit Einlegebändchen und einem hochwertigen Schutzumschlag, der ein echter Hingucker ist. Die Anhänge und die Kartenauszüge werten das gesamte Buch auf und unterstützen beim Lesen selbst. Es bleibt auf jeden Fall in meinem Regal stehen.
    Der Preis für dieses Buch scheint mir deshalb mehr als ok.


    Von mir gibt es eine Wertung von 9,99 Punkten. Ganz minimale Abstriche beim Schluss, worüber sich aber streiten ließe.

  • Ich schleiche schon ne ganze Weile um diesen Roman rum und wollte eigentlich auf das Taschenbuch warten. Da dies aber noch eine Weile dauern wird und mich dieses Werk vom Thema her sehr anspricht, überlege ich stark es mir gebunden zu kaufen. :rolleyes
    Aberteuer-, Horror-, Arktisroman in einem, das hört sich wirklich super an.


    So habe es mir soeben gekauft, mein Buchhändler meinte nur und was lese ich jetzt ^^. Werde demnächst mal Meinung posten, übrigens toll aufgemachtes Buch. Ich bin sehr gespannt...

  • Mit "Terror" hat Dan Simmons ein wirklich beeindruckendes Buch abgeliefert. Ich hab im Internet ein wenig nachgelesen über die Franklin-Expedtion, und jeden Namen und jedes Detail hab ich verarbeitet wiedergefunden. Simmons hat den Rätseln, die der Unternehmung anhaften, eine Lösung gegeben.
    Das Buch ist spannend, sehr interessant und durch das nahe Kennenlernen der Personen trifft einen ihr Schicksal umso härter. Auch wenn man es vorher wußte. Simmons dringt tief ein in seine Personen und verschont sie nicht.


    Sicher gibt es hier und da ein paar Längen, kaum zu vermeiden bei einem Buch dieser Seitenzahl. Aber insgesamt bin ich schwer beeindruckt von der Umsetzung der Geschichte.
    Die letzten Tage hab ich während der Arbeit ungeduldig draufhin gefiebert, weiterlesen zu können. Dan Simmons mauserte sich, nachdem mir "Ilium" schon so gut gefallen hat, zu einem Autor, der gleich mehrfach auf meiner Wunschliste erscheint.

  • Ich habe es am Wochenende begonnen und mir gefällt es bisher sehr gut. Man kann nach 60 Seiten schon sagen, das Simmon seine Charaktere gut beschreibt und beleuchtet. Desweiteren merkt man, das er auch im Horrorgenre tätig ist, einige Abbrünge der Personen tun sich schon am Anfang des Buches auf. Bin sehr gespannt wie es weiter geht.


    So nach fast 400 Seiten muss ich sagen das Buch ist genial.
    Simmons schreibt wirklich toll und bildgewaltig, man glaubt mit an Bord zu sein. Nach 2 Jahren im Eis gehen langsam die Vorräte aus oder sind verdorben. Das "Monster" hat auch schon öfters gnadenlos zugeschlagen und dann ist da noch Lady Silence die viele für eine Hexe halten.
    Simmons lockert die Geschichte immer mal wieder auf, indem er auf einzelne Charaktere genauer eingeht und aus ihrem bisherigen Leben berichtet. Bisher bin ich absolut begeistert von diesem Roman.


    Nach fast 700 Seiten immer noch ein absolut mitreissendes Buch. Simmons schreibt wirklich wie ein Gott. Die Mannschaften haben ihre beiden Schiffe aufgeben müssen und ziehen zu Fuß und mit ihren Booten los. Viele sind an Skorbot erkrankt und nur noch ein Schatten seiner selbst. Crozier der Kapitän musste schon gegen seiner Alkoholsucht ankämpfen, da die Wiskyvorräte auch zu Ende gingen. Doch der Mann kämpft will sich und seine Männer retten.
    Besonders schlimm fand ich folgende Szene:


    So habe nun "Terror "beendet und bin leider vom Ende etwas enttäuscht. Simmons hat einen Roman geschrieben, den man als Zwitter bezeichnen kann. Zu 70% ist er historisch und die übrigen 30% sind Fantasy/Horror, gut das war vorher klar (der Klappentext ist aber meiner Meinung nach irre führend).
    Auf 850 Seiten packt Simmons den Leser dermaßen, erfindet aber ein übernatürliches Monster und wie in so vielen Fällen ist die Auflösung dann sehr enttäuschend. Die letzten 100 Seiten stoßen mir zumindest übel auf, meiner Meinung nach völlig unglaubwürdig.



    Ich vergebe trotzdem 8 Punkte für diesen packenden Roman, auch wenn das Ende mir nicht gefallen hat.


    :lesend Stephen King - ES

  • Ich bin gestern mit dem Buch fertig geworden und muss sagen, dass mir die ersten knapp 900 Seiten sehr sehr gut gefallen haben - wäre das Buch da zu Ende gewesen, dann hätte ich überlegt 10 Punkte zu vergeben. ;-) Dan Simmons erzählt einfach absolut spannend und mitreißend und ich konnte manchmal gar nicht mehr aufhören zu lesen.


    Dann aber dieses Ende! Da muss ich mich wirlich Takeo anschließen, denn das Ende hat mir einfach überhaupt nicht gefallen können. Das ist einfach eine schwache und unrealistische Auflösung.


    Dennoch vergebe ich 8 Punkte! :-)