Schriftsteller als Brotberuf

  • Hallo, lyrx.


    Wenn es so ist, wie Du erklärst, dann ist es so. Aber dieser Thread heißt ja nicht "Ich will nur noch schreiben", sondern "Schriftsteller als Brotberuf". Das läßt den Schluß zu, daß es um jemanden geht, der ohnehin dem Beruf des Schriftstellers nachgeht, nunmehr aber - ausschließlich - davon leben will. Und die Antwort auf die damit einhergehende Frage lautet nun einmal: Das geht, aber nur mit viel Glück. Auf dieses Glück verlassen sollte man sich nicht. Schriftsteller ist zudem kein Beruf, den man "ergreifen" kann. Die Welt wartet keineswegs auf noch mehr Schriftsteller, nicht einmal Deutschland tut es. Ganz im Gegenteil. Das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem.

  • Das mit den romantischen Vorstellungen ist alles so eine Sache.
    Meine Eltern waren früher auch mal der Meinung, dass man als Autor wartet, bis einem die Muse küsst, dann mal ein paar Seiten niederschreibt, sich vor Veröffentlichungsangeboten nicht retten kann und hinterher zigarreschmauchend und sherrytrinkend im Schaukelstuhl sitzt und zuschaut, wie die Schecks eintrudeln und der Saldo des Bankkontos in schwindelerregende Höhen steigt. Es kam schon ab und an die Frage, wieso ich mich bei diesen tollen Chancen gegen meine Bestimmung stellen und immer noch arbeiten gehen würde, während meine Schreibe doch dafür prädestiniert sei, von Millionen oder gar Milliarden gelesen zu werden.


    Sie waren letztens reichlich schockiert, als ich ihnen von meiner Begegnung mit Evelyn Okonnek berichtet habe, neben der ich während den Tübinger Tolkien-Tagen in der Autorenrunde sitzen durfte.
    Zu erfahren, dass es bei jemand, der 2 Bücher in der Reihe "Meister der Fantasy" herausgegeben hat, trotzdem nicht zum Leben reicht reicht - trotz Preisgeld, trotz Vorschuß, trotz Honorar - das hat meine Eltern von überzogenen Vorstellungen in dieser Richtung mehr als geheilt.


    Humpenflug :
    Da dich und deine Person hier niemand kennt, kann dir sicher auch niemand wirklich eine Antwort auf deiner Frage geben.
    Außer dir weiß keiner hier (inkl. mir), ob du das Durchhaltevermögen hast, dich jeden Tag von 8-17 Uhr an den PC zu klemmen (egal ob du Bock hast oder nicht). Niemand hier kann beurteilen, ob du im stillen Kämmerlein, abgeschieden von der Welt, fern von jeder Ablenkung besser arbeiten kannst, als wenn du nebenher auch noch lebst. Und vor allem kann niemand hier beurteilen, ob das, was du dann fabrizierst
    a.) wirklich gut ist
    b.) auch von einem Verlag als vermarktbar beurteilt wird
    c.) dann auch wirklich seine Zielgruppe in Form von Käufern findet.
    Also - wenn du meinst, dass es dein Weg: Dann mach es doch!
    Aber mach hinterher niemanden Vorwürfe, weil es bei dir nicht funktioniert.
    Es ist alleine deine Entscheidung.


    trotzdem viel Erfolg beim Schreiben
    *jemand, der 2 Romane nach der Arbeit geschrieben hat und darauf stolz ist, auch wenn er damit nicht zu einem großen Verlag gegangen ist und auch nicht davon leben kann*

  • Wenn einer schreibt, um des Schreibens willen, wenn er das gegen jede Vernunft tut, kann das ein subversiver Vorgang sein. Manchmal ist es auch KEIN subversiver Vorgang, sondern purer Blödsinn. Genau dann ist es aber interessant, wenn es TATSÄCHLICH subversiv ist. Dann richtet es sich gegen das Konventionelle. Es ist nutzlos ist, es ist l'art pur l'art. Es hat genau die Zwänge abgestreift, die uns alle am meisten einengen, die finanziellen.


    Wer so schreibt, ist gleichzeitig freier und beengter, denn weniger Geld bedeutet weniger Möglichkeiten, weniger Freiheit, wenn man es so sehen will. In diesem Spannungsfeld zwischen Freiheit und Gefängnis findet so einer zu seiner eigentlichen Kraft. Sein Dickkopf trifft auf die Realität und bekommt Beulen. Im günstigen Fall schlägt es Funken und es entsteht ein gutes Buch. Im günstigsten Fall! In den meisten Fällen bleibt nur Kopfweh übrig. Kopfweh ist gut, weil es der Pharmaindustrie nutzt.


    Im Schreiben kannst Du individueller sein, als sonstwo. Es geht sogar dann noch, wenn man dich zu zwanzig Jahren verknackt hat. Dann schreibst Du auf Toillettenpapier mit einem Bleistiftstummel. Es geht fast immer. Schreiben ist deshalb das Ausdrucksmittel für die hoffnungslosen Individualisten, für die, die sich nicht anpassen können, die nicht zuhören, sondern immer selbst reden müssen.


    Einen Film kannst Du ohne Geld nicht drehen. Zum Theater brauchst Du mindestens ein paar Leute, und Violinespielen ist in Block 11 von Stuttgart-Stammheim vermutlich auch nicht so ohne weiteres möglich. Schreiben geht. Sogar Paris Hilton hat zum Papier gegriffen, als es nicht anders ging, weil man sie wegen "drunken driving" eingesperrt hatte. Aus Geldmangel hat sie es jedenfalls nicht getan. Sie hat es getan, weil es in dieser Situation die einzige Möglichkeit für sie war, sich auszudrücken.

  • Zitat

    Original von lyrx
    Sogar Paris Hilton hat zum Papier gegriffen, als es nicht anders ging, weil man sie wegen "drunken driving" eingesperrt hatte. Aus Geldmangel hat sie es jedenfalls nicht getan. Sie hat es getan, weil es in dieser Situation die einzige Möglichkeit für sie war, sich auszudrücken.


    Wir können Humpenflug und Dir im Fall der Fälle ja einen Kuchen mit Feile drin backen. Dann könnt' Ihr wenigstens auch mal was anderes tun, als Klopapier vollkritzeln: Kuchen essen und an den Gitterstäben feilen. Abwechslung ist ja für die Kreativität wichtig.


    Gruss,


    Doc

  • Hallo zusammen!


    Hier ein interessanter Link zu dem Thema:
    http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=&em_cnt=1302797


    Liebe Grüße
    Deana

    Der Pestreiter 2014
    Der Hexenschwur 2013
    Das Pestzeichen 2012
    Der Schwur der Sünderin 2011
    Der Hexenturm 2010
    Die Gabe der Jungfrau 2010
    Das Hexenmal 2008
    Fliegen wie ein Vogel 2006
    Der Duft der Erinnerung 2006

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  • Zitat

    Original von Tom
    Humpenflug : Bring ein Buchprojekt in lesbare Fassung, was auch einem allzeit vom Abstieg bedrohten Mittelständler gelingen sollte, und schau dann, was passiert. Wenn es ankommt, einen Verlag findet, und dann auch noch Leser, was vom ersten Verlagskontakt bis zur Verfügbarkeit in den Buchläden zwei Jahre, manchmal noch länger dauert, also eine Zeit, die man brotlos überbrücken muß, ist danach immer noch genug Zeit, sich zu überlegen, ob man davon leben will und kann. Letzteres gelingt den meisten (reinen) Belletristikautoren nie, und vielen von den wenigen, die es schaffen, erst nach zehn Jahren und mehr. Erfolge, die einem sofort so viel finanziellen Rückhalt verschaffen, daß man sich bequem dem nächsten Projekt zuwenden kann, sind die Ausnahme. Viele Autoren, die versuchen, nur vom Schreiben zu leben, arbeiten nebenher noch für Zeitungen, Fernsehproduktionen usw.


    Ich habe 14- bis 16-Stunden-Tage und schreibe danach. Ich schreibe allerdings sehr schnell. Mein viertes Buch erscheint im nächsten Jahr. Selbst, wenn ich es wollte, und ich will es nicht, weil mir meine Firma dafür viel zu viel Spaß macht (und es davon abgesehen eine gewisse Verantwortung gibt), könnte ich nicht davon leben, obwohl ich im Schnitt alle anderthalb Jahre einen neuen Roman veröffentliche. Erfolg ist nicht planbar.


    Ist auch meine Erfahrung, wobei ich derzeit noch nicht wirklich Zeit habe für das literarische Schreiben, leider. Aber man muss sich ja nicht auf eine Sache festlegen. Mir macht z. B. auch das Lektorieren Spaß. Eine Zeitung will auch Artikel von mir, aber ich weiß noch nicht, ob das etwas für mich ist.

  • Zitat

    Original von Tom
    Es kursieren die verschiedensten Zahlen, zum Beispiel jene von den ca. 100.000 verschiedenen Manuskripten, die Jahr für Jahr unverlangt durch die Republik gesandt werden, und von denen knapp 1.000 (also ein Prozent) schließlich veröffentlicht werden. Ob diese Zahlen einen Unterschied zwischen großen/größeren Publikumsverlagen und beispielsweise kleinen "Serviceverlagen" machen, die mit BoD arbeiten und zwar keine Zuschüsse verlangen, aber die Mindestabnahme von 100 Exemplaren, weiß vermutlich niemand. Wahrscheinlich nicht, denn die Zahl der bei größeren Verlagen von Debütanten veröffentlichten Romanen ist sehr, sehr gering. Mein Lektor hat im "Literaturcafé" durch eine Randbemerkung, die er in einem Interview gemacht hat, eine riesige Diskussion angestoßen. Er erzählte, daß von den vielen, vielen unverlangt eingesandten Manuskripten, die direkt von Autoren kamen und während der letzten fünf, sechs Jahre auf seinem Tisch landeten, ganze zwei im Verlag veröffentlicht wurden. Wenn ich mir die Klientenliste meiner Agentur ansehe, stelle ich da kaum Veränderungen fest, obwohl die Agentur zu den größten in Deutschland zählt und täglich Dutzende von Projektentwürfen eintreffen.


    Ich finde es an sich gut, wenn die Manuskripte gesiebt werden, nur wird eben nicht unbedingt auf Hochliterarisches geachtet, sondern oft auch nur auf Massentauglichkeit. Nur so kann ich mir den Mainstream-Schund erklären, der sich immer wieder in Buchhandlungen findet.


  • Das ist auch meine Erfahrung im Lektorat, wo ich mich schon oft fragte, warum um Himmels willen gerade dieser Autor veröffentlicht wird, aber er passt eben genau ins Verlagsprogramm, für den Rest gibt es ja Lektoren. ;-)

  • Zitat

    Original von Judith
    Ich bin auch schon wieder ein Stückchen von meinem Wunsch-Brotberuf entfernt. Letzte Woche habe ich mein neues Manuskript an 13 Kinderbuchverlage geschickt und erstaunlicher- und traurigerweise schon heute, nach nur einer Woche (also nach ca. 3 - 4 Tagen im Verlag) zwei Absagen bekommen. :-( Bisher hat's eigentlich immer mehrere Wochen gedauert. Wahrscheinlich sagen sie: "Ach, die schon wieder." :rolleyes :wow


    Grüßle,
    Judith


    Und ich höre immer wieder von Autoren, die Verlage seien interessiert, auch wenn das Buch eigentlich gar nicht fertig ist. Die scheinen einen Extra-Service zu erhalten, brauchen aber dann doch dringend ein freies Lektorat. Liegt vielleicht daran, dass solche Autoren die Verlage mit Telefonaten angehen und immer wieder nachfragen.

  • Zitat

    Original von Vandam
    Ich lebe seit bald 25 Jahren vom Schreiben, aber 30 Seiten habe ich noch nie geschafft. Weder redaktionell noch "promotional". Okay, es sei denn, es wären layoutete Seiten mit vielen Bildern und ich übersetze den Text aus meiner Zweitsprache.


    Mache ich neue Texte - und recycle nicht Bestehendes - komme ich über 10 Seiten nicht hinaus. Gut, das sind dann Sachtexte, verbunden mit technischen Anweisungen an den Satz, da bremst allein das Formale das Tempo, das ist mit einem Roman nicht unbedingt vergleichbar.


    30 Seiten find ich schon eine extrem stramme Leistung. Wenn das jemand kann: Hut ab!


    Kommt doch auf die Qualität an und nicht, wer schneller tippt oder mehr veröffentlicht.

  • Zitat

    Zitat von Evelyne Marti:
    Ich finde es an sich gut, wenn die Manuskripte gesiebt werden, nur wird eben nicht unbedingt auf Hochliterarisches geachtet, sondern oft auch nur auf Massentauglichkeit. Nur so kann ich mir den Mainstream-Schund erklären, der sich immer wieder in Buchhandlungen findet.


    Nur wenige Verlage können es sich leisten, auf Hochliterarisches zu setzen. Bei den meisten geht es darum, den Markt so zu bedienen, dass sie genug Bücher verkaufen, um selbst über die Runden zu kommen. Ein unterhaltsames Buch, das man im Urlaub am Strand oder nach Feierabend auf der Couch lesen kann, geht nun einmal öfters über den Ladentisch als hohe Literatur.


    Gheron

  • Zitat

    Original von Gheron


    Nur wenige Verlage können es sich leisten, auf Hochliterarisches zu setzen. Bei den meisten geht es darum, den Markt so zu bedienen, dass sie genug Bücher verkaufen, um selbst über die Runden zu kommen. Ein unterhaltsames Buch, das man im Urlaub am Strand oder nach Feierabend auf der Couch lesen kann, geht nun einmal öfters über den Ladentisch als hohe Literatur.


    Gheron


    Hi Gheron


    Nun ja, Hochliteratur ist nicht unbedingt langweilig, eher im Gegenteil, würden die Leser vielleicht merken, wenn ihnen nicht immer dieser Einheitsbrei vorgesetzt werden würde.

  • Hi Gheron


    Deine Antwort finde ich jetzt seltsam, denn es ist nun mal meine aufrichtige Meinung, und es gibt noch andere Leser, welche Hochliteratur spannend und Trivialliteratur langweilig finden. Die Hochliteratur ist nun echt keine Sondersparte, sodass sie irgendwie prophetische Unterstützung nötig hätte. Da reicht es, sich ein anständiges Buch über Literaturwissenschaft zu kaufen, oder auch ein billiges Reclam-Heftchen. Die Trivialliteratur braucht da schon eher ihre Propheten, welche sie hübsch brav verteidigen, wo sie doch so gar nicht anerkannt wird von den Fachleuten. ;-)

  • Hi Gheron


    Nein, ich rede von den gemeinsamen Erzählbausteinen, der Poetik. In jeder Gattung ist es möglich, ein literarisches Buch zu schreiben, siehe Beispiele in der Weltliteratur. Aber auch Du wertest und unterscheidest zwischen guter und schlechter Literatur. Willst Du dem Leser etwas vorschreiben, Du Prophet? Na sowas! :lache

  • Hi, Evelyne,


    wie sagte schon Friedrich II. von Preussen: Ein jeder solle noch seiner Fasson selig werden. Werde du es nach der deinen und ich nach der meinen. Einen Kompromiss oder gar einen gemeinsamen Weg werden wir beide, was die Literatur betrifft, eh nicht finden. Gott sei Dank, muss ich sagen, wenn ich deine Ansichten so sehe.


    Gheron

  • Hi Gheron


    Gott sei Dank - das klingt nach Entzug, aber überleg doch mal selbst, dass es nun mal auch Leser gibt, welche die ewig gleichen Muster der reinen Unterhaltungsliteratur ohne Anspruch und Bemühen um klügere Muster eben bald mal als langweilig empfinden, wäre doch einen Denkanstoß wert, um seine Schreibe weiterzuentwickeln. Ich finde, ein Autor sollte da nie zufrieden sein und immer nach neuen Herausforderungen suchen. Aber das wäre natürlich anstrengender und könnte bedeuten, dass ein Autor länger braucht beim Schreiben. Denken braucht ja auch zusätzlich Zeit. ;-)