Philippa Gregory, Die Hofnärrin, Orig.titel „The Queen’s Fool“, Übersetz. v. Barbara Först, BLT in der Verlagsgruppe Lübbe, Bergisch Gladbach, 2007, ISBN 978-3-404-92266-6, 8,95 €
Zur Autorin: lt. Klappentext
Philippa Gregory, 1954 in Kenia geboren, studierte Geschichte in Brighton und promovierte an der Universität Edinburgh über Englische Literatur des 18. Jahrhunderts. Neben zahlreichen historischen Romanen verfasste sie auch Kinderbücher, Kurzgeschichten, Reiseberichte und Drehbücher und arbeitete als Journalistin und Produzentin für Fernsehen und Radio. Sie lebt in Nordengland.
Meine Meinung:
„Die Hofnärrin“ ist ein Buchtitel, der in die aktuell so beliebten „Die ...in“ - Schemata passt. Die Vorstellung, dass es einen weiblichen Hofnarren gegeben haben soll, mutet doch sehr ungewöhnlich an, insofern stellt sich die Frage, ob es so etwas gab. Tatsächlich gab es eine Hofnärrin namens Thomasina, die sowohl am Hof der Königin Mary Tudor als auch ihrer Schwester Königin Elizabeth I. gedient hat. Diese Tatsache inspirierte Philippa Gregory zu ihrem historischen Roman „Die Hofnärrin“, im Original unter dem Titel „The Queen’s Fool“ erschienen.
Winter 1553, Die junge Jüdin Hannah flieht an der Seite ihres Vaters vor der Inquisition von Spanien nach England. Ihr Weg scheint vorgezeichnet. Sie hilft ihrem Vater in dessen Buchhandlung und Druckerei und als Marranin, d.h. als zum Christentum konvertierte Jüdin, ist sie bereits einem anderen Marranen versprochen. In ihres Vaters Geschäft lernt Hannah Robert Dudley kennen, der sie als Junge verkleidet in den Hof der Tudors einführt. Zunächst dient Hannah dem kranken König Edward, doch bald wird sie an den Hof von Prinzessin Mary geschickt, um diese auszuspionieren. Immer wieder setzt Robert Hannah, die ihm in schwärmerischer Liebe verbunden ist, für seine Ränkespiele ein, die er im Rahmen des unerbittlichen Machtkampfes zwischen Mary und ihrer Halbschwester Elizabeth schmiedet. Schnell ist Hannah gefangen in einem Netz aus Intrigen, Verrat und Ketzerei, aber auch Verantwortung, Pflicht und Liebe, das es ihr schwer macht, ihren Weg zu finden und eine Entscheidung zwischen einem sicheren Leben und der Erfüllung eigener Wünsche und Sehnsüchte zu fällen.
Die Erzählung des Machtkampfes zwischen Mary Tudor und Elizabeth aus Sicht eines Hofnarren ist, obwohl für weitere historische Persönlichkeiten auch schon in anderen Romanen angewandt, durchaus reizvoll, insbesondere weil die junge Hannah zunächst Mary Tudor kennen lernt und diese im Gegensatz zu sonstigen Darstellungen als Sympathieträgerin gezeigt wird. Hier geht die Autorin durchaus sehr weit, da „Bloody Mary“ für ihre späteren Erlasse schon fast entschuldigt wird. Elizabeth hingegen wird eher als missgünstige, ständig intrigierende Verführerin, die skrupellos ihre Sexualität auslebt, präsentiert. Aus der Sicht der heranwachsenden Hannah Green mag das auch durchaus ein Eindruck sein, zu dem sie kommen kann. Politische Hintergründe der Geschehnisse dieser Zeit werden leider zum Teil ausgeblendet oder nur angerissen.
Die Leser lernen Hannah Green als Kind kennen und erlebt das Aufwachsen und Reifen dieses cleveren, sympathischen und natürlich oft auch unsicheren und wankelmütigen Mädchens kennen. Leider zeigt sich in der Geschichte von Hannah auch eine gravierende Unglaubwürdigkeit Philippa Gregorys Erzählung. Kaum kommt Hannah an Mary Tudors Hof empfindet sie eine starke Zuneigung sogar Liebe zur Königin wie auch später zu Elizabeth. Beide bewundert sie aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften. Unerklärlich ist es allerdings, dass sie Mary Tudor auch in der Phase weiterhin dient, in der aufgrund der Erlasse von Queen Mary Andersgläubige gefoltert und verbrannt werden, obwohl Hannahs Mutter selbst ein Opfer der Inquisition wurde.
Trotz der oben aufgeführten inhaltlichen Schwächen des Romans, versteht es Philippa Gregory mit ihren erzählerischen Fähigkeiten die Leser gefangen zu nehmen und über einige Passagen, die Längen aufweisen, hinweg zu führen. Und so hoffe ich zu erfahren, wie die Geschichte um Elizabeth, Robert Dudley, dem Alchemisten John Dee weitergeht und ob Hannah uns auch hier wieder begleiten wird. In „The virgin’s fool“ hat die Autorin die Geschichte von der Hofnärrin wohl weiter erzählt, und ich hoffe, dass auch diese Fortsetzung in deutscher Übersetzung erscheinen wird.
„Die Hofnärrin“ ist ein farbenprächtiger historische Roman über die Tudor-Zeit, der zwar einige erzählerische Schwächen, aber durchaus interessante Perspektiven hat. Trotz einiger Längen macht es Spaß das Heranwachsen und Reifen der sympathischen Protagonistin Hannah Green in ihrem Umfeld zu verfolgen.