'Die Holocaust-Industrie' - Seiten 001 - 047

  • Diese Passage scheint mir sehr bezeichnend zu sein:


    "Meine Eltern fragten sich oft, weshalb mich Verfälschung und Ausbeutung des Völkermords der Nazis so empörten. Der Hauptgrund ist der: Man hat ihn dazu benutzt, die verwerfliche Politik des israelischen Staates und die amerikanische Unterstützung für diese Politik zu rechtfertigen."


    Nach der Lektüre dieser Passage drängen sich sofort folgende Fragen auf:


    1. Geht es Finkelstein wirklich um das Thema "Ausbeutung des Holocaust" oder geht es ihm in erster Linie um den Staat Israel, um die Politik dieses Staates Israel?


    2. Kocht nicht auch Finkelstein hier sein eigenes Süppchen, etwas, was er anderen zum Vorwurf macht?


    Gleich zu Beginn fällt der provokante Ton dieses Buches auf, polemisch ist er ja, dieser Finkelstein. Aber wahrscheinlich kann man ein solches auch nur schreiben, wenn man provoziert und wenn man ein wenig überzeichnet.


    Und diese Frage beschäftigt mich ganz besonders:
    Hätte auch ein "Nichtjude" ein solches Buch schreiben können/dürfen? Für mich mich habe ich dazu noch keine Antwort gefunden.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Erstmal ist es ganz offensichtlich das Buch eines Amerikaners an Amerikaner und kritisiert diese und ihr Verhalten.


    Wenn die Zahlen in der Einführung stimmen, dass Milliarden in die "Projekte" geschoben werden, aber nur Tausende für die Gesundheitspflege Überlebender verwendet werden, dann ist das ein Skandal, der benannt werden muß- egal aus welchen Motiven.


    Das Zitat, das du hier hinterfragst, steht auch in einem weiteren Zusammenhang, in dem Finkelstein seine Motive und die Entstehung erklärt, ich würde also bis jetzt (Seite !- XXII und - S. 23).


    Bezeichnend fand ich auch die Beschreibung der Einstellung der Eltern und deren Erlebnisse- es hat sich niemand für sie und ihr Leiden interessiert. Das Leiden des Einzelnen ist häufig völlig als unbedeutend dargestellt- dabei ist die Verarbeitung des Leides gerade an der abstrakten hohen Zahl gar nicht möglich, so dass gerade Neonazis sich an den hohen Zahlen abarbeiten- Einzelfallschilderungen, ob in Literatur oder Film, haben aber vieles bewirkt- man denke nur an die Fernsehserie in den siebzigern (oder war das achtiger Jahre?) über den Holocaust.


    Natürlich kocht Finkelstein- wie jeder Autor, sein eigenes Süppchen- die Ansicht es sei wenig hilfreich für die Weltgemeinschaft einen überhöhten Holocaust zu "erfinden" und all die anderen Genozide unter den Teppich zu kehren- sei es der Genozid der Deutschen an Roma und Sinti, sei es die Behandlung der ameikanischen Ureinwohner, oder die der australischen, oder der mexikanischen, oder, oder, oder Türkei- Armenien, Irak- Kurden, Türkei- Kurden, Sudan, Biafra,..........

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Ich habe heute Nacht versucht, anfangen zu lesen - hat aber nicht weit gereicht (von wegen Müdigkeit und so). Und ich werde vermutlich erst heute Nachmittag wieder Zeit zum Lesen haben.


    Schon nach den ersten Sätzen des Vorwortes frage ich mich, worauf ich mich da eingelassen habe. Fast könnte ich „Angst vor der eigenen Courage“ bekommen. Nun ja, dann gehe ich es mal an und hoffe auf sachliche Diskussionen, die mir helfen, sich diesem schwierigen Thema in adäquater Form zu nähern, und dabei noch etwas zu lernen. Denn, um das voraus zu schicken, dieses ist meine Motivation, dieses Buch in einer Leserunde zu lesen. Später mehr.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich habe grade das Vorwort zur deutschen Ausgabe beendet und muß sagen, daß es mir wie SiCollier geht - ich bekomme auch ein wenig Angst vor der Thematik, vor allem ob der Brisanz, die in ihr steckt.


    Nicht alles, was im Vorwort erscheint, verstehe ich auf Anhieb, auch die vielen Anmerkungen fördern den Lesefluß nicht wirklich, aber soweit ich es verstehe, unterstellt Finkelstein den großen jüdischen Hilfsorganisationen, die eigentlich Geld für die Opfer sammeln sollte, zuallererst in die eigene Tasche zu wirtschaften. (Bitte nicht an der eher vereinfachenden Zusammenfassung stören, ich muß das erstmal sortieren und denke, daß Finkelstein das im weiteren Verlauf noch ausführlicher erläutern wird)


    Ich denke, daß dieses Buch sicherlich auch ein Nichtjude hätte schreiben können - dieser wäre aber sofort mit dem Stempel "Antisemit" versehen worden und hätte damit der rechten Szene sicherlich in die Hände gespielt! Daß dieses Buch von einem Juden verfaßt wurde, ändert aber letzten Endes nichts an der Aussage, daß das Leiden der Juden systematisch ausgenutzt wird. Inwieweit dies das Andenken an die Opfer "beschmutzt" kann ich so nicht sagen.


    Zur Motivation, ich bin bei diesem Thema sehr zwiegespalten, ich denke, es ist für uns "Deutsche" sicherlich schwierig, sich unvoreingenommen zu äußern, andererseits hat meine Generation (Jahrgang 1973) mit dem Holocaust an sich nichts mehr zu tun und manchmal habe ich den Verdacht, daß wir trotzdem moralisch und finanziell geschröpft werden und damit unser Gewissen beruhigen sollen. Inwieweit das gerechtfertigt ist, nach so langer Zeit noch für etwas Hilfe zu leisten, sei es materiell oder psychisch, das nicht mehr in meiner Macht liegt oder je lag, sei dahingestellt.


    Auch ich hoffe auf eine sachliche Diskussion um das Thema eingehender zu beleuchten.


    Edit: Buch angefügt, das in diesem zusammenhant sicherlich auch interessant ist und im Buch erwähnt wird.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

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  • Zitat

    Original von Caia
    Kurze Verständnisfrage: Meint Finkelstein mit dem Junikrieg 1967 den Sechstagekrieg???


    Ja.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Danke, @ Voltaire :wave


    Edit: Und der Oktoberkrieg ist der Jom Kippur Krieg, für diejenigen, die nicht so fit in israelischer Geschichte sind... Ich mußte das erstmal nachlesen

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

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  • Diese Stellen sind mir beim Lesen aufgefallen:


    S. 9: Aus dieser scheinbar bestechenden Opferrolle erwachsen beträchtliche Dividenden - insbesondere die Immunität gegenüber Kritik, wie berechtigt sie auch sei.


    Peter Novick - der Name sagt mit irgendwas. Nach Befragung meines Bücherregals zum Thema „Politik“ finde ich dort: „Nach dem Holocaust“ - eben jenes Buch, welches Finkelstein erwähnt. Ich entsinne mich dumpf, daß es damals eine Riesendiskussion um diese Bücher gab; drum habe ich sie ja auch gekauft. Nur halt noch nicht gelesen.


    Seite 14: Vor langer Zeit hatte John Stuart Mill erkannt, daß Wahrheiten, die nicht ständig hinterfragt werden, schließlich „nicht länger als Wahrheit wirken, weil sie durch Übertreibung zur Unwahrheit werden.“
    Da ist was dran - darüber muß ich mal nachdenken. Und es fallen mir in diesem Zusammenhang mehr Dinge als nur Politik ein.


    Nach dem Ende des Vorwortes bin ich, ja was nun - nachdenklich, irritiert? Auf den ersten Blick, ohne es noch weiter hinterfragt zu haben, spricht Finkelstein in gewisser Weise das aus, was ich schon seit langem denke, aber mich eben nicht auszusprechen getraut habe.


    Es verspricht, eine interessante Lektüre zu werden.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Voltaire
    Nach der Lektüre dieser Passage drängen sich sofort folgende Fragen auf:


    1. Geht es Finkelstein wirklich um das Thema "Ausbeutung des Holocaust" oder geht es ihm in erster Linie um den Staat Israel, um die Politik dieses Staates Israel?


    2. Kocht nicht auch Finkelstein hier sein eigenes Süppchen, etwas, was er anderen zum Vorwurf macht?


    Zu 1: Der Gedanke liegt nahe; das wird sich im Verlauf des Buches noch klären lassen - hoffe ich.


    Zu 2: Tut das nicht in gewisser Weise jeder, und gerade und vor allem bei so einem, will mal sagen, schlagzeilenträchtigen Thema?



    Zitat

    Voltaire
    Und diese Frage beschäftigt mich ganz besonders:
    Hätte auch ein "Nichtjude" ein solches Buch schreiben können/dürfen? Für mich mich habe ich dazu noch keine Antwort gefunden.


    :write (Ich bin fast froh, daß er ein Jude ist, dessen Eltern den Holocaust der nahe miterlebt haben. Das erleichtert mir etwas das Herangehen an dieses diffiziele Thema.)



    Zitat

    Beowulf
    Bezeichnend fand ich auch die Beschreibung der Einstellung der Eltern und deren Erlebnisse- es hat sich niemand für sie und ihr Leiden interessiert.


    Das deckt sich mit meiner Erfahrung: je länger der Krieg vorbei ist, um so mehr kocht dieses Thema hoch. Und um so höher werden die Zahlungsforderungen. Es gab mal eine TV-Serie über den Holocaust; die habe ich nicht gesehen, aber ich meine mich doch zu erinnern, daß das ganze damit erst so richtig los ging. Will sagen, bis zu diesem Zeitpunkt war der Holocaust (das Wort wurde meiner Erinnerung nach auch erst durch diese Serie geprägt) nirgendwo ein Thema.


    Es gab in der Menschheitsgeschichte unzählige Völkermorde aus verschiedenen Gründen heraus. Einen davon hat die USA begangen - ich empfehle in Stunden mit starken Nerven sich mal mit den Indianerkriegen zu beschäftigen - die stehen in Grausamkeit denen des Naziregimes in nichts nach. Aber nur dieser eine - die Vernichtung der Juden im 3. Reich - ist weltweit ein Thema. Und wird immer wieder zu allem möglichen benutzt. In der Leserunde zu „Der letzte Harem“ hatten wir ja auch gerade die Erkenntnis, daß die Geschichte von den Siegern geschrieben wird.


    Und genau das empfinde ich persönlich bei dieser Thematik auch.


    Zitat

    Caia
    Zur Motivation, ich bin bei diesem Thema sehr zwiegespalten, ich denke, es ist für uns "Deutsche" sicherlich schwierig, sich unvoreingenommen zu äußern, andererseits hat meine Generation (Jahrgang 1973) mit dem Holocaust an sich nichts mehr zu tun und manchmal habe ich den Verdacht, daß wir trotzdem moralisch und finanziell geschröpft werden und damit unser Gewissen beruhigen sollen. Inwieweit das gerechtfertigt ist, nach so langer Zeit noch für etwas Hilfe zu leisten, sei es materiell oder psychisch, das nicht mehr in meiner Macht liegt oder je lag, sei dahingestellt.


    Danke und :write (Ich selbst bin zwar Jahrgang 1958, aber damit auch immerhin 13 Jahre nach Kriegsende geboren.) Andererseits habe ich in einem theologischen Buch über die Erbsünde einmal genau diesen Vergleich, daß - verkürzt gesagt - wir (heutigen Deutschen) für den Holocaust auch die Verantwortung und die Folgen tragen müssen gefunden als eine Begründung für die Erbsünde. (Bzw. die Holocaust-Thematik wurde als Begründung, weshalb wir die Folgen der Erbsünde tragen müssen, angeführt.)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin nun mit dem ersten Abschnitt fertig und habe mit diesem Kapitel ein Problem, das ich nicht nur mit diesem Buch hätte, sondern mit jeder vergleichbaren Publikation- die Argumentation ist mir zu monokausal.


    Den Sieg des Jahres Israels 1967 als quasi einziges Argument für den Wandel der Betrachtung und das Aufleben der "Holocaust - Industrie" heranzuziehen- ich mag allle monokausalen Betrachtungsweisen nicht. In Europa kam die Diskussion unter dem Motto "Papa was hast du gemacht", "Herr Professor wer sind sie mich zu belehren" in der 68er Bewegung auf- die Jahre davor wurde das Thema verdrängt, erst Kriegsschäden beseitigen, Aufbau, Wirtschaftsausschwung und über "die da" spricht man nicht- nimmt sie nicht wahr und mißachtet daher weiter. Dazu das untenstehende Buch, das jüdisches Leben im Hamburg 1967 beschreibt.


    Die Serie Holocaust macht erstmals Betroffenheit bei der deutschen Bevölkerung bemerkbar- gerade weil er Betroffenheit von Personen schilderte und nicht mehr von sechs Millionen sprach, sondern vom Schicksal einer Familie. Dazu ein Link des WDR über den Vierteiler des Jahres 1979 und seine Wirkung.

  • Danke für die Links, denen ich später mal ausführlich nachgehe.


    Zum Stichwort "1967" nur so ein Gedanke: vielleicht handelt es sich um ein "zufälliges" Zusammentreffen zweier voneinander eigentlich unabhängiger Ereignisse?



    Zitat

    Beowulf
    (...) ich mag allle monokausalen Betrachtungsweisen nicht.


    Da haben wir was gemeinsam.



    Wegen einer, sagen wir, gesundheitlich eher ungünstigen Entwicklung in der Familie, worauf ich hier nicht näher eingehen will, komme ich zwar zum Lesen, wohl aber erst heute Nachmittag oder Abend zum Schreiben und Posten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mir erscheint diese einseitige Betrachtung auch etwas einfach, ich denke, daß es wesentlich schwieriger und komplexer zusammenhängt.


    Beo, danke für die Links, werde ich mir mal ansehen.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Es gab in der Menschheitsgeschichte unzählige Völkermorde aus verschiedenen Gründen heraus. Einen davon hat die USA begangen - ich empfehle in Stunden mit starken Nerven sich mal mit den Indianerkriegen zu beschäftigen - die stehen in Grausamkeit denen des Naziregimes in nichts nach. Aber nur dieser eine - die Vernichtung der Juden im 3. Reich - ist weltweit ein Thema. Und wird immer wieder zu allem möglichen benutzt.


    Es mag sein, dass die Morde während der Indianerkriegen den Nazigreueln in nichts nachstanden und dass es im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Völkermorden überall auf der Welt gegeben hat, aber eines macht gerade diesen Massenmord an den Juden so einzigartig: Und das ist diese bürokratische Eiseskälte mit der Menschen ermordet wurden. Fabrikmässiger, emotionsloser Mord. Das ist das, was mich ganz persönlich immer wieder neu erschreckt und das was ich bis heute genaugenommen nicht richtig begriffen habe.


    Ich bin mir zudem auch nicht sicher, ob man diese verschiedenen Völkermorde überhaupt miteinander vergleichen kann, ob man sie in Beziehung zu einander setzen kann.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Zum Stichwort "1967" nur so ein Gedanke: vielleicht handelt es sich um ein "zufälliges" Zusammentreffen zweier voneinander eigentlich unabhängiger Ereignisse?


    Das vermute ich auch. Ich kann es mir nicht vorstellen, daß einzig aufgrund des Sechstagekriegs und der Erstarkung Israels auf einmal eine riesige Maschinerie in Gang gesetzt wird, um aus dem Leiden der Juden Kapital zu schlagen. Natürlich wäre es ein Zufall, aber andererseits erscheinen mir die Beweise, die Finkelstein anführt, nicht besonders schlüssig.


    @ Voltaire, ich denke, die Massenvernichtung auch an anderen Völkern ist ähnlich emotionslos und kalt gewesen, aber der Holocaust ist einfach derjenige, der am nächsten dran ist/war und damit immer noch die meisten Auswirkungen gerade auf uns Deutsche hat. Aber ob man jetzt den Holocaust unbedingt mit den anderen Völkermorden, sei es in Ruanda, Armenien, Bosnien oder den USA, vergleichen kann, halte ich auch für mehr als fraglich.


    Fakt ist, daß jeder Völkermord an sich zu viel ist - und daß jeder sicherlich aus teilweise ähnlichen, aber doch verschiedenen Motiven zustande gekommen ist.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
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  • Diesen ersten Teil habe ich durch. Tja, und nun?


    Zunächst mal ist dieses:

    Zitat

    Beowulf
    Erstmal ist es ganz offensichtlich das Buch eines Amerikaners an Amerikaner und kritisiert diese und ihr Verhalten.

    auf jeden Fall richtig und zutreffend, Europa kommt kaum vor. Es scheint, als ob er vor allem seine eigenen Landsleute erreichen will.


    Auf der anderen Seite spricht er vieles aus, was ich mich, sagen wir, schlicht nicht zu denken getraut habe.


    Wenn es stimmt, daß nach dem Krieg 1967 Israel wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhielt als vorher (vgl. Seite 29), gibt die Argumentation schon zu denken.


    Warum wurde DER HOLOCAUST nicht schon nach dem Krieg von 1948 zu einem Brennpunkt des jüdischen Lebens in Amerika? (Seite 33)
    Wenn man die Jahreszahl „1948“ durch „1945“ ersetzt, hat man genau die Frage, die mich seit vielen Jahren bewegt und auf die ich keine Antwort finde.


    Und Seite 46 heißt es: Am offensichtlichsten ist, daß man mit der Berufung auf historische Verfolgung aktuelle Kritik abwehrte. Etwas, was allerdings stimmt; denn wer traut sich schon, öffentlich Kritik an Israel oder den Juden zu üben?



    Zitat

    Voltaire
    aber eines macht gerade diesen Massenmord an den Juden so einzigartig: Und das ist diese bürokratische Eiseskälte mit der Menschen ermordet wurden. Fabrikmässiger, emotionsloser Mord.


    Das ist richtig, und Du hast recht: das ist ein Unterscheidungskriterium für alle im Laufe der Geschichte geschehenen Völkermorde, die den an den Juden durch das 3. Reich einzigartig (im Sinne von „nur ein Mal vorgekommen“) macht.


    Völkermorde vergleichen kann bzw. sollte man gewißlich nicht. Was mir nur immer wieder auffällt, ist daß derjenige an den Juden der einzige ist, der über längere Zeit ein Thema ist, je länger vorbei um so mehr, und daß er m. W. so ziemlich der einzige ist, der relevante Wiedergutmachungszahlungen zur Folge hatte. (Wobei man einen Mord nicht wirklich "wieder gut machen" kann; tot ist tot - da hilft auch kein Geld mehr.) Wir hatten bei Prange gerade den an den Armeniern, mit dem an den Indianern habe ich mich halt vor drei Jahren intensiver beschäftigt, und Beowulf hat ja schon ein paar weitere Stichworte dazu genannt. Aber von denen spricht niemand mehr, man darf sogar offiziell leugnen (Armenien, siehe auch die Pressemeldungen dazu vor ein paar Tagen).



    Zitat

    Caia
    Fakt ist, daß jeder Völkermord an sich zu viel ist (...)


    :write Ich denke, daß wir darin alle übereinstimmen.

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    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Habe es jetzt auch geschafft das erste Kapitel durchzulesen,was nicht so einfach war, weil ich dieses ganze Hintergrundwissen amerikanischer/europäischer Juden nicht kannte.


    der letzte Absatz des Kapitels:
    So,wie die Israelis , von den Vereinigten Staaten bis an die die Zähne bewaffnet, aufsässige Palästinenser mutig in Ihre Schranken wiesen, wiesen auch die amerikanischen Juden aufbegehrende Schwarze in ihre Schranken


    Haben Sie nichts gelernt? das zeigt ein ziemlich schwaches Bild von den amerikanischen Juden. Gibt es für so ein Verhalten eine Erklärung?


    Auch ich denke, dass man die verschiedesten Massenmorde nicht mit dem Holocaust vergleichen kann, denn hier war es Länder übergreifend.
    Mittlerweile denke ich dass die Juden für Hitler eine wirkliche Bedrohung darstellte. Denn dort saß dass Geld und die Intelligenz. Die Juden hätten seinen Plan von Germania vielleicht zum Wanken gebracht.


    Ich hatte immer gedacht dass die Juden egal in welchem Land sie leben zusammenhalten und ein gemeinsames Schicksal sie verbindet aber so kann man sich täuschen.

  • Zitat

    Original von Vanity


    Ich hatte immer gedacht dass die Juden egal in welchem Land sie leben zusammenhalten und ein gemeinsames Schicksal sie verbindet aber so kann man sich täuschen.


    Wer sind die Juden?


    Das fängt schon mit der schwierigen Frage an - Wer ist Jude? So einfach wie im Christentum mit Taufe ist es nicht getan- da gibt es große Konflikte zwischen verschiedenen jüdischen Gruppen.


    Zum Anlesen in einfacher Form zu empfehlen ist dazu die Krimireihe von Harry Kemelman über Rabbi Small.


    Aber auch Christen hauen sich bekanntlich nicht nur in Nordirland. Die katholische und die griechisch - orthodoxe Kirche nähern sich langsam wieder an, nachdem die griechische Kirche das Trauma der Kreuzzüge mit dem Blutrausch auf dem Balkan mit vielen tausend toten Christen und die Eroberung Jerusalems mit dem Gemetzel auch an den christlichen Bewohnern und Mönchen vor fast 1000 Jahren langsam überwindet.


    edit: das kommt davon, wenn man Autoren aus dem Gedächtnis zitiert, deren Bücher man vor 20 Jahren gelesen hat- aber immer noch als gut im Gedächtnis.

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    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Beowulf
    (...). da gibt es große Konflikte zwischen verschiedenen jüdischen Gruppen.


    Das trifft, fürchte ich, so ziemlich auf alle religiösen, politischen oder sonstwie größeren Gruppen zu.


    Die Deutschen gibt es ja auch nicht - schaut man sich nur mal die verschiedenen politischen Lager an. Also ich würde mich erheblich wehren, z. B. mit Oscar Lafontaine in einen "Topf" geworfen zu werden - aber trotzdem sind wir beide Deutsche. Oder m. W. gibt es in Deutschland 22 selbständige evangelische Landeskirchen, und unzählige sog. Freie Kirchen bzw. Gemeinden, nicht zu vergessen die römisch-katholische, die Altkatholiken, ach ja, und die Anhänger von Lefebvre. Von den Christen zu sprechen, funktioniert also nicht, denn die Unterschiede zwischen den genannten Gruppen sind teilweise fundamental (im wahrsten Sinne des Wortes).


    Unabhängig davon glaube ich persönlich allerdings nicht, daß die Juden wirklich eine Bedrohung darstellten - weder im 3. Reich noch vorher. Aus historisch bedingten Gründen waren sehr viele Juden zu Reichtum gekommen - Neid war vermutlich eine Sache, die da auch stark mit hineinspielte. (Und Neid ist ein starkes Handlungsmotiv.)


    Diese Komplexität des Themas macht es ja so schwierig.


    Edit. Schreibfehler berichtigt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
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