Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat - Pierre Bayard

  • Ich wollte das auf meine hiesige Wunschliste setzen, aber keiner hier hat es gelesen, und jetzt muss ich glatt...
    eine rezi verfassen, ohne es selbst gelesen zu haben :wow


    :grindrum geh ich jetzt nochmal schauen wo ich die fixe idee herhab, das buch sei unverzichtbar und warum ich es wirklich brauch, und ganz unverschämt fremde inhalt-federn klauen...


    :-]Der artikel, der mich überzeugte, ich müsse dieses Buch unbedingt lesen, stammt von: Michael Freund, aus ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 13.10/14.10.2007 und liest sich mangels erstellbarem direkt-link einfach hierunten einkopiert :grinwiefolgt:


    Anleitung zum Illiteratentum
    Bücher sind nicht wichtig: Die Arbeit eines Rezensenten kann so einfach sein
    Wie kann man über Bücher schreiben, die man nicht gelesen hat? Das sollte kein Problem sein, das geht auf, sagen wir mal, 51 Zeilen. Bitte sehr:


    Zu den Schwierigkeiten eines literarisch interessierten Menschen zählt, dass er ständig von mehr Büchern umgeben ist, als er lesen kann. Das fand auch der französische Literaturprofessor Pierre Bayard, der von Beruf wegen dauernd lesen sollte und dessen Bücherberg ständig anwuchs. Irgendwann gab er die Sisyphusarbeit, diesen Berg abzutragen, auf, wobei ihm klar wurde, dass ihn das in Verlegenheit bringen könnte, wenn seine Studenten merken sollten, dass er ein bestimmtes Werk, über das er vortrug, gar nicht kannte.


    Allerdings ging er davon aus, dass diese das Buch sowieso auch nicht gelesen haben würden. Und so reifte in ihm die Erkenntnis, dass hier eine gesellschaftliche Regel wirksam und zugleich ein Tabuthema ist; nämlich dass Leute ständig über Bücher reden, die sie nicht oder kaum kennen. Und er machte daraus – ein Buch.


    Bayard verfasste eine Anleitung, wie man über Ungelesenes stets so fachsimpeln kann, als wäre man der Beschlagensten einer. Er gab hiermit "seine fundierte Erfahrung als Nichtleser weiter". Und er wäre nicht Professor, wenn er nicht seinerseits ein systematisch einteilendes, rundum schlagendes und zugleich – man wagt es kaum zu sagen – lesenswertes Werk vorgelegt hätte. Fast zeitgleich mit dem französischen Original ist es vor kurzem bei Kunstmann in München erschienen.


    "Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat" geht von der Annahme aus, dass es kanonische Texte gibt, über die man versiert reden können muss, wenn man sich nicht blamieren will. Aber muss man sie deswegen auch wirklich gründlich konsumiert haben? Keineswegs, sagt der Professor. Von Geld und Sexualität abgesehen, werde in wenigen Bereichen so viel Scheinheiligkeit praktiziert wie bei der Belesenheit.


    Es sei aber in der Tat viel zielführender – so Bayards zentrale These – ein Buch nicht zu kennen, um darüber intelligent zu reden. Wobei Nichtlesen für ihn eine differenzierte Angelegenheit ist, zu der auch Vergessen, Querlesen und Herumblättern gehört. Ferner gibt er Anleitungen, wie sich Plaudereien über Unbekanntes am besten gestalten lassen.


    Zu alldem hat der Autor ein System entwickelt, mit dessen Hilfe er genau ausweist, was er alles nicht gelesen hat und trotzdem beiläufig oder mit Emphase zitiert. Zum Beispiel den "Mann ohne Eigenschaften" gleich zu Beginn oder Joyces "Ulysses" ("Werde ihn wahrscheinlich auch nie lesen"). Hier kokettiert Bayard allerdings mit seiner angeblichen Bildungsferne. Zumindest muss er ja das musilsche Exempel des absolut bücherabstinenten Bibliothekars von irgendwoher kennen, wenn er es so versiert einführt.


    Dass wir die "überwältigende Mehrheit der Bücher sowieso nie lesen", stimmt zwar. Aber bei der Lektüre seiner Anleitung zum Illiteratentum beschleicht einen dennoch der Zweifel, ob Bayard nicht doch um einiges mehr gelesen hat als nur die Kataloge und Sekundär- und Tertiär-Digests der Literatur. Oder er ist wirklich der einzig Ehrliche. Dann mögen sich viele andere ebenfalls outen.


    Na also, das war wirklich nicht schwer. Material der vorangegangenen Rezension war eine unkorrigierte Leseprobe, die mir der Kunstmann Verlag geschickt hatte und aus der ich mir den Waschzettel, die siebeneinhalb Seiten Vorrede und ein paar Fußnoten aus dem ersten Kapitel zu Gemüte führte; nicht einmal eine im Standard bereits veröffentlichte Kurzrezension habe ich mir vor Augen gehalten, von Google oder Amazon ganz zu schweigen. Das mittlerweile erschienene komplette Buch hab ich nie auch nur aus der Ferne gesehen, es fällt also in die bayardsche Kategorie UB (unbekanntes Buch). Stolz möchte ich darauf verweisen, dass es lediglich eines wenig gesunden Menschenverstandes und ein paar treffender Zitate bedarf, und fertig ist die Buchkritik.


    Man hätte sie durch die Anhäufung von ein paar weiteren zünftigen Stellen verlängern können (wie wäre es mit: "… unsere Beziehung zu Büchern ist ein obskurer, von Bruchstücken der Erinnerung heimgesuchter Raum"?) und damit bald bundesdeutsche bzw. Neuzürcher Feuilleton-Länge erreicht. Man hätte auch zum französischen Original greifen können – nein, nicht, um es zu lesen, aber um mit der einen oder anderen, sozusagen en passant eingeflochtenen Bemerkung ("ein wahrer homme de lettres" etwa oder "à la recherche" von irgendetwas) Weltläufigkeit zu demonstrieren und sich als Kritiker etwas unanfechtbarer zu machen.


    Allerdings sollte man sich als Rezensent keinen Illusionen hingeben. Über ein nicht gelesenes Buch mehr als gerade einmal ein paar Dutzend Zeilen zu schreiben und wirklich zu wissen, wovon man redet – das erfordert wohl so viel Kunstfertigkeit, dass es einfacher ist, das Buch zu lesen. Man strapaziert dadurch auch etwas weniger die Geduld der Leser, denen gewisse Ähnlichkeiten zwischen Sätzen in der Buchkritik und in den Waschzetteln doch mit der Zeit auffallen. Wie aber "im Gesellschaftsleben, einem Lehrer gegenüber, dem Autor gegenüber, dem oder der Liebsten gegenüber" (das sind alles Kapitel aus dem besprochenen Band) länger dauernde Erörterungen von Nichtgelesenem dennoch möglich sind, darüber soll Professor Bayard ja in seinem neuen Werk einiges Brauchbare geschrieben haben. Vielleicht lese ich es wirklich einmal. (Michael Freund, ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 13.10/14.10.2007)


    :gruebelMan sieht, auch der obige rezensent hat es nicht gelesen. Es scheint also das schicksal dieses buches zu sein, ein ungelesenens buch zu bleiben, und dafür nur umso fleissiger diskutiert zu werden... :lache
    :schaemSo, und ganz erbläut vor scham schenk ich mir dafür nochmal selbst einen Caipi ein, und präsentiere ganz unverschämt und trunken meinen Miteulen das geklaute:
    :picheln :wein :rum

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Zitat

    Man sieht, auch der obige rezensent hat es nicht gelesen. Es scheint also das schicksal dieses buches zu sein, ein ungelesenens buch zu bleiben, und dafür nur umso fleissiger diskutiert zu werden...


    :write :write :write

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Vermutlich ist dem Autor egal ob alle Käufer sein Buch auch lesen, wenn es nur so viele sind, dass darüber gesprochen wird und es deshalb nochmehr Menschen kaufen.


    edit: Ich dachte das wäre ein Sachbuch :grin, wie kommst du zur Einteilung :gruebel, wenn du es nicht gelesen hast?

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Ich meine, einen literaturprofessor, der beschreibt, wie man es vermeidet bücher zu lesen kann man doch wohl nciht ganz ernst nehmen... ich seh das als satire

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


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    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Zitat

    Original von MagnaMater
    :-]Der artikel, der mich überzeugte, ich müsse dieses Buch unbedingt lesen, stammt von: Michael Freund, aus ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 13.10/14.10.2007 und liest sich mangels erstellbarem direkt-link einfach hierunten einkopiert :grinwiefolgt:


    Sag mal Magna... bist Du Dir sicher, dass Du den hier einfach so reinstellen darfst, so wegen Urheberrecht und Co.? :gruebel

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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  • @PL
    Nö, :grin aber die zeitung von vorgestern ist schon wieder altpapiermüll, die herkunft und die autorenschaft ist voll nachvollziehbar zitiert und der text unverändert.


    Die sollen froh sein, dass sie hier beworben werden, ist schon ärgerlich, dass man einzelne artikel aus der zeitungspage nicht verlinken kann, da sind sie ganz selbst schuld, wenn sie kopiert werden.


    Ich kann natürlich draus ein unverschämtes plagiat machen, wenn das bestellt wird, und sagen, es wäre ganz auf meinem eigenen mist gewachsen :grin


    In die richtung: in diesem werk erklärt ein literaturprofessor, der vor seinem sub aufgegeben hat, wie man es vermeidet bücher zu lesen, und doch darüber spricht...

    DC :lesend


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  • Zitat

    Original von beowulf


    Solange du das nur mit einem t und einem r schreibst bleibt es ein interessantes Buch.


    ich kann draus auch eine saatdürre machen, wenn dir das lyber yscht

    DC :lesend


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  • Mmh, eigentlich dürfte ich nicht viel schreiben über dieses Buch, da ich es nicht zu Ende gelesen habe.


    Es scheint wohl wirklich das Schicksal dieses Buches zu sein, nicht gelesen zu werden.


    Ich habe es wirklich versucht, aber auf den ersten Seiten wurde mir ja geraten einfach nicht mehr zu lesen, sondern nur über Bücher zu sprechen. So das habe ich auch getan. Ich spreche über dieses Buch und werde es nicht (weiter-)lesen. Warum auch? Ich will mich nicht wichtig tun, weil ich Buch xy gelesen habe, oder weil ich den Klassiker xy toll fand. Nein ich lese, weil es mir Spaß macht. Ich weiß nicht ob es ein paar Seiten später in dem Buch noch mal vorkommt, dass man Bücher auch aus Spaß lesen kann. War mir aber auch egal. Ich hoffe, dass der Autor noch aus Spaß lesen kann, wenn nicht tut er mir leid.


    Kurz um: Ich fand es blöd und habe mir selber den Gefallen getan und dieses Buch wieder zurück gelegt und mich einem Buch gewidmet was es wert ist gelesen zu werden. :lesend

  • Zitat

    Irgendwann gab er die Sisyphusarbeit, diesen Berg abzutragen, auf, wobei ihm klar wurde, dass ihn das in Verlegenheit bringen könnte, wenn seine Studenten merken sollten, dass er ein bestimmtes Werk, über das er vortrug, gar nicht kannte.


    Gibt es eine Statistik, wieviele Studenten vor und nach diesem veröffentlichten Eingeständisses, seine Vorträge besuchen. :lache

  • Ich habe das Buch soeben beendet. Ja, ich habe es tatsächlich gelesen :grin (okay, teilweise quergelesen, selbst Schuld der Mensch..).
    Mir hat es gefallen, auch wenn ich ganz sicher nicht zum kompletten Nicht-lesen übergehen werde, sondern mit meinem partiellen Nicht-lesen weiter machen werde. Was würde ich tun, ohne ab und an ein Buch in die hand zu nehmen? Pierre Bayard rät uns zwar uns trotzdem ohne Scham über Bücher zu unterhalten und selbst etwas zu schaffen, ich lese die Bücher, über die ich spreche trotzdem lieber.
    Allerdings habe ich natürlich auch schon über Bücher geredet, die ich nciht kannte, ich habe sogar schonmal eine Klausur über ein solches (Woyzeck, ich habe mir es aber hinterher zu Gemüte geführt!) geschrieben, aber ich will das nicht zur Gewohnheit werden lassen.
    Ein Buch, in dem sich bestimmt jeder (Nicht-)Leser wiederfindet.
    :wave

  • :grin Warum versteh ich das nicht-lesen bei Büchner und auch Kafka?
    Woyzeck hab ich im zweiten drittel kapituliert und im Prozess in der mitte, und hab dann nur noch quergelesen... ich musste aber damals in der schule arbeiten drüber schreiben... :rolleyes es blieb mir nix anderes übrig, als 'halb ungelesen' darüber zu sprechen... zumindest konnte ich sagen, dass weder die verwendeten stile, noch die geschichten mich sonderlich interessieren... und ich zu den geistigen zuständen der autoren keinen zugang hab. :grin

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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