Antonio Orejudo: Feuertäufer

  • Titel der Originalausgabe: Reconstrucción



    Inhalt (Kurzbeschreibung bei amazon)


    Eine der größten Überraschungen der spanischen Literatur der letzten Jahre: Im Gewand eines historischen Romans erzählt der junge Autor Antonio Orejudo eine höchst aktuelle Geschichte von Fanatismus und religiösem Wahn.


    Als Bernd Rothmann an diesem Sonntag des Jahres 1535 die Kanzel des Doms zu Münster besteigt, weiß sein Förderer Bischof Frederick noch nicht, dass er einen aufrührerischen Geist an seiner Brust genährt hat. Denn Bernd berichtet offen der begierig lauschenden Menge, wie er dem Bischof zu Diensten sein musste; er geißelt die verkommene Institution Kirche und ruft dazu auf, sie unbarmherzig niederzubrennen. Der Geist der Revolte hat in der Stadt wie in Europa bereits Fuß gefasst. In Münster scharen die Wiedertäufer die Unzufriedenen um sich. Eine Weile gehört Rothmann zu ihren führenden Köpfen. Doch angewidert von Blutrausch und Machtgier flüchtet er in eine ebenso leidenschaftliche wie gefährliche Liaison. Als die Katholischen die Stadt überrennen und alle Wiedertäufer niedermetzeln, bleibt Rothmann verschwunden. Jahre später, das Netz der Inquisition ist wieder dicht geknüpft, taucht eine gefährlich kluge Ketzerschrift auf. Die Kirche ist beunruhigt. Der französische Großinquisitor wendet sich an Joachim Pfister, der die Anführer des Aufstands gegen die katholische Kirche wie kein zweiter kennt. Er war einer von ihnen. Längst hat er sich an die Inquisition verkauft. Seiner Meinung nach lohnt es sich nicht, für eine Idee zu sterben. Doch dann begegnet er einem Mann, der ihn mit den Träumen von damals, dem Traum von einer freieren Welt und einem menschengerechteren Leben, konfrontiert. Joachim Pfister, der einst Bernd Rothmann war, bekommt eine zweite Chance.


    Autor (Klappentext)


    Antonio Orejudo, geboren 1963 in Madrid, verbrachte nach seinem Studium mehrere Jahre als Dozent für spanische Literatur an einer amerikanischen Universität. Er veröffentlichte bislang drei Romane, alle von der Kritik hoch gelobt und mit Preisen ausgezeichnet. "Feuertäufer" begeisterte in Spanien Kritiker und Leswer gleichermaßen. Mit diesem Roman wird Antonio Orejudo zum ersten mal in Deutschland vorgestellt.


    Meine Meinung


    Die Thematik des Buchs beschränkt sich nicht auf die Umtriebe der Wiedertäufer in Münster und die blutige Niederschlagung der wiedertäuferischen Revolte durch die Katholiken, tatsächlich ist die Erzählung über die Vorgänge in Münster nach 80 Seiten beendet. Danach macht die Geschichte einen Sprung um zwei Jahrzehnte: der Leser findet sich in Frankreich wieder, wo eine häresieverdächtige Schrift mit dem Titel "Christianismi restitutio" (Die Wiederherstellung des Christentums) aufgetaucht ist, die der Inquisition ein Dorn im Auge ist. Der ehemalige Wiedertäufer Bernd Rothmann, seinerzeit dem Gemetzel in Münster entkommen, der jetzt als Schriftgießer unter einer neuen Identität (Joachim Pfister) sein Leben fristet, wird vom französischen Großinquisitor Mathieu Ory "enttarnt" und dazu erpresst, den Verfasser der aufrührerischen Schrift zu ermitteln und der Inquisition zu überantworten. Im Folgenden nimmt der Roman Züge eines Krimis an, denn man verfolgt die systematischen Ermittlungen des Joachim Pfister. Es stellt sich heraus, dass die Schrift von Miguel Servet de Villanueva stammt, den Pfister zunehmend bewundert, je mehr er sich mit seinen zahlreichen Büchern beschäftigt.
    Im letzten Teil macht der Roman wieder einen Zeitsprung zurück, indem der Lebenslauf und die theologische Entwicklung Servetos beschrieben wird, am Ende steht die von Calvin veranlasste Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen (27.10.1553)


    Der Roman ist thematisch äußerst interessant, verlangt dem Leser aber einige Kenntnis der Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts ab. Es ist hilfreich, sich lektürebegleitend über Wiedertäufer, Calvinismus, etc zu informieren.
    Befremdlich finde ich die Sprache, die manchmal erschreckend modern ist und gar nicht in die erzählte Zeit passt (Bäcker werden als "Monopolisten" beschimpft, einem erfolglos Verliebten wird geraten "sich selbst einen runterzuholen" etc). Ich weiß nicht, ob (und warum) das vom Autor beabsichtigt ist, oder ob es dem Übersetzer anzulasten ist. Bisweilen wird in den Gesprächen auf Dinge Bezug genommen, die erst Jahrhunderte später entdeckt wurden (Blutkörperchen, Synapsen im Gehirn).
    Im ersten Teil sind auch die gelehrten Dispute verwirrend: es fällt schwer,den Überblick darüber zu behalten, wer gerade spricht, da der Text von wörtlicher Rede ohne Redebegleitsätze strotzt. Diese sprachlichen Besonderheiten haben mich gestört, ansonsten ist das Buch aber durchaus lesenswert, wenn man Zeit und Ruhe hat. Es ist sicherlich kein Buch für die Lektüre "nebenbei".