‚Bloß’ die Katze, sagt sie, still und bescheiden, wie sie auftritt. Sie ist so zurückhaltend, daß wir erst auf Seite 31 erfahren, daß sie auf den Namen Ilsebill hört. Für sie ist Ilsebill ohnehin nur ein Menschenwort, das in einem bestimmten Ton gesprochen wird. Der Ton ist wichtig, denn er sagt ihr, daß sie gemeint ist. Auf den Ton kommt es eben an bei Katzen. Das gehört zu den vielen Dingen, die uns Katze Ilsebill in diesem schmalen Büchlein erklärt.
Das Leben nach Ilsebill, sozusagen.
Und was für ein Leben! Da ist die Familie, Mama und Papa, wie Ilsebill sie der Einfachheit halber auch nennt, die beiden Großen und, au weia, das Baby, das Mama eines Tages vom Einkaufen mitgebracht hat. Ilsebill hätte ja darauf verzichten können, aber mehr noch auf den Hund. Hunde sind einfach, nun ja, Hunde. Wer eine gescheite Katze ist, lernt, damit umzugehen. Trotz des Lärms, den sie verursachen. Vom Geruch gar nicht zu reden, besonders an Regentagen.
Dabei ist ein Katzendasein unter Katzen auch nicht so einfach. Man muß z.B. seinen Platz auf der sonnigen Mauer verteidigen, mit Machos fertigwerden (von Zicken gar nicht zureden) und zusehen, daß man zu seinem Futter kommt. Obwohl Zebrafinken nicht so gut schmecken, wie sie aussehen. Aber so etwas kommt ja häufiger vor im Leben.
Ilsebill ist ein wache Beobachterin und wenn sie auch das Katzesein für die einzig wahre Lebensform hält, so bemüht sie sich doch um Toleranz. Auch wenn ihr das gerade anläßlich des Fests, das Weihnachten heißt, besonders schwer fällt. Aber Katze ist eben höflich und bemüht sich. Zum Schluß wird die Mühe sogar belohnt. Anstand lohnt sich eben doch. Auch wenn Mama und Papa und die zwei Großen das vielleicht anders sehen mögen.
Die Lebensansichten der Katze Ilsebill erfahren wir in sieben Kapiteln. Ilsebill nimmt kein Blatt vors Mäulchen. Gelegentlich kann sie recht scharfzüngig sein. Mit allem Anstand natürlich. Sie ist eine Dame, wohlerzogen und zurückhaltend. Dazu gehört auch, daß sie ihr Publikum durchgängig siezt. Eine ungewöhnliche Form der Anrede, aber ganz passend für eine Katze. Schließlich kennt sie diejenigen nicht, an die sie sich wendet und Fremden wirft man sich nicht einfach an den Hals.
Diese sehr humorvoll und gescheit erzählte Geschichte ist von Hildegard Müller hinreißend illustriert, mit großen und kleinen Schwarz-Weißzeichnungen von Hunden und Menschen und vor allem von Ilsebill. Sie erscheint nicht nur auf den Bildseiten, sondern auch über und unter und zwischen dem Text, in den Ecken und an den Seitenrändern, verdutzt, staunend, grübelnd, vorwurfsvoll und nachsichtig. Das Anschauen macht ebensoviel Spaß wie das Lesen.
Übrigens ist es ein Buch, das man unbedingt aufgeklappt, mit den bedruckten Seiten nach unten, vor sich auf den Tisch legen sollte. Die Titelzeichnung von Ilsebills Kopf und Oberkörper setzt sich nämlich nach hinten hin fort, besser gesagt, die Katze erstreckt sich in ihrer Gänze von der Rückseite des Buchdeckels bis nach vorne. Diesen Anblick darf man sich nicht entgehen lassen. Wunderschön!
Ein rundum gelungenes Buch, liebenswert, humorvoll, liebevoll gemacht. Unwiderstehlich für Katzenliebhaberinnen und - liebhaber. Zum Selberlesen ebenso wie zum Verschenken.
Ein Wort noch zum Lesealter: ich fand das Buch in der Buchhandlung bei den Kinder - und Jugendbüchern, weil Hanna Johansen als Kinderbuchautorin gilt, nehme ich an.
Dorthin gehört es nicht wirklich. Es richtet sich ganz sicher auch an eine erwachsene LeserInnenschaft. Sehr jungen Leserinnen und Lesern entgeht ein Gutteil von Ilsebills Verschmitztheit. Ilsebill ihrerseits spricht gelegentlich von einem Alter zwischen siebzehn und siebzig. Ich denke, da liegt sie nicht so falsch. Ein Gefühl für Humor und Ironie sollte schon gut entwickelt sein, um den strikt kätzischen Blickwinkel auf das Leben mit Menschen zu verstehen.