Klappentext:
London 1874. Das viktorianische Zeitalter steht in voller Blüte, als William Rackham, glückloser und zu Müßiggang neigender Erbe eines Parfümimperiums, auf Sugar trifft. Es ist eine Begegnung, die beider Leben ändern soll. Im Alter von nur 13 Jahren von ihrer Mutter zur Prostitution gezwungen, teilt Sugar das Schicksal der anderen Huren der Stadt. Und doch strahlt sie etwas aus, das sie über die anderen erhebt und ihr den Luxus erlaubt, mit nur einem Liebhaber am Tag ihr Auskommen zu finden. Auch William Rackham verfällt nicht nur ihren – wahrhaft meisterlichen – erotischen Künsten, sondern vor allem ihrer Fähigkeit, mit ihm über Literatur und die Empfindlichkeiten seiner Seele zu parlieren. Mit ihr wendet sich sein Schicksal, denn um sie erobern zu können, wird er schon bald zu einem der erfolgreichsten Unternehmer der Stadt. Und Sugar hat teil an seinem sozialen Aufstieg – bis sie erkennen muss, dass das bürgerliche Leben, in dessen Sog sie zunehmend gerät, ihr als Frau größere Fesseln anlegt, als sie es sich in ihrer früheren Existenz je hätte träumen lassen. Das karmesinrote Blütenblatt ist ein sinnlicher und zugleich höchst moderner Roman – vor allem aber eine unvergessliche Geschichte um die Hoffnungen und Täuschungen der Liebe.
Meine Meinung:
Einen Moment lang dachte ich, hier erträumt sich einer die perfekte Hure, die ihre Dienste jederzeit mit Freude verrichtet, aber dann wurde die Hure doch zu einer Frau aus Fleisch und Blut, einer Frau, die die Kunst beherrscht, negative Gedanken für den passenden Moment aufzusparen, und die obendrein eine grandiose Schauspielerin ist.
Es ist eine von Männern und von einer merkwürdigen Doppelmoral beherrschte Welt, in der die Prostituierte Sugar versucht, den Makel ihrer Herkunft zu verwischen. Sie hat allen Grund, ihrerseits den Mann als solchen tief zu verachten und verabscheuen.
Der Autor versteht es, mit den Gefühlen seiner Leser zu spielen, sie mal in Sicherheit zu wiegen, dann wieder in den Abgrund der Enttäuschung zu stürzen. Seine Geschichte ist frech, frivol, erotisch und sehr unterhaltsam. Sehr schade ist allerdings, dass nach mehr als tausend Buchseiten am Ende vieles offen bleibt. Man kann nun einwenden, die Geschichte von William und Sugar sei erzählt und das abrupte Ende daher gerechtfertigt, aber wenigstens einen Epilog hätte Michel Faber seinen Lesern gönnen können, um sie nicht über das Schicksal der wichtigsten Personen im Unklaren zu lassen.
Nichts desto trotz ist dieser Roman ein Highlight in meinem Leseleben: Gut geschrieben, niveauvoll und spannend zeichnet Faber ein lebendiges Panorama der 1870er Jahre, der industriellen Revolution, der Klassenunterschiede, des damaligen Lebens der Londoner von bitterarm bis überaus reich und erzählt dabei eine mitreißende Geschichte, die sich so schnell nicht mehr abstreifen lässt.