Titel: Das Luftkind
Autor: Irina Korschunow
Seiten: 271
ISBN: 3442731216
Klappentext:
Sie ist in der Blüte ihrer Jugend. Doch seit ihrem Fehltritt im Roggen ist Freda von Rützow eine gebrochene Frau. Jahrelang lastet die Erinnerung an das Kind, das sie weggeben musste, auf ihr. Unter der Schreckensherrschaft der Nazis bekommt Freda Gelegenheit, ihre Schuld zu sühnen. So befreit sie sich von der Last der Vergangenheit und findet in düsterer Zeit doch noch Glück und Liebe.
Zur Autorin:
Irina Korschunow, geboren und aufgewachsen in Stendhal, veröffentliche zahlreiche erfolgreiche Romane. Darüber hinaus ist sie eine der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Ihre Bücher werden weltweit übersetzt. Die vielfach ausgezeichnete Autorin lebt in der Nähe von München.
Eigene Meinung:
Unter den Unmengen von Büchern, die alle vom zweiten Weltkrieg handeln und von denen die meisten zweifellos etwas besonderes und gut und wichtig sind, gibt es dennoch nur wenige, die mir als etwas Einzigartiges in Erinnerung bleiben und nicht zu einer Masse aus Angst und Schrecken verschwimmen. Das Luftkind ist so eines. Nicht wegen besonders grausamer Schilderungen oder Schreckensbildern, sondern wegen der melancholischen Nachhaltigkeit, die anhand einer Art schwerwiegenden Leichtigkeit vermittelt wird und mit der es dem „Luftkind“ gelingt, ein ganz großes Stück der leserlichen Gedanken zu beanspruchen.
Erzählt wird die Geschichte von Freda, die genau eine Stunde mit ihrem Kind verbringen darf, bevor sie es an Unbekannte weggibt. Ein prägendes Ereignis, das sie noch lange verfolgen wird, wenn der fremde Sohn, fortan nur noch Fredas Luftkind, mit unsichtbaren Schritten neben ihr läuft, an ihrem Rock zerrt, mit ihr spielt und lacht und ganz nebenbei eine riesige Mauer baut zwischen Freda und der Welt da draußen. Bis in den Krieg hinein, der die Menschen stumm und vorsichtig und ängstlich macht und in den sie vollends hinein gezogen wird, als der Jude Harro vor der Tür steht, verwirrt und misstrauisch und der erste Riss in ihrer Mauer.
Aus alldem und noch vielem mehr macht Irina Korschunow einen wunderbar feinfühligen Roman, sensibel erzählt, in einem faszinierend fließenden Stil, anmutend wie Wasserwellen oder eine ganz sanfte Melodie. Die plastischen Beschreibungen von Gewalt und Tod, die Blutspuren und detaillierten Darstellungen bleiben aus, das Schreckliche kommt von allein, in leisen Tönen und Sätzen, in Gestalt von dem Klirren von Glas in der Nacht oder den Gespenstern an der Wand. Die Gefahr ist da und das Risiko, die ganze brutal-verworrene Zeit ist eingefangen in den Seiten und lässt einen bis zum Ende nicht mehr los.
Ein Buch, das mich wirklich, wirklich beeindruckt hat, zumal ich die Autorin bisher nur vom Findefuchs oder den Wawuschels her kannte. Ein Buch außerdem, das mich noch länger begleiten wird, dessen Figuren mir unheimlich nah und lebendig vorkommen und die mir wirklich ans Herz gewachsen sind. Ein kraft- und eindrucksvoller Bericht, der mit zarten und einfühlsamen Worten durch die Seiten huscht.