Herzhämmern ist die neuaufgelegte und laut Impressum von der Autorin überarbeitete Fassung des Jugendromans Panik oder was, der 1996 zum erstenmal erschien.
Es geht um Angst, Panik de facto, in diesem Buch und um erste Liebe. Es gibt gute Gründe für jeden der beiden Titel, ich finde beide nicht ganz befriedigend. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich nicht recht zufrieden war damit, wie die beiden Themen im Roman verknüpft wurden.
Er beginnt schwungvoll, wie gewohnt bei Krauß, gleich mitten im Schlamassel und mit der Hauptperson. Martina Schlotterbein heißt die 15jährige Protagonistin und Ich-Erzählerin. Natürlich heißt sie gar nicht Schlotterbein, sondern Schlüter. Den Angsthasen-Namen hat sie sich gerade erst eingefangen. Anläßlich eines Schulausflugs wurde eine Höhle besichtigt und mitten drin in der Kälte und dem Flackerlicht hatte Martina einen bösen Anfall von Panik. Die MitschülerInnen haben sich schief gelacht. Wupps, hatte Martina den Spitznamen weg. Und nun stürmt sie durch den Wald hinter der Herberge und ist sauer auf die ganze Welt.
Am meisten aber haßt sie sich. Weil sie so feige ist.
Während sie so tobt, erfahren wir äußerst geschickt kurz gefaßt, daß die aktuelle Feigheit nicht das einzige Problem ist, das Martina hat. Sie leidet ebenso unter dem Gefühl, den Ansprüchen der Eltern nicht zu genügen, es scheint Ungeklärtes um ihren Vater zu geben und Konflikte mit der Mutter. Auch in der Klasse hat sie es nicht so einfach, ihre Zuneigung gilt nämlich der Biologie, vor allem der Botanik. Sie kennt jeden Baum, ihre Freundinnen und Freunde finden das bloß langweilig.
Mitten in Martinas Zorn und Selbstvorwürfe platzen vier junge Männer zwischen 15 und 18. Tatsächlich werden sie in einer gleichermaßen spannend wie witzig geschriebenen Szene sozusagen vom Erdboden ausgespuckt. Voll Neugier und zugleich Sehnsucht nach Freunden, die von ihrer Feigheit nichts wissen, schließt Martina Bekanntschaft mit ihnen. Sie sind, wie sich herausstellt, Amateur-Höhlenforscher.
Für Martina scheinen sie vom Schicksal gesandt. Mit drei der neuen Freunden wird sie gleich am nächsten Tag in die Gänge unter die Erde krabbeln und damit allen ein für allemal beweisen, daß sie kein Schlotterbein ist.
Was auf diesen wahrhaft wahnsinnigen Entschluß folgt, ist der beste Teil des Buchs, nämlich die Beschreibung von Furcht und Angst und Panik in Verbindung mit einer geradezu irrsinnig leichtsinnigen amateurhaften Höhlenerkundung. Schon lange hat mein Herz bei der Lektüre eines Buchs nicht mehr so heftig geklopft. Die Enge, die Angst vor der Dunkelheit wegen der ungenügenden Ausstattung mit Lampen und Batterien, die Kälte, die waghalsigen Klettereien in mangelhafter Ausrüstung sind erschreckend echt dargestellt. Man spürt regelrecht die kalte Feuchtigkeit und den nassen Lehm an jeder freien Körperstelle. Als sich Martina einmal vor Angst übergibt, war mir selbst ganz schwummerig.
Ungemein lebendig auch die drei jungen Männer. Ecke, der völlig durchgeknallte Höhlenforscher, der sich ohne jede Sicherung noch in den dunkelsten Winkel zwängt, sein kleiner Bruder Bonni, der sich, wie sich herausstellt, ähnliche Bewährungsproben auferlegt wie Martina und Shelley, der Vernünftige, aber nicht vernünftig genug, seinen Freund Ecke von Unternehmungen des blanken Wahnsinns zurückzuhalten.
Natürlich kommt es zu einem schlimmen Unfall, natürlich gibt es Probleme mit dem Licht. Da ist man durch das schiere Lesen schon so weit, daß man die eigene Zimmerlampe kontrolliert und die Festigkeit des Lesesessels.
Weniger zufriedenstellend fand ich die Liebesgeschichte, die sich zwischen Martina und Shelley entwickelt und zwar deswegen, weil es sich um echte Verliebtheit handeln soll. Liebe aus Not heraus wäre das weniger sentimentale Thema gewesen. Überhaupt geht es gegen Ende ziemlich durcheinander. Auch der Konflikt mit den Eltern wird auf eine Weise gelöst, die hart am Rand des Kitsches liegt. Man merkt auf einmal, daß einfach zu viele Themen in den schmalen Roman gepackt wurden. Und die Frage, ob Martinas letzte Entscheidung unter der Erde nun falsch war oder richtig, kommt einem aufgesetzt vor.
Von der nachfolgenden Entscheidung über der Erde gar nicht zu reden. Da hat man auf einmal das Gefühl, daß sich die Autorin gar nicht mehr von ihrer Höhle trennen kann. Die Fragen, was denn nach der Rettung der leichtsinnigen Jugendlichen mit ihnen passiert, immerhin müssen Spezialisten für Höhlenrettung eingesetzt werden, bleiben offen. Insgesamt bleibt der Eindruck eines unfertigen oder sogar nicht ganz durchdachten Handlungsablaufs im letzten Drittel des Buchs.
Ein Jugendroman also, das über weite Strecken überzeugt, im Ganzen gesehen aber nicht wirklich trägt. Packende Lektüre, aber letztlich kein ‚runder’ Roman.