'Im Westen nichts Neues' - Kapitel 01 - 03

  • Ich erwarte jeden Moment die Geburt meines Babys und lese so ein Buch. Bin ich eigentlich verrückt??


    Ich muss aber sagen, es zieht mich heute genauso in seinen Bann wie damals, als ich es im Alter von 18 oder 19 gelesen habe. Dieser Roman sollte Pflichtlektüre sein für jeden, der sich bei der Armee verpflichten will (sag ich jetzt mal als Mutter eines Sohnes, nicht als Vertreterin meines Vaterlandes...).


    Diese Kriegsbegeisterung, wie sie zum 1. Weltkrieg in Deutschland geherrscht hat, wäre für uns heute unvorstellbar. Dass ein Lehrer seine ganze Klasse dazu bringt, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden...! Ich bin mir nicht sicher, ob er wusste, was er da tut.


    Diese Schleiferei durch Himmelstoß - das sind so die üblichen Kriegsgeschichten. Geschieht ihm recht, dass er auch an die Front muss und seine Rekruten Gelegenheit finden, sich angemessen zu rächen.


    Und der Tod des Kameraden Kemmerich ist ein erster Eindruck vom Alltag der Frontsoldaten. Man möchte Müller schütteln, dass er nur an die guten Stiefel denkt, aber verstehen kann ich ihn auch...


    Remarques Stil ist sehr gefällig und überhaupt nicht antiquiert. Er schreibt sehr bildhaft, sodass ich jede Szene plastisch vor Augen habe.

  • AAARGH Ich habe gerade einen Beitrag verfasst, dann klicke ich nur auf "Vorschau" und plötzlich ist meine Internetverbindung weg. Jetzt muss ich alles nochmal machen :keks


    Das Buch lässt dich flüssig lesen. Die Sprache finde ich, wie Waldfee schon sagte, plastisch. Aber auch nüchtern, unverzerrend und geradeheraus. Gerade dadurch, wird die Sinnlosigkeit des Krieges hervorgehoben. Es sind 19-jährige Jungs, die eigentlich noch ihr ganzes Leben vor sich haben und doch schon so viel durchmachen müssen. Der letzte Satz des ersten Kapitels "Jugend? Das ist lange her, Wir sind alte Leute." zeigt, dass die Belastung sehr groß ist und dass sie ihre jugendliche Unbeschwertheit verloren haben. Auch im Vorwort wird schon angedeutet, dass selbst wenn der Krieg vorbei ist und man überlebt hat, es dennoch eine immerwährende psychische Belastung für einen darstellt.


    Das Verhalten des Lehrers Kantorek fand ich unfassbar. Er als Lehrer hat eine gewisse Vorbildfunktion und nutzt diese aus, um die Schüler zu motivieren, sich freiwillig für den Krieg zu melden. :pille Ihm muss doch bewusst sein, dass die allesamt noch grün hinter den Ohren sind. Und wenn er selbst so begeistert vom Krieg war, warum zieht er dann nicht mit an die Front?! Der Erzähler Paul Bäumer merkt erst dort, dass der Dienst für den Staat nicht das Größte ist, sondern dass die Todesangst überwiegt.


    Die Jungs ziehen also gemeinsam nach der Schule in den Krieg und haben nichts, woran sie sich festhalten können wie z.B. Beruf oder Familie. Die Kultur wird unwichtig. Sie sehnen sich sogar nach dem Leben in der Kaserne zurück, obwohl ihr Vorgesetzter Himmelstoß dort sehr streng mit ihnen umgegangen ist. Sie sind durch den Krieg verroht und nur noch selten traurig.


    Mich hingegen macht dies alles traurig.

  • Also irgendwie versuche ich mittlerweile zum 3. Mal einen Kommentar abzugegeben und jedesmal werde ich rausgeworfen, obwohl ich angemeldet bin.
    Also zum 3. Mal, aber nur ganz kurz:
    - nach 10 Jahren in der 9. Klasse als Schullektüre gelesen, lohnt sich für mich ein zweites Lesen in jedem Fall.
    Damals waren mir die unverblümte, ungenierte und sehr kritischen Beschreibungen nicht so bewusst: gemütlich Atmosphere beim Latrinenpicknick, Illusionen vom Krieg und der Vaterlandsliebe Außenstehender und die Desillusionierung der Soldaten im Kriegsalltag, das Sterben der Klassenkameraden und die Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls - Kameradschaft.


    Alles in allem: hart, kritisch, aber sehr realistisch und vor allem zeitlos.

  • :fetchZuerst habe ich kein Internetzugang mehr, dann vergesse ich auch noch mein Passwort :bonk Aber jetzt bin ich wiede dabei.


    Also hier mein Bericht über die ersten drei Kapitel


    Ich habe eine Ullstein Ausgabe aus dem Jahr 1972 mit 204 Seiten. Sehr klarer, gut lesbarer Druck.


    Es liest sich sehr gut, besser als die 3 Kameraden und ich musste auch schon heulen. Das liegt auch daran, dass man sich alles so gut vorstellen kann. Das Buch liest sich wie ein Film schauen.


    Ich weiss ja, dass Krieg einfach furchtbar ist, nach diesem Buch wird es mir noch klarer sein.


    Es gibt auch fast lustige Szenen. Z.B. die Massenlatrinen, wenn ich mir das so vorstelle… :grin


    Kantorek muss ein Ueberbleibsel aus der Monarchie sein. Immer pflichtbewusst, Obrigkeitsgläubig usw. Wer sich nicht freiwillig meldet ist feige und die Jungs können gar nicht anders, sie müssen sich melden.


    Der Spruch von Katcinsky, dass Bildung dämlich mache, stimmt nachdenklich. Ist es so, dass man vor lauter Bildung manchmal nicht mehr das Wesentliche sieht?


    Die, die die Jungen an ihr Pflichtgefühl erinnerten waren Autoritäten an die sie glaubten. Einmal an der Front verloren diese Autoritäten zwar an Glaubwürdigkeit. Trotzdem kämpften sie weiter.Warum? Aus Liebe zum Vaterland. Das Vaterland, das sie zum Tode verurteilte?


    Der Besuch im Lazarett ist schrecklich. Man riecht förmlich den Tod. Distanziert und doch voll Mitgefühl wird das Sterben von Kemmerich beschrieben. Zuviel Gefühl verträgt sich eben nicht mit der Realität. Realität ist, dass Kemmerich seine Stiefel nicht mehr braucht, ein anderer Soldat aber schon. Kemmerichs Sterben ist so traurig. Paul möchte die ganze Welt an diesem Sterbebett vorbeiführen. Kemmerich ist erst 19, aber das interessierte niemanden.
    Er muss der Mutter einen Brief schreiben, machten das nicht die Vorgesetzten?


    Während der Ausbildung zum Soldaten wird ihnen klar, dass ihre Wertvorstellungen nicht mehr gelten. Sie wollten für die Freiheit kämpfen, werden aber auf den Tod vorbereitet und sie sollen möglichst als Helden sterben. Damit sie nicht rebellieren wird ihre Persönlichkeit durch Drill und Stumpfsinn zerstört. Die Beschreibung der unzähligen Schikanen ist unglaublich, ich weiss ja nicht ob es wirklich so war, kann es mir aber schon vorstellen. Paul sagt ja, dass sie ohne diesen Schliff die Front gar nicht geschafft hätten, denn Schlimmer konnte es gar nicht werden.


    Katczinsky ist der gute Geist der Truppe. Er organisirt alles so müssen sie weniger frieren und hungern. Er ist auch ein kleiner Philosoph. Z.B. sagt er: Pass auf, wir verlieren den Krieg, weil wir zu gut grüssen können
    Oder
    Gleiche Löhnung, gleiches Essen und der Krieg wäre schon längst vergessen.
    Toll fand ich den Vorschlag von Kropp: Diejenigen die die Kriegserklärung machen müssen gegen die die sie annehmen kämpfen.


    Warum ist es oft so, dass Menschen die Macht über andere Menschen haben, oft so unmenschlich werden. Wir haben immer gesagt: Macht verdierbt den Charakter. Hier trifft dies 100% zu.


    Dass Himmelstoss, der Schinder, von ihnen verprügelt wurde, war nur gerecht. Er hat es verdient.

  • Zuerst einmal ein herzliches Hallo meinerseits an alle Leserunden-Teilnehmer. :wave


    Ich möchte vorausschicken, dass ich alle bekannten Romane Remarques mehreremale gelesen habe.... was vielleicht eine Erklärung dafür ist, dass ich etwas anders an dieses Buch herangehe, meine möglicherweise etwas "unorthodoxen" :-) Sichtweisen und Gedanken dazu....anders vielleicht, als alle diejenigen Leserunden-Teilnehmer, die das Buch zum erstenmal lesen.

    Momentan beschäftigt mich nämlich weniger die Geschichte, die mir halt bereits recht bekannt ist, sondern etwas ganz anderes.
    Es ist nämlich tatsächlich das erstemal, dass mir der besondere Schreibstil Remarques von IM WESTEN NICHTS NEUES so sehr auffällt.
    Scheinbar völlig uneitel gegenüber hohen literarischen Ansprüchen, lässt der Autor sich ein in die Sprache des Erzählers Paul Bäumer.... in die einfache Umgangssprache eines 19-Jährigen.
    Den gleichen "Ton" behält der Autor übrigens auch im Nachfolgewerk DER WEG ZURÜCK bei (...in das ich gestern auch noch reingeschnüffelt habe)


    Dass mich dieser Aspekt des Werkes jetzt so beschäftigt, das liegt wohl daran, dass ich alle anderen Werke Remarques viel öfters wieder gelesen habe, als eben diese seine ersten beiden Erfolgsromane.
    Remarques späterer Schreibstil wirkt auf mich sprachlich wesentlich gepflegter und weicher ....nichtsdestotrotz, oder gerade deshalb, immer noch mit der charakteristischen remarque'schen Leichtigkeit die er sein Leben lang anstrebte, jene Leichtigkeit des Lesen- und des Verstehenkönnens, mit der er ein breites und vielschichtiges Publikum ansprechen wollte.
    Hinter dieser scheinbaren "lockeren" Art des Erzählens verbirgt sich jedoch unermesslich harte Arbeit. Man weiss mittlerweile, dass Remarque stunden- ja tagelang an einem einzigen Satz feilen konnte.... dass er alle seine Romane mehreremale umgeschrieben hat...und letztendlich doch nie wirklich zufrieden war mit dem Geschriebenen.


    Nun....während des Lesens von IM WESTEN NICHTS NEUES ist mir die ganze Zeit eine Frage durch den Kopf gegangen:
    Inwieweit war dieser nahezu unliterarische, dem damaligen Zeitgeist ziemlich entgegenlaufende Sprach- und Erzählstil Remarques von IM WESTEN NICHTS NEUES gesucht/erarbeitet.... inwieweit hat ihm denn seine Entscheidung der kompletten Kehrtwendung von seiner bisherigen Schreibweise diesen seinen neuen Stil diktiert.....seine Abwendung von jener romatisch-verklärten, unsäglich hochgeschraubten, gekünstelten Sprache, die seine Erstlingswerke, ua. DIE TRAUMBUDE "auszeichnete", allesammt übriges grosse Misserfolge.


    So....diese Gedanken musste ich jetzt erstmal loswerden....vielleicht kann ich mich von nun an besser auf die Handlung in diesem Buch konzentrieren :rolleyes


    Grüessli Joan


    Edit meint: zuerst denken, dann schreiben, dann erst Text abschicken.... :lache

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  • So, da bin ich dann auch mal. :lache Ich lese so viele Bücher gleichzeitig, dass ich mir fast schon einen Stundenplan machen muss. :pille


    Zitat

    Waldfee
    Und der Tod des Kameraden Kemmerich ist ein erster Eindruck vom Alltag der Frontsoldaten. Man möchte Müller schütteln, dass er nur an die guten Stiefel denkt, aber verstehen kann ich ihn auch...


    Diese Situation konnte ich mir so richtig vorstellen. Auf der einen Seite ist man traurig, dass ein Kamard sterben wird, aber auf der anderen Seite muss man dann auch schauen, wie es für einen selbst weiter geht. Und wie man das Beste für alle draus machen kann.


    Genau wie am Anfang, mit der doppelten Ration für alle (Freude), aber nur weil die Hälfte der Kompanie gefallen ist (Trauer). Man muss die Dinge wirklich immer von allen Seiten betrachten, und das wird in diesem Buch auch gut dargestellt.


    Zitat

    Morgaine
    Das Verhalten des Lehrers Kantorek fand ich unfassbar. Er als Lehrer hat eine gewisse Vorbildfunktion und nutzt diese aus, um die Schüler zu motivieren, sich freiwillig für den Krieg zu melden. Gehts noch? Ihm muss doch bewusst sein, dass die allesamt noch grün hinter den Ohren sind.


    Nur weil die Jungs noch grün hinter den Ohren waren, war es ja möglich sie in diese Richtung zu drücken. Es wollte ja auch Niemand Soldaten, die zuviel selber dachten. Dafür waren ja schließlich die höheren Tiere da.
    Aber es waren ja nicht nur die Lehrer, im Buch steht ja auch, dass die meisten Eltern auch schnell mit dem Wort "Feigling" bei der Hand waren.


    Und trotzdem gibt es in diesem Buch auch Dinge zum Schmunzeln. Die Töpfe im Kreis aufgestellt und Karten spielen? :yikes Ich glaube um das zu verstehen muss man (Frau) wohl ein Mann sein. :lache


  • Bisher finde ich das Buch eine einzige Anklage. Gegen Krieg, Patriotismus, Militarismus und militärische Disziplin.


    Es erinnert mich spontan an zwei Lieder von Donovan: Universal Soldier und Remeber the Alamo. Besonders Letzteres bringt die Stimmung dieses Werkes sehr gezielt zur Wirkung.


    Ich finde das Buch sehr lakonisch und nüchtern und gerade deswegen so eindrücklich. Kein Patriotismus, keine hehren Ziele und strahlende Helden sondern nur nackte Menschen in einem scheiss Krieg. Und man müsste heulen, wenn die Worte nicht so nüchtern gewählt wären, damit man damit umgehen kann und nicht daran zerbrechen.


    Die Schilderungen sind so knapp und kurz wie Befehle gegeben werden. Ein paar Tote hier, ein paar Verletzte dort, Waffen, Rauch, Emotionslosigkeit. Ich fühle mich wie ein Zuschauer, dem mit monotoner Stimme die Dinge erzählt werden, die er sieht und trotzdem nicht fassen kann. In gewisser Weise sind diese Soldaten wie Maschinen, denn dazu wurden sie gemacht.


    Geühle werden nur durch die kleinen Begebenheiten transportiert, die banal erscheinen mögen, dort aber den letztes Rest Normalität bilden: Die Latrine, die Zusatzverpflegung ... hier habe ich immer wieder daran gedacht, wie wertvoll unser friedliches deutsches Leben doch ist.


    Interessant ware die Stelle, als geschrieben wird, dass die Armen gegen den Krieg waren, die bessergestellten aber voller Begeisterung. Wie kam das?


    Wütend bin auch ich über Leute wie den Lehrer Kantorek, die im Hintergrund angeschoben haben, die den theoretischen Glanz eines Kriegssieges feierten und die Leute dazu begeisterten und anstachelten ohne sich den Preis klar zu machen, der zu zahlen ist. Oder wenn, dann billigend in Kauf nehmen. Der Ich-Erzähler nannte es auch eine bequeme Art der Pflichterfüllung. Gibt es ein Ziel, das so viele Tote rechtfertigt?


    Die Szene mit dem Fuß, der schmerzt aber schon lange ab ist, die kenne ich noch aus dem Film vor vielen Jahren. Dass war damals schon eindrücklich und hat sich erhalten.

  • Zitat

    Waldfee
    Dieser Roman sollte Pflichtlektüre sein für jeden, der sich bei der Armee verpflichten will (sag ich jetzt mal als Mutter eines Sohnes, nicht als Vertreterin meines Vaterlandes...).


    Ich denke, die heutigen gehen oft wegen des Geldes und der Perspektivlosigkeit. Weniger wegen Vaterland, Ruhm oder Ehre. Und ja, auch ich würde dieses Buch jedem aufs Auge drücken, auch den politisch interessierten oder Machthabern oder ... eigentlich allen.


    Die Kriegsbegeisterung Deutschlands hat sicher auch die Wurzel in einer vermeintlichen Überlegenheit der deutschen Kultur (Goethe) über das barbarische Ausland. Und wenn ein charismatischer Anführer wie der Kaiser die Masse anstachelt ist ein hinterherrennen des Restes nicht so verwunderlich. Das passiert ja doch immer wieder, überall. Man bracht ein brauchbares Feindbild und ... traurig.


    Zitat

    Morgaine
    Und wenn er selbst so begeistert vom Krieg war, warum zieht er dann nicht mit an die Front?!


    Sehr gute Frage. Ein Mysterium, dass ich immer wieder begrüble, wenn Minister und Präsidenten und Machthaber zum Krieg aufrufen und ihren Führungsstab in bombensichere Bunker unterbringen. Da finde ich die von BronteSisters erwähnten Vorschläge Kropps sehr gut.


    Zitat

    Morgaine
    Er als Lehrer hat eine gewisse Vorbildfunktion und nutzt diese aus, um die Schüler zu motivieren, sich freiwillig für den Krieg zu melden.


    In der hysterischen Begeisterung zu wiederstehen und dagegen vorzugehen wäre strafbar gewesen, wer nur ruhig gehalten hat war schon mutig. Und wie bequem ist es doch, die eigene Reputation zu erhöhen, indem ich die Schüler in den Krieg bringe und mich sicher hinter den Fronten aufhalte und von den zurück Bleibenden als treuester Untertan gefeiert werde, ohne mich in Gefahr zu begeben. Menschenverachtend finde ich dies.


    BronteSisters
    Ich halte Kanorek nicht für ein Überbleibsel aus der Monarchie sondern als den typischen Vertreter des damaligen Deutschen Ober- oder Mittelschichtlers bis zum Ende des Krieges. Bis dahin war Deutschland offiziell Monarchie und auch in der Weimarer Republik gab es starke Bestrebungen, dahin zurück zu kehren. Und das mit der Obrigkeitshörigkeit ist angeblich auch heute noch sehr ausgeprägt.


    Das Bildung dämlich macht, kann ich nicht nachvollziehen. Immerhin beteiligen sich ein Großteil der Wissenschaftler grundsätzlich pazifistisch oder wiederständlich. Mit einer gewissen Bildung lernt man zu hinterfragen und sich eben nicht von vermeintlichen Autoritäten beeindrucken zu lassen.


    Warum die Soldaten weiterkämpfen? Zwang denke ich, zurück geht es nicht. Abhauen wird mit dem Tode bestraft. Zu Hause üben die Leute Druck aus. Verantwortung gegenüber den Kamaraden? Mangelnde Alternativen und Perspektiven?


    Joan
    Vielleicht hat Remarque seine Sprache an die damlige Zeit nach dem Kriege angepasst. Die Leute waren desillusioniert, von der deutschen Überkultur nicht mehr so recht überzeugt und bevorzugen direkte Wahrheiten gegenüber schönklingenden Lügen. Die Zeiten waren dreckiger, ein großer Teil Deutschlands kämpfte ums schlichte Überleben und war mit schönen Worten nicht satt zu machen, mit leeren Worthülsen schon gar nicht. Und vielleicht war gerade dies die Intention, die Leute mit einer Wahrheit zu konfrontieren indem ich sie so anspreche, wie sie es (aus dem Kriege) kennen und selbst sprechen. Direkt, nüchtern und gerade deshalb treffend und kraftvoll. Wäre das eine mögliche Erklärung?

  • Zitat


    Das Bildung dämlich macht, kann ich nicht nachvollziehen. Immerhin beteiligen sich ein Großteil der Wissenschaftler grundsätzlich pazifistisch oder wiederständlich. Mit einer gewissen Bildung lernt man zu hinterfragen und sich eben nicht von vermeintlichen Autoritäten beeindrucken zu lassen.


    Liesbett
    Da Remarque seinen Roman aus der Sicht des einfachen Soldaten, des kleinen Mannes erzählt, kann ich diese Bemerkung gut nachvollziehen.
    Für diese Menschen sind es die grossen Tiere, die angeblich Gebildeten halt, welche die Kriege anzetteln und zu verantworten haben.....ergo macht Bildung eben dämlich.


    Waldfee
    Du schreibst: Dieses Buch sollte Pflichtlektüre werden für jeden der sich bei der Armee verpflichten will.


    Ergänzend zu Deinen Worten folgendes:
    Carl Zuckmayer, der grosse Dramatiker ist zwei Jahre älter als Remarque. Er ist damals als 18-jähriger freiwillig in den Krieg gezogen. Jedoch seine anfängliche Euphorie verflog recht bald.
    Als Remarques Roman erschien forderte er: "Das Buch gehört in die Schulstuben, die Lesehallen, die Universitäten, in alle Zeitungen, in alle Funksender, und das ist alles noch nicht genug."


    ********


    Was mich in diesen ersten Kapiteln am meisten beeindruckte ist die Beschreibung des Sterbens von Kemmerich....."Er sieht schrecklich aus, gelb und fahl, im Gesicht sind schon die fremden Linien, die wir so genau kennen, weil wir sie schon hundertmal gesehen haben. Es sind eigentlich keine Linien, es sind Zeichen. Unter der Haut pulsiert kein Leben mehr, es ist bereits herausgedrängt bis an den Rand des Körpers, von innen arbeitet sich der Tod durch, die Augen beherrscht er schon."


    Dieses x-fache Sterben hat Remarque selber verfolgen können während seines monatelangen Aufenthaltes in einem Feldlazarett, wo er nach starken Verwundungen sich aufhielt. Daher seine genauen Beschreibungen darüber, wie ein Mensch aussieht, wenn er stirbt....über die Vorgänge in einem sterbenden Gesicht....und dass man den nahen Tod schon Stunden vorher feststellen kann.

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  • Ich möchte Euch noch einige Zahlen bekannt machen, die den ungeheuren Erfolg dieses Romans belegen.


    Ich zitiere aus der Remarque-Biografie ALS WÄRE ALLES DAS LETZTEMAL von Wilhelm von Sternburg, herausgegeben 1998 zum 100. Geburtstag Remarques.


    IM WESTEN NICHTS NEUES ist das erfolgreichste deutschsprachige Buch unseres Jahrhunderts. Abgesehen von den grossen Religionsschriften haben nur ganz selten literarische Werke in der Kulturgeschichte der Menschheit eine solche Auflagenzahl erreicht. Genau ist sie nicht festzustellen, aber die Schätzungen liegen zwischen 15 und 20 Millionen verkauften Exemplaren.
    Das Buch wurde in 49 Sprachen übersetzt. Natürlich die klassischen Weltsprachen, aber auch in Afrikaans, Birmanisch, Kasachisch oder Zulu.
    Bis heute erscheinen in verschiedenen Ländern Neuübersetzungen, und in Deutschland werden fast 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung immer noch jährlich zwischen 40- und 50'000 Exemplare verkauft.


    Einige von den Verkaufszahlen des Jahres 2007 gingen an die Leserunden-Teilnehmer im Büchereulen-Forum. :grin

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  • So, bin nun auch dabei. Wollte erst mein eines Leserundenbuch beenden.


    Zitat

    Waldfee:
    Remarques Stil ist sehr gefällig und überhaupt nicht antiquiert.


    Das stimmt. Hatte ich irgendwie nicht mit gerechnet. Bin positiv überrascht.


    Am Anfang des Buches fand ich die Sache mit dem Koch irgendwie makaber. Es bekommt erst jeder zu Essen wenn alle da sind. Und er merkt nicht, dass keiner mehr kommt.


    Die Sache mit Behm war auch nicht ohne. Behm erhielt einen Schuss in die Augen und die Kameraden hielten ihn für Tod und ließen ihn liegen. Nachmittags sahen sie ihn draußen herumkriechen, aber da er wegen der Verletzung nicht richtig sehen konnte, nutzte er keine Deckung aus und wurde erschossen. Ehe jemand herankam um ihn zu holen.



    Ich fand es traurig mit wie viel Enthusiasmus die Jungs in den Krieg zogen. Obwohl sie gar nicht wussten, was da schlimmes auf sie zu kommt (waren halt grün hinter den Ohren). Jeder musste sehen wo er bleibt. Was die Sache mit Müller und den Stiefeln von Kemmerich zeigt.

  • Es ist lange her seit ich das Buch zum letzten Mal gelesen habe, aber ich kann heute sagen, dass ich es viel besser verstehe als damals. In den letzten 2 Jahren habe ich mich intensiv mit Deutschland von 1871 - 1945 beschäftigt und kann nun vieles aus dem Buch besser einordnen. Gerade Figuren wie den Lehrer, der die Schüler zum Kriegsdienst anstachelt scheinen mir erst mit ein wenig Geschichtswissen verständlich. Das finde ich gerade deswegen wichtig zu erwähnen, weil ich auch hier schon hörte man solle das Buch zur Pflichtlektüre für Schüler machen.


    Trotz all den Dingen die ich heute weiß und heute besser verstehe hat das Buch nichts von seiner Dramatik verloren. Ich denke ich werde nicht die erste sein, die diese Leserunde beendet, denn ich kann ein solches Buch nicht ins Bett mit nehmen (und da lese ich hauptsächlich). Die nüchterne Sprache, die schlichte Schilderung und die schreckliche Geschichte lassen mich immer wieder schlucken. Mir kommen dann immer die Bilder und Berichte in den Sinn die ich z.B. über die Schlacht von Verdun gelesen und gesehen habe.


    Bildung macht dämlich erinnerte mich an die "großen" Strategen und die vielen hochrangigen Militärmitglieder. Ausschließlich die Gebildeten konnten diese Positionen einnehmen. Für sie schienen Soldaten nur Nummern und Zahlen und keine Menschen. Es muss also für den Soldaten an der Front so ausgesehen haben als mache Bildung dämlich. Weil sie feststellten, dass diese Leute anscheinend keine Ahnung von der Front hatten.

  • Zitat

    Original von Vivian
    Ich fand es traurig mit wie viel Enthusiasmus die Jungs in den Krieg zogen. Obwohl sie gar nicht wussten, was da schlimmes auf sie zu kommt (waren halt grün hinter den Ohren).


    Wenn es nur die jugendliche Dummheit gewesen wäre, könnte man es fast verzeihen. Aber nein! Enthusiastisch waren auch die Erwachsenen (siehe den Lehrer). Ich glaube der Nationalismus der damals herrschte ist heute fast nicht mehr nachvollziehbar. Die meisten Menschen haben die Parolen geglaubt und waren bereit fürs Vaterland zu kämpfen und zu sterben. Das Volk war euphorisch und aufgestachelt. Die nüchterne und triste Wahrheit zeigte sich den meisten erst an der Front. Im Unterricht und in den Erzählungen waren die Beschreibungen vom Krieg immer viel patriotischer. Jeder wollte doch ein Held sein, der sein Vaterland gegen die "bösen Feinde" bekämpft.

  • Lese-Rienchen
    Du wohnst ja in Remarques Heimatstadt....der Stadt seiner Jugendzeit. Die Erinnerung an sie hat er immer in seinem Herzen getragen, und fast in jedem seiner Romane taucht sie auf, manchmal ganz konkret beschrieben, manchmal nur schemenhaft.
    Als Remarque viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg zum erstenmal seine Heimatstadt wiedersah war er ob der grossen Zerstörung fassungslos....einiges war zwar bereits wieder aufgebaut, aber er fand die vertrauten Gassen und Winkel seiner Jugendzeit nicht mehr.

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  • Zitat

    Original von Joan
    Lese-Rienchen
    Du wohnst ja in Remarques Heimatstadt....der Stadt seiner Jugendzeit. Die Erinnerung an sie hat er immer in seinem Herzen getragen, und fast in jedem seiner Romane taucht sie auf, manchmal ganz konkret beschrieben, manchmal nur schemenhaft.
    Als Remarque viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg zum erstenmal seine Heimatstadt wiedersah war er ob der grossen Zerstörung fassungslos....einiges war zwar bereits wieder aufgebaut, aber er fand die vertrauten Gassen und Winkel seiner Jugendzeit nicht mehr.


    Hier gibt es auch ein schönes und eindrucksvolles Museum zu ihm. Ich habe noch andere Bücher von ihm auf meinem SUB, aber ich traue mich nie dran. Ich mag z.B. "Im Westen nichts neues" sehr gerne und denke es ist ein wichtiges und eindrucksvolles Buch, aber andererseits reißt mich so etwas immer runter und ich traue mich selten ein solches Buch zu lesen. Deswegen bin ich auch sehr froh über diese Leserunde. Ich möchte die Bücher immer lesen, aber zusammen geht es besser.

  • Genau Lese-Rienchen


    es gibt in Osnabrück das ERICH MARIA REMARQUE-FRIEDENSZENTRUM Da möchte ich auch gerne mal hin.


    Remarques Bücher sind zwar alle sehr eindrücklich von der Thematik her. Die beiden, die am schwersten verdaulich sind, meiner Meinung nach, das sind: IM WESTEN NICHTS NEUES und DER FUNKE LEBEN (er handelt vom Leben und Sterben im Konzentrationslager)

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  • Zitat

    Original von Joan
    Genau Lese-Rienchen


    es gibt in Osnabrück das ERICH MARIA REMARQUE-FRIEDENSZENTRUM Da möchte ich auch gerne mal hin.


    Remarques Bücher sind zwar alle sehr eindrücklich von der Thematik her. Die beiden, die am schwersten verdaulich sind, meiner Meinung nach, das sind: IM WESTEN NICHTS NEUES und DER FUNKE LEBEN (er handelt vom Leben und Sterben im Konzentrationslager)


    Ich muss gestehen das ich bisher nur einmal und nur kurz drin war. Mich nimmt so etwas immer sehr mit. Ich kann von dem Buch immer nur ein paar Seiten lesen und Museen dieser Art machen mich ganz depressiv. Wir haben in Osna noch das Nussbaum Museum. Das ist auch so ein Gebäude das mich immer schwer mitnimmt. Im letzten Jahr habe ich viel über den Holocaust gelesen und manchmal habe ich Nachts sogar davon geträumt. Bis ich also dieses Buch und das Friedenszentrum ganz geschafft habe wird es wohl noch etwas dauern.

  • Zitat

    Original von Joan
    Genau Lese-Rienchen


    es gibt in Osnabrück das ERICH MARIA REMARQUE-FRIEDENSZENTRUM Da möchte ich auch gerne mal hin.


    Remarques Bücher sind zwar alle sehr eindrücklich von der Thematik her. Die beiden, die am schwersten verdaulich sind, meiner Meinung nach, das sind: IM WESTEN NICHTS NEUES und DER FUNKE LEBEN (er handelt vom Leben und Sterben im Konzentrationslager)


    Der Funke Leben steht auch noch auf meinem Wunschzettel. Aber mich machen solche Bücher auch nachdenklich und traurig, und ich kann so etwas nur lesen, wenn ich in der richtigen Stimmung bin.

  • Zitat

    Lese-Rienchen:
    Ich habe noch andere Bücher von ihm auf meinem SUB, aber ich traue mich nie dran.


    So ein ähnliches Problem habe ich auch. :-) Besitze von Remarque zwar keine weiteren Bücher, habe mich aber nie getraut "Im Westen Nichts Neues" zu lesen. Bei bekannten Klassikern habe ich das gleiche
    Problem. :-( Ich habe immer das Voruteil, dass die Bücher staubtrocken und langweilig geschrieben sind. Aber bei Remarque trifft zum Glück nichts von dem zu. Aber "Gott sei Dank" gibt es ja Leserunden. :anbet


    Könnt Ihr mir noch irgendwelche Bücher von Remarque empfehlen ? Habe gehört, dass nicht alle seine Bücher so gut geschrieben sein sollen. :gruebel