'Im Westen nichts Neues' - Kapitel 10 - 12

  • Ich finde das Buch durchaus pazifistisch, aber weniger durch klare Bezugnahme des Autors sondern vielmehr durch meine Rezeption. Pazifistisch finde ich es, weil es den Krieg in jeder Zeile verdammt und nichts positives an ihm finden kann. Alles Gute im Buch ist das Zwischenmenschliche, dass ja immer wieder durch den Krieg selbst vernichtet wird.


    Beim Politischen bin ich mir nicht so sicher. Es ist keinesfalls konservativ monarchistisch, der Krieg geht ja vom Kaiser aus und der Soldatentrill auch. Es ist kaum kommunistisch, keiner der Soldaten zettelt eine große Revolution an, man nimmt hin, was ist und watet durch. Liberal ist es auch nicht.


    Remarque hat es geschafft, ein für mein Gefühl sehr politisches Buch zu schreiben (allein des Themas wegen) ohne Textstellen zu liefern, die ihn in eine Schublade packen könnten obwohl es mir gefällt, ihn als demokratisch zu betrachten.


    Die Frage ist sehr interessant und keinesfalls zu spät, Morgaine. Das Buch ist ja jetzt erst so richtig in mir drin.

  • Sehr traurig am Ende. Wie er Kat trägt und die Mühe doch umsonst war.
    Wie Paul selber am Ende fällt.
    Es ist schon wahr, wie hätte er sich mit den Erlebnissen in der Welt ohne Krieg zurecht finden können. Oder um danach wieder in einen Krieg zu stolpern oder seine Söhne fallen zu sehen?


    Ich lese jetzt noch den 2. Teil des Buch "Der Feind" der noch im Anschluß an das Buch kommt.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Das Ende war wirklich sehr traurig. Auch das Paul dann selber stirbt hat mich sehr berührt, irgendwie hätte ich mir am Ende doch ein Happy-End gewünscht.


    Zitat

    Original von Lesebiene
    Ich lese jetzt noch den 2. Teil des Buch "Der Feind" der noch im Anschluß an das Buch kommt.


    "Der Feind" habe ich auch im Anschluss gelesen und die Geschichten haben mir sehr gut gefallen, vor allem da zum einen die Sicht der Daheimgebliebenen noch einmal dargestellt wurde, aber auch die der Rückkehrer.

  • "Der Feind" habe ich leider nicht da, will das aber auf jeden Fall auch noch lesen.


    Denkt ihr denn, dass es ein wirkliches Happy End wäre, wenn Paul den Krieg überlebt hätte? Ich glaube es kaum.


    Wenn nicht ich für mich eintrete, wer dann?
    Wenn ich nur für mich selbst eintrete, was bin ich?
    Wenn nicht jetzt, wann dann?



  • Zitat

    Original von Veggie
    "Der Feind" habe ich leider nicht da, will das aber auf jeden Fall auch noch lesen.


    Denkt ihr denn, dass es ein wirkliches Happy End wäre, wenn Paul den Krieg überlebt hätte? Ich glaube es kaum.


    Paul wäre m.E. nicht mehr im Zivilleben zurecht gekommen. Er hatte ja schon im Urlaub Probleme und hat anschließend noch vielmehr böse Erlebnisse gehabt.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Paul und Albert werden verwundet. Sie gelangen übers Lazarett in ein Hospital irgendwo im Land. Hier gelingt noch ein neuer Blick auf die Facetten des Krieges. Das Sterben ist abseits der Front noch lange nicht vorbei. Viele siechen dahin. Selbst Albert nimmt nicht mehr wirklich am Leben Teil, weil ihm sein Bein amputiert werden musste. Paul wird wieder aufgebaut, nur um ihn wieder an die Front schicken zu können. Hier fällt in den folgenden Monaten, einer der jungen Männer nach dem Anderen. Plötzlich ein Bruch in der Erzählung, ein Absatz nicht mehr aus der Sicht eines Ich-Erzählers, kurz vor Ende des Krieges fällt auch Paul an der Front. Eine Randnotiz, denn im "Westen nichts Neues".

  • Die Randnotiz-Bemerkung finde ich ehrlich sehr treffend.
    Wenn man bedenkt, wie viele Menschen ihr Leben in diesem Krieg gelassen haben, umsonst, egal auf welcher Seite man gekämpft hat, geht ein einzelnes Leben schon unter. Und gerade, dass Remarque eines daraus hervor hebt macht die Sache doch umso eindrücklicher.
    Mir zeigt es zudem, dass jedes einzelne Leben einen Wert besitzt, und wenn schon nicht ein ganzes Land trauert, schon gar nicht die Herren Generäle oder gar der Herr König, die Mütter, Väter, Frauen, Kinder ... sie trauern um ihre Verlorenen.

  • Ich bin schon seit zwei Tagen fertig mit dem Buch und mir gehen viele Gedanken durch den Kopf. Eine Textstelle habe ich seitdem immer mal wieder gelesen, denn sie ist für mich persönlich die Aussagekräftigste von vielen, eine Schlüsselstelle auch in Bezug auf Pauls Tod. Sie handelt in der Zeit, als Paul im Lazarett liegt. Es sind die Gedanken, die Paul dort durch den Kopf gehen, in Bezug darauf, dass es diese Lazarette überall gibt, egal auf welcher Seite man in diesem Krieg steht und was nach dem Krieg aus ihm und seiner Generation werden soll.


    Zitat

    "Wie sinnlos ist alles, was je geschrieben, getan, gedacht wurde, wenn so etwas möglich ist! Es muß alles gelogen und belanglos sein, wenn die Kultur von Jahrtausenden nicht einmal verhindern konnte, daß diese Ströme von Blut vergossen wurden, daß diese Kerker der Qualen zu Hunderttausenden existieren. Erst das Lazarett zeigt, was der Krieg ist."


    Und im folgenden Absatz ist echte Verzweiflung spürbar. Ich habe Remarque über das ganze Buch ernst genommen, aber nie so sehr wie hier.


    Zitat

    Ich bin jung, ich bin zwanzig Jahre alt; aber ich kenne vom Leben nichts anderes als die Verzweiflung, den Tod, die Angst und die Verkettung sinnlosester Oberflächlichkeit mit einem Abgrund des Leidens. Ich sehe, daß Völker gegeneinandergetrieben werden und sich schweigend, unwissend, töricht, gehorsam, unschuldig töten. Ich sehe, daß die klügsten Gehirne der Welt Waffen und Worte erfinden, um das alles noch raffinierter und länger dauernd zu machen. Und mit mir sehen das alle Menschen meines Alters hier und drüben, in der ganzen Welt, mit mir erlebt das meine Generation. Was werden unsere Väter tun, wenn wir einmal aufstehen und vor sie hintreten und Rechenschaft fordern? Was erwarten sie von uns, wenn eine Zeit kommt, wo kein Krieg ist? Jahre hindurch war unsere Beschäftigung Töten – es war unser erster Beruf im Dasein. Unser Wissen vom Leben beschränkt sich auf den Tod. Was soll danach noch geschehen? Und was soll aus uns werden?


    Dieses "Was soll aus uns werden" zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Am Ende läßt Remarque Paul kurz vor Kriegsende sterben, mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Alle seine Freunde sind tot, auch Kat hat er nicht retten können. Er ist als einziger übrig geblieben und stirbt quasi nebensächlich, als Randnotiz, unbeachtet von der Welt. Aber zufrieden und erlöst.
    Das wirkt fast so als hätte Remarque sich das vielleicht für sich gewünscht, als wäre dies eine gute Lösung für all die jungen Menschen gewesen, die als Soldat an der Front kämpften, weil das Leben anschließend so schwer ist. Denn egal, wie das Leben dann verläuft, die Erinnerungen verlassen einen nie.

  • Ich hatte den Buchtitel bislang gar nicht als zynisch angesehen. Nach dem Lesen schockiert mich diey aber doch, dass damit der Tod vieler Menschen kommentiert wird. Das elfte Kapitel war wieder sehr nachdenklich und beeindruckend, Saiya hat ja bereits daraus zitiert.


    Was lernen wir Menschen aus diesem Buch und den Ereignissen? Leider nichts. Der nächste Krieg steht vor der Tür. Wäre eine weltweite Ächtung der Rüstungsindustrie eine Möglichkeit wie es im Nachwort angesprochen wird? Wahrscheinlich schon, aber wer glaubt daran, wo diese Industrie gerade für Deutschland sehr lukrativ ist.

  • Zitat

    Original von Saiya
    Alle seine Freunde sind tot, auch Kat hat er nicht retten können. Er ist als einziger übrig geblieben und stirbt quasi nebensächlich, als Randnotiz, unbeachtet von der Welt.


    Nein, einer der bekannten Truppe hat überlebt. Tjaden taucht im Nachfolgeband "Der Weg zurück" wieder auf. Er wurde hier ja auch immer als Glückspilz beschrieben, der überall irgendwie durchkommt.

  • Zitat

    Original von xexos


    Nein, einer der bekannten Truppe hat überlebt. Tjaden taucht im Nachfolgeband "Der Weg zurück" wieder auf. Er wurde hier ja auch immer als Glückspilz beschrieben, der überall irgendwie durchkommt.


    Vielen Dank für die Information, xexos! :wave
    Das Buch möchte ich auch bald lesen.

  • Nun bin ich auch durch mit dem Buch.


    Man hat gemerkt, dass der Autor zum Ende hin auch wirklich gern zum Ende kommen wollte, denn die Abschnitte werden kürzer, die Zeitabstände immer größer.
    In meiner hoffnungslosen Naivität bzw. naiven Hoffnung habe ich nicht unbedingt mit Pauls Tod gerechnet. Aber das war eben das Leben und nicht Hollywood.


    In meiner Ausgabe befindet sich noch ein Nachwort von Tilman Westphalen, in der er näher auf die politischen Diskussionen (literarische gabe es ja so gut wie keine) nach Erscheinen des Buches eingeht.
    Dass den Rechten dieses Buch nicht gepasst hat, war ja klar und mir auch vor der Lektüre bereits bekannt.


    Dass aber Remarque auch von kirchlich-religiösen Kreisen scharf kritisiert wurde, weil in seinem Roman nur ein einziges Mal das Wort "Gott" vorkommt und die (für die Soldaten aus Sicht der Kirche wichtigen) Sterbebegleitung durch Feldgeistliche nicht einmal erwähnt wird, finde ich dann doch schon mal wieder sehr anmaßend.
    Wieviele Millionen sind denn bitte ohne einen Geistlichen gestorben???
    Und bei den Geschehnissen wird Gott wahrlich komplett iverdrängt und muss auch nicht unbedingt eine Rolle spielen.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Zitat

    Original von Saiya
    Dieses "Was soll aus uns werden" zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Am Ende läßt Remarque Paul kurz vor Kriegsende sterben, mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Alle seine Freunde sind tot, auch Kat hat er nicht retten können. Er ist als einziger übrig geblieben und stirbt quasi nebensächlich, als Randnotiz, unbeachtet von der Welt. Aber zufrieden und erlöst.
    Das wirkt fast so als hätte Remarque sich das vielleicht für sich gewünscht, als wäre dies eine gute Lösung für all die jungen Menschen gewesen, die als Soldat an der Front kämpften, weil das Leben anschließend so schwer ist. Denn egal, wie das Leben dann verläuft, die Erinnerungen verlassen einen nie.


    :write


    Vielleicht ist das letztlich der Grund, warum Remarque den Roman geschrieben hat? Nicht nur, dass man zufrieden und erlöst sterben kann, weil die Hoffnung auf ein Leben, ein wirkliches Leben nach dem Krieg für diese Jungen verloren ist, sondern auch, um die Erinnerung wach zu halten?