Mein Bergunfall (Ultra-Kurzfassung)

  • .....Der Berg roch nach Schneewasser, Nebel und Moos. Unverrückbar lag da dieser Felsbrocken. Er hatte vor ein paar Stunden meine rechte Hand festgeklemmt, als ich den Geröllhang heruntergestürzt war. Eine einzelne Schneeflocke trieb über die Baumwurzeln herüber. Ich wollte nicht länger nach Hilfe rufen. Keiner ahnte, dass ich noch mal in den Berg gegangen war. Mit meinem Schnürsenkel hatte ich die Blutung gestoppt. Es wurde dunkler und ich war nass und fror.
    Ich hatte noch mein Taschenmesser, das ich jetzt zum Mund führte, um mit den Zähnen die große Klinge zu öffnen. Ich dachte, der Schnitt am Handansatz wäre der schnellste. Ich tat es, bevor es zu dunkel dafür wurde. Spät in der Nacht war ich im Dorf. Mein Bruder sagte später, es seien diese Augen gewesen. Meine Augen hätten ihn am meisten erschreckt damals...

  • Danke. Meine ich auch. Und: Bin dran.


    Frage: Sollte ich die letzten Sätze an den Anfang stellen? Warum nicht?



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    Mein Bruder sagte später, es seien diese Augen gewesen. Meine Augen hätten ihn am meisten erschreckt damals.
    Nachdem sie mich am Ortsrand gefunden hatten, zerrissen, blutend,amputiert, musste ich ihnen meine Geschichte erzählen. ...Der Berg roch nach Schneewasser, Nebel und Moos. Unverrückbar lag da dieser Felsbrocken. Er hatte vor ein paar Stunden meine rechte Hand festgeklemmt, als ich den Geröllhang heruntergestürzt war. Eine einzelne Schneeflocke trieb über die Baumwurzeln herüber. Ich wollte nicht länger nach Hilfe rufen. Keiner ahnte, dass ich noch mal in den Berg gegangen war. Mit meinem Schnürsenkel hatte ich die Blutung gestoppt. Es wurde dunkler und ich war nass und fror.
    Ich hatte noch mein Taschenmesser, das ich jetzt zum Mund führte, um mit den Zähnen die große Klinge zu öffnen. Ich dachte, der Schnitt am Handansatz wäre der schnellste. Ich tat es, bevor es zu dunkel dafür wurde. Spät in der Nacht war ich im Dorf.
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  • Guten Abend Humpenflug


    Der "dramaturgische Aufbau" der ersten Fassung finde ich um einiges besser.


    Deine Geschichte hat mich - so kurz sie ist - sehr erschüttert und stundenlang nicht losgelassen. Es ist immer noch eine gewisse Beklemmung da.
    Wenn so wenige Worte so viel in mir auslösen können, dann ist eine literarische Arbeit - in meinen Augen zumindest - grossartig gelungen.


    Grüessli Zotti

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Danke Joan!
    Hatte die Idee schon länger in der Schublade. Basiert auf einer wahren Geschichte.
    Und ich habe an diesen 100 Worten (ungefähr) fast zwei Stunden rumgefeilt (vor allem gekürzt). Eigentlich sollte ich die Schneeflocke noch rausschmeißen, weil das zu sehr ins Poetische, Tiefsinnverweisende, abgleitet (und trotzdem durchsichtig ist ...).

  • Hm, schwierig. Dramaturgisch, da gebe ich Joan Recht, wirkt die erste Version besser. Dafür gefällt mir aber etwas anderes an der zweiten besser, was ich noch nicht so recht einordnen kann. Lass mich mal etwas länger drüber nachdenken.
    Insgesamt gefällt mir die eher nüchterne Art. Gerade, weil es sehr deskriptiv wirkt - bis auf die Sätze mit den Augen, die dann in dem Kontrast aufgrund ihres nicht dinglichen Verweisungscharakters die beklemmende Wirkung entfalten können.

  • Ich find die Kurzfassung deutlich besser als die lange. Bei der zweiten Version weiß man ja schon nach dem ersten Satz, worauf es hinausläuft.


    Aber die erste Version.... die find ich klasse. Ich hatte diesen kurzen Text auch wie Joan noch recht lange im Kopf.

  • Guten Abend Humpenflug


    lass ja die Schneeflocke drin.... ;-)


    Zwar haben die meisten Leser noch nie eine solche Ausnahme-Situation erlebt und diese Schneeflocke könnte sie schon etwas irritieren. Jedoch.....


    ....es verhält sich eben genauso. In den bedrohlichsten Momenten nimmt das Auge oft das allerkleinste Geschehen wahr....und die Erinnerung daran brennt sich für immer und ewig ins Gedächtnis ein.


    Ansonsten: es sind wohl genau diese Kürzungen die Du vorgenommen hast, welche die Geschichte so stark machen.
    In der zweiten Version hast Du zwar nur wenig hinzugefügt....aber die Geschichte verliert meiner Meinung nach trotzdem an Eindringlichkeit.


    Grüessli Joan

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  • Die Augen. Hm.
    Ich frage mich, ändert die Tat den Charakter des Protagonisten oder ist es der Charakter, der die Tat ermöglicht.
    Die Augen blicken ja nicht nur zurück, sondern sind ja auch der offenliegende Teil des Gehirns (mal biologisch gesehen) , also quasi ein Teil , das ins innere weist, ein "Spiegel der Seele"sozusagen. /obwohl ich solche Phrasen nie verwenden könnte :grin