Kurzbeschreibung:
Wochenlang schon war Tilman Riemenschneider nach ihr auf der Suche gewesen: seiner Eva. Es war ein bedeutender Auftrag für die Stadt: die Skulpturen des ersten Menschenpaars vor dem Eingang der Marienkapelle. Doch nun geht der Bildschnitzer zu weit: eine Bäuerin, die ihm Modell steht - nackt! Im Würzburg des Jahres 1492 ein Skandal. Dabei ahnt noch niemand, welch viel gewaltigeres Beben die Stadt in den nächsten Jahren erwartet. Dass Reformation und Bauernkriege die bestehende Ordnung in ihren Grundfesten erschüttern werden. Auch Meister Riemenschneider, der einmal als einer der größten Künstler der deutschen Renaissance in die Geschichte eingehen wird, ist dem Sturm der Ereignisse schutzlos ausgeliefert. Er muss um sein Leben kämpfen, das so aussichtsreich begann - und in dem seine Eva eine schicksalhafte Rolle spielt.
Meine Meinung:
Würzburg, 1492: Der begnadete Bildhauer und -schnitzer Tilman Riemenschneider erhält von der Stadt den bedeutenden Auftrag, Skulpturen des ersten Menschenpaars für die Marienkapelle zu fertigen. Ein Modell für Adam ist durch den Meister schnell aufgetrieben, aber die Suche nach einem Vorbild für Eva gestaltet sich schwieriger, denn es muss eine junge, ansehnliche Frau gefunden werden, die sich dem Bildschnitzer unbekleidet präsentiert, eine Dirne darf es jedoch keinesfalls sein.
Schließlich findet Til doch die passende Frau, er entdeckt sie an einem Bach, sie wirft ihm einen Blick zu und dieser Blick ist der Anfang, der Anfang einer lebenslangen Verbindung. Nicht, dass er sie je heiratet, nein, das geht nicht, denn er ist ein »Herr« und sie nur eine Magd, dennoch braucht er ihre Nähe.
Während sich über die Jahre in Riemenschneiders Werkstatt die Aufträge häufen, Til stetig an Ansehen gewinnt, er sogar zeitweise als Bürgermeister fungiert, arbeitet Magdalena in seinem Haushalt, hilft bei der Erziehung der Kinder aus seinen Ehen und ist immer für ihn da, bleibt seine Eva.
Unterdessen brodelt es überall im Land, Luthers Predigten wiegeln zusätzlich auf, die Bauern erheben sich und letztlich gerät auch Riemenschneider durch Verrat in die Hände der Rächer, deren Folter kaum jemand überlebt.
Tilman Röhrig hat mit »Riemenschneider« ein ganz besonderes, sehr komplexes Buch geschrieben, das die Aufmerksamkeit des Lesers fordert.
Zunächst ist es ein Roman über den großen Künstler, dessen Werke durch die detaillierten Beschreibungen des Autors vor den Augen des Lesers entstehen und lebendig werden. Es ist ein Roman über eine Liebe, die nur am Rande gelebt wird und dennoch stets präsent ist, und nicht zuletzt ist es ein Roman über die Reformation und die Bauernkriege.
In beeindruckend sprachlicher Vielfalt springt Röhrig scheinbar willkürlich von einem Handlungsstrang zum nächsten, wobei neben Riemenschneider, der fiktiven Magdalena, einem nur als widerlich zu bezeichnenden Spielmann u.a. der anfangs durch Zweifel zerrissene Martin Luther, ein narzisstischer Götz von Berlichingen und Joß Fritz (der Bundschuhführer) bedeutende Rollen spielen, bis sich der Kreis kurz schließt und mehr als zwanzigtausend beutehungrige Bauern nach Würzburg kommen...
»Riemenschneider« ist ein faszinierender, lebensechter Roman, der für mich viele Glanzlichter bereit hielt und den ich so schnell nicht vergessen werde.
Viele Grüße
Kalypso
.