Die Kaufmannstochter – Ines Thorn

  • Weltbild, gebundene Ausgabe, 447 Seiten, Oktober 2007


    Handlung (Rückseite):
    Am Altjahresabend 1499 erblickte Bertram, Sohn des Ritters Wolf von Sauerthal, das Licht der Welt. Doch der Vater verstößt den Jungen, der auf der Schwelle zwischen den Jahrhunderten geboren wurde. Von nun an treibt ihn der Ehrgeiz, zu Ruhm, Macht und Ehre zu kommen und er gelangt als Handelsgehilfe bis in die große Stadt Frankfurt. Als er die Liebe der Kaufmannstochter Gutta erringt, ist sein Weg nach oben nicht mehr aufzuhalten. Die beiden bauen gemeinsam ein bedeutendes Handelshaus auf. Bertrams ärgster Konkurrent aber, Ludovik von Stetten, wünscht ihm nicht nur den Ruin, sondern droht auch, das Eheglück des jungen Paares zu zerstören….


    Zur Autorin:
    Siehe Büchereulen-Autorenportrait:
    Thorn, Ines [mit Interview]


    Klappentext:
    Ines Thorn wurde 1964 in Leipzig geboren. Nach einer Lehre als Buchhändlerin studierte sie Germanistik, Slawistik und Kulturphilosophie und arbeitet heute als freie Autorin.
    Die Romane Die Spiegeltänzerin, Der Maler Gottes und die Pelzhändlerin entstammen ihrer kreativen Feder. Im Weltbild Buchverlag erschien bereits ihr Roman Unter dem Teebaum. Ines Thorn lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.



    Meine Meinung:
    Endlich wieder ein Roman von einer der momentan besten Autorinnen historischer, anspruchsvoller Unterhaltungsromane mit Tiefgang.
    Die Erwartungen sind so hoch gesteckt, dass sich der Roman einer großen Herausforderung stellen muss, zumal es sich laut Rückseite um den Auftakt einer mehrbändigen Familienchronik handelt. Trotzdem ist das Buch vollkommen eigenständig.


    Im Gegensatz zu dem, was der Titel impliziert, steht aber erst einmal ein Junge, Bertram, im Mittelpunkt.
    Bertram wächst in der Burg trotz ritterlicher Abstammung ärmlich in schwierigen Verhältnissen auf, die ihn prägen. Mit 8 Jahren flieht er in ein Kloster, wo er sich bald für die Schriften Machiavellis und dessen Philosophien rücksichtsloser Machtpolitik zu interessieren beginnt.
    Der Leser spürt schnell, dass wir mit ihm den künftigen erfolgreichen Kaufmann vor uns haben, der seinen Weg kompromisslos, manchmal sogar skrupellos gehen will.


    Dieser kühle, distanzierte und ehrgeizige Protagonist ist das ungewöhnliche, aber auch interessante am Roman. Er ist kein typischer Sympathieträger und keine leichte Identifikationsfigur, aber die Autorin schafft es seinen Charakter logisch und mit Verständnis zu entwickeln.


    Auch Gutta, die Kaufmannstochter, ist mehr am Kontor als an Liebeleien und eitlen Geflirrte interessiert.
    Ihr Wunsch sich zu entwickeln und wie die beiden dafür bereit sind, etwas zu tun, erinnert mich an Die Pelzhändlerin oder manchmal sogar an Der Maler Gottes, auch wenn dessen Protagonist Matthias Grünewalds Ehrgeiz künstlerischer Natur war.


    Das Frankfurt des frühen 16.Jahrhundert und sein Wandel durch gesellschaftspolitische Ereignisse um historische Figuren wie z.B. Jakob Fugger, Landgraf Philipp oder Luther spielt eine große Rolle. Ines Thorn schildert die Reichsstadt so eindringlich wie realitätsnah.
    Für seine kaufmännischen Tätigkeiten geht Bertram auch auf Reisen. Gemeinsam mit ihm erlebt der Leser wahrlich schockierende Szenen, als deutsche, papstfeindliche Truppen Rom stürmen und grausame Massaker anrichten.


    Der Roman ist sorgfältig durchkomponiert und bewahrt bei aller Komplexität eine Geradlinigkeit.


    Das Ines Thorn diese Themen immer wieder beschreibt, ist keine bloße Wiederholung eines Erfolgsrezeptes, sondern der große Versuch Entwicklung und Identitätsfindung konsequent zu ergründen und immer tiefer gehender zu beschreiben.

  • Lieber Herr Palomar,



    deine Rezensionen mag ich sehr. Besonders aber mag ich sie, wenn es darin um meine Bücher geht. Selten habe ich Besprechungen gelesen, die sich so intensiv mit allen Aspekten des Schreibens beschäftigen und jedes wichtige Detail tatsächlich erwähnen.
    Ich bin sehr froh, dass ausgerechnet du der Erste warst, der diesen Roman besprochen hat. Deine Beiträge sind für mich stets ein großer Motivationsschub. Hab dafür ganz herzlichen Dank.


    Viele Grüße
    Ines

  • Vielen Dank Herr Palomar :-]


    für die ausführliche Rezi. Auf diese 5-teilige Familienchronik freue ich mich ja schon sehr und habe auch diesen 1.Teil bereits bei mir liegen. :-) Leider wird es noch etwas dauern, bis ich dazu komme, weil ich noch einige Bücher aus der Bücherei lesen muss. :wave

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Endlich wieder ein Roman von einer der momentan besten Autorinnen historischer, anspruchsvoller Unterhaltungsromane mit Tiefgang.
    Die Erwartungen sind so hoch gesteckt, dass sich der Roman einer großen Herausforderung stellen muss, zumal es sich laut Rückseite um den Auftakt einer mehrbändigen Familienchronik handelt. Trotzdem ist das Buch vollkommen eigenständig.


    Schade, dass die Verlage das nicht so sehen- sonst dürfte die Autorin vielleicht ihre Bücher unter Titeln veröffntlichen, diie dem Inhalt entsprechen.


    Wenn aber die folgenden Bücher die gleiche Qualität erreichen, wird man Ines Thorn sicherlich mit einer Gablé vergleichen können- Hoffnung besteht insoweit für weiteres großes Lesevergnügen.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Dieser kühle, distanzierte und ehrgeizige Protagonist ist das ungewöhnliche, aber auch interessante am Roman. Er ist kein typischer Sympathieträger und keine leichte Identifikationsfigur, aber die Autorin schafft es seinen Charakter logisch und mit Verständnis zu entwickeln.


    Die wirkliche Entwicklung auch der Autorin- nicht nur süßliche Sympatieträger und tumbe Unsympathe bevölkern die Geschichte, sondern Charaktere, Menschen in ihrer Zeit mit Ecken und Kanten.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Auch Gutta, die Kaufmannstochter, ist mehr am Kontor als an Liebeleien und eitlen Geflirrte interessiert.


    Sie ist sehr schön in ihren Problemen mit sich und ihrer Umwelt gezeichnet- sie erfüllt niemandes Erwartungen, nichtmal die dei an sich selbst stellt.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Das Frankfurt des frühen 16.Jahrhundert und sein Wandel durch gesellschaftspolitische Ereignisse um historische Figuren wie z.B. Jakob Fugger, Landgraf Philipp oder Luther spielt eine große Rolle. Ines Thorn schildert die Reichsstadt so eindringlich wie realitätsnah.


    Ines Thorn ist wirklich angekommen im historischen Roman, sie schreibt nicht mehr nur Entwicklungsromane vor historischer Kulisse, sondern histrischer Romane mit Entwicklung der Zeit und der Menschen in ihr.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Der Roman ist sorgfältig durchkomponiert und bewahrt bei aller Komplexität eine Geradlinigkeit.


    :write :write :write



    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Das Ines Thorn diese Themen immer wieder beschreibt, ist keine bloße Wiederholung eines Erfolgsrezeptes, sondern der große Versuch Entwicklung und Identitätsfindung konsequent zu ergründen und immer tiefer gehender zu beschreiben.


    ..und sie wird immer besser.

  • Mit großen Erwartungen habe ich dieses Buch aufgeschlagen. Zum Teil auch mit leicht skeptischen, wie ich zugeben muss. Zeit und Ort wurden von Ines Thorn bereits in einem anderen Roman geschildert. Jetzt wieder Frankfurt um 1500?


    Die hohen Erwartungen wurden erfüllt und die leicht skeptischen erwiesen sich als völlig unbegründet. Es findet sich in diesem Roman wieder sehr viel nachdenkenswertes und auch wieder eine andere Sicht auf Zeit und politische Verläufe, die im weiteren wenn mich nicht alles täuscht zeitlich auch weiter gehen.


    Mit den handelnden Personen findet sich auch wiederum eine interessante und bunte Gruppe von eigenständigen und vielschichtigen Charakteren. Hier finde ich besonders erwähnenswert, dass man diese nicht vorgesetzt bekommt, sondern einen gewissen Rahmen an Interpretationsspielräumen zur Verfügung gestellt bekommt und Motive der einzelnen Personen interpretieren darf, ohne das alles bis ins kleinste Detail vorgekaut wird.


    Ein rundum gelungener Roman. 10 Punkte

  • Leider kann ich mich den positiven Meinungen nicht uneingeschränkt anschliessen. Ich hatte über einen längeren Zeitraum wirkliche Probleme mit den Handlungsweisen und Charakteren der Pro- und Antagonisten.
    Das hat mein Lesevergnügen nachhaltig beeinträchtigt. :-(
    Entschädigt wurde ich durch das letzte Viertel. :-)
    Lesen lässt sich das Buch allerdings sehr schön und kurzweilig, die eingebauten historischen Ereignisse fand ich sehr passend und informationsreich. Ebenso positiv waren für mich die Kenntnisse, die man über die damalige Zeit und das Leben und Handeln der Kaufleute erhält.



    Das Buch bekommt von mir 6 ( ich weiss, subjektive :grin) von 10 Punkten. :-)

  • Meine Meinung:


    Mit dem Auftakt der fünfbändigen Deutschlandsaga hat Ines Thorn einen spannenden historischen Roman vorgelegt, der genau die richtige Mischung aus historischen Fakten und fiktiven Persönlichkeiten enthält. Gewohnt flüssig liest sich die Geschichte um den ehemaligen Novizen Bertram, der die Kaufmannstochter Gutta heiratet und alles dafür tut, um aus der Namenlosigkeit der Unbekannten aufzutauchen und sich einen Namen zu machen, den selbst die Ratsherren kennen und mit Respekt aussprechen. Wie nebenbei erfährt man einiges über das Leben in Frankfurt im begonnenen 16. Jahrhundert und erlebt hier nicht nur das alltägliche Leben der großen und kleinen Leute, sondern nimmt auch an ihren Sorgen teil, die sowohl geschäftlicher als auch privater Natur sind. Die Zerrissenheit der Figuren in einer Zeit des Umbruchs, in der Glauben und Aberglauben, Reformen und das Festhalten an Althergebrachtem, wird besonders eindringlich und authentisch beschrieben, so dass man sich die Figuren dank ihrer Vielschichtigkeit sehr gut vorstellen kann. Nicht immer ist man mit ihrem Handeln und Denken einverstanden, nicht immer zeigen sie sich moralisch einwandfrei, doch gerade das macht den Reiz aus und erhöht, hat man sich hierauf einmal eingelassen und vergisst die eigenen, der heutigen Zeit entsprungenen Vorstellungen, das Lesevergnügen. Die Kaufmannstochter ist der gelungene Auftakt für eine große Deutschlandsaga, auf deren Fortsetzung, in der man mehr über das Schicksal der Familie Geisenheimer und ihrer Nachkommen erfahren wird, ich mich jetzt schon freue!

  • Ein sehr schöne kurzweiliges Buch.


    Diese Buch hat mich überzeugt. Es war mein erstes von Ines Thorn. Und bestimmt nicht mein Letztes.


    Die Handlung ist logisch aufgebaut und lässt sich recht zügig lesen.


    Die Hauptakteure nicht immer einfach zu durchschauen und auch nicht immer sympathisch. Das tat dem Lesevergnügen keine Abbruch. Man war zu sehr in der Geschichte gefangen und fieberte der Entwicklung entgegen. Die historischen Fakten waren ausreichend und störten auch hier nicht den Lesefluß. Genau richtig dosiert.


    Für einen gemütlichen Lesetag auf der Couch oder wo auch immer das fast perfekte Buch.


    Absolut lesenswert !!! :lesend

  • Ich kann mich Herrn Palomar nur anschließen.


    Ines ist wieder ein sehr schönes Buch gelungen.
    Durchdachter Aufbau mit stetiger Weiterentwicklung der Charaktere.
    Spannung mit einer Spur Deftigkeit gewürzt.
    Ein Mann geht seinen Weg, verwirklicht seinen Traum/Vorstellung/Willen und muss am Schluss feststellen, dass alles seinen, bisweilen sehr hohen, Preis hat, den es zu zahlen gilt.
    Kleiner Wermutstropfen: Der Schluss ist zu schnell gekommen und zu kurz geraten.


    Aber, es bleiben viele Gedanken dem Leser überlassen.
    Danke, dass meine Phantasie zum Einsatz gelangen darf.


    Ich mochte schon die "Pelzhändlerin"- Reihe.
    Mit dem vorliegendem Buch hat Ines diese noch übertreffen können.



    Die Zeit bis zum zweiten Teil zieht sich mit Sicherheit zu lange hin. :grin

  • Ich habe das Buch in der Leserunde mitgelesen und es hat mir sehr, sehr gut gefallen. :anbet


    Vor allem freut es mich, dass es eine Serie wird. Ich mag das ganz gern. :-]


    Mir haben auch die anderen Bücher von Ines Thorn sehr gut gefallen (Die Spiegeltänzerin und Der Maler Gottes hab ich noch nicht gelesen), aber dieses hat mich schon besonders gefesselt. V. a. fand ich ganz gut, dass die Hauptprotagonisten nicht immer nur lieb und nett waren und der Rest war böse.

  • Eure Rezensionen machen unheimlich Lust auf dieses Buch, ich danke Euch allen dafür! Ich zähle mich seit "Der Pelzhändlerin" zu den Ines Thorn-Fans und hab auch fast alles gelesen ( es fehlen nur noch "Der Maler Gottes" und "Die Spiegeltänzerin, beides subst aber bereits :-]) und bin äußerst gespannt auf das neueste Buch und hab es nur noch nicht, weil ich nicht unbedingt die Weltbild-Ausgabe haben möchte, da es im April 2008 mit der Fortsetzung "Galgentochter" im Rowohlt Verlag weiter geht.


    Kann mir jemand sagen, ob auch der erste Teil noch bei Rowohlt erscheinen wird, oder aber, ob Weltbild auch alle weiteren Teile auflegen wird?

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Die Galgentochter ist nicht die Fortsetzung, das ist der Auftakt zu einer eigenständigen Reihe.


    Fragen an Ines Thorn


    Die Kaufmannstochter ist der erste Band einer fünfteiligen Familien-Chronik und erscheint nur bei Weltbild.


    Ui, echt? Wow, das ist total an mir vorbeigegangen. :bonk
    Ich danke Dir, dass Du mich von meiner Unwissenheit erlöst hast. Ich frag mich, wie ich darauf gekommen bin, dass die Bücher zusammen gehören... :gruebel
    Vermutlich weil sie so dicht aufeinander folgen... Ich würd mal sagen, ab zu Weltbild. :grin

  • Ich überlege gerade, ob ich Dir nichts falsches erzählt habe. Nicht dass die doch irgendwann bei einem anderen Verlag erscheinen. Das müsste Ines Dir aber genau sagen können.


    Bei Einzeltiteln, die als Weltbild-Premiere erscheinen, kommt es vor, dass die ca. ein halbes Jahr später auch bei einem anderen Verlag erscheinen.
    Da das hier aber eine Serie ist, vielleicht erst, wenn alle fünf bei Weltbild erschienen sind?