Dann starb Flore… Ich entdeckte wie schmal der Grat zwischen Gnade und Leere ist.
Der Erzähler in Philippe Claudels neuen Roman Flore hat seine Frau verloren. Die Frau, die ihm, nach seiner traumatischen Kindheit, als Sohn einer Hure, erstmals wahre Liebe gezeigt hat. Fassungslos steht er vor den Trümmern seiner Liebe und seines Lebens, am Leben gehalten von Fluchten in Erinnerungen und der betäubenden Wirkung des Alkohols, gefangen zwischen Unglauben und dem eigenen Todeswunsch.
Eines Tages jedoch bricht er einfach auf, fährt ziellos los, flüchtet vor all den erdrückenden Erinnerungen, die in seinem Haus lauern. Er landet in dem kleinen vergessenen Städtchen Feil, an der Maas. Dort beginnt die Bewältigung seiner Trauer in einem Jahr voller Schmerz, aber auch voller Lehren und dem Gewinn von positiver Kraft auch aus den dunkelsten Zeiten.
Die Zeit, die Leid bringt, sorgt auch dafür, es zu lindern, und es ist ein merkwürdiger Effekt, zu sehen, wie sie daran arbeitet, uns zu vernichten, bevor sie uns Erleichterung bringt.
In der von Claudel mit feinsten Worten gewobenen Geschichte, lässt er den Leser hautnah an diesem Prozess der Heilung teilhaben. Claudel schafft eine Atmosphäre von starker Intimität. Es ist eine ruhige Geschichte voller Poesie und Menschlichkeit, wie ich sie noch nie gelesen habe. Die Beschreibungen von Natur und Menschen sind unglaublich intensiv, sehr lyrisch, so dass man die Maas in ihrem grauen Wintergewand förmlich vor sich fließen und die Kornfelder im Sonnenlicht leuchten sieht. Die Beschreibungen der Gefühle sind großartig, lassen tief in die Seele eines trauernden Menschen blicken.
Ein Roman den man, wie ein feines Stück Schokolade, auf der Zunge langsam zerfließen lassen muss. Ein Gewinn für Herz und Verstand gleichermaßen.
Eines der besten Bücher 2007 für mich!
Übrigens auch eine tolle Arbeit der Übersetzerin Michaela Heinz, die mit Flore ihren ersten Roman französischer Belletristik übersetzt hat.