'Der letzte Harem' - Seiten 091 - 198

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    Original von milla


    Diese Einstellung ist auf jeden Fall selbstwerterhaltend oder sogar -steigernd ("Was ich alles geschafft habe, ich bin so ein toller Hecht!") und auf jeden Fall bequem ("Na, dafür konnte ich nun wirklich nichts..."). Und somit stehen wir vor uns selbst im denkbar günstigsten Licht da und befreien uns vor der lästigen Anstrengung, uns selbst kritisch zu betrachten...


    :gruebel In diesem Beispiel ist es aber eher so, dass man es sich bereits nachdem man nichts mehr tun kann und keine Möglichkeiten zu handeln mehr hat, etwas schönredet. Der Sultan konnte aber in dieser Situation noch handeln, tat es aber nicht.


    Zitat

    Original von Vivian
    Ich habe das so verstanden, dass man gegen das Kismet (Schiksal) eingreifen darf, aber nicht gegen das Gesetz verstoßen. Ist man mit dem Kismet zufrieden, dann greift man nicht ein.


    Ich hätte es eher so verstanden, dass sich im Kismet der Wille Alahs offenbart und die Menschen daher nicht mehr dagegen handeln dürfen, sondern sich dem Willen Allahs beugen müssen.
    Problematisch ist was Kismet ist und was nicht. Weil man kann alles als solches interpretieren, wenn man will und man kann alles als nicht Kismet interpretieren. Und es kann auch Kismet gegen Kismet stehen und was passiert dann?


    Die Szene mit der Valide verstehe ich eher so, dass sie Saliha dahingehend beeinflußt, dass sie die Schwangerschaft von Fatima nicht als Kismet ansieht, sondern dagegen handelt, weil das Gesetz des Harems über dem Kismet steht.

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    Original von taciturus
    :gruebel In diesem Beispiel ist es aber eher so, dass man es sich bereits nachdem man nichts mehr tun kann und keine Möglichkeiten zu handeln mehr hat, etwas schönredet. Der Sultan konnte aber in dieser Situation noch handeln, tat es aber nicht.


    Das ist natürlich NOCH bequemer und dazu noch mindestens fahrlässig, denn so weist man schon im Vorhinein jegliche Verantwortung von sich...

  • Diesen Teil habe ich durchgelesen; und es hat sich leider nichts geändert: die beschriebene Welt bleibt mir weiterhin verschlossen, ich finde keinen Zugang dazu.


    Ich habe mich mal nach Informationen umgesehen (weiß allerdings nicht, ob das hier jetzt schon mal gepostet wurde).


    Hier geht es zum Wikipedia-Artikel über das Osmanische Reich.


    Und hier klicken, um zu einer privaten Site zum Thema zu kommen (ich habe da bisher nur diagonal gelesen, weiß also nichts über die Qualität. Macht aber einen recht guten Eindruck.). Auf dieser Site findet man auch Landkarten, darunter eine von der letzten Ausdehnung bis 1922. Mir war gar nicht bewußt, welche Gebiete dieses Reich umfaßt hat!


    Direkte Einzelfragen habe ich momentan nicht, nur das Gefühl, daß es mich eigentlich nicht interessiert, daß es eine für mich völlig fremde und weithin unverständliche Welt ist und daß ich bisher überhaupt keinen wie auch immer gearteten Zugang dazu gefunden habe.


    Beim letzten (Leserunden-) Buch hatte ich zu Beginn auch erhebliche Probleme, doch die haben sich so nach 180 bis 200 Seiten gegeben. Hier sieht es auf Seite 200 noch gar nicht danach aus.


    Jetzt werde ich erst mal die anderen Posts lesen, und dann mal weitersehen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Taciturus
    Mit dieser islamischen Denkweise des Kismet komme ich nicht ganz klar. Ich bin gerade bei Seite 140 und der Sultan hat gerade von der Vergiftung Fatmas erfahren und zeigt einen so eigenartigen Standpunkt dazu, der schlicht nicht nachvollziehbar für mich ist.
    Was ich wiederum als eine große Stärke dieses Romans ausmache, dass man die Denkweise und Lebensart des osmanischen Reiches gezeigt bekommt.


    :write
    Ich habe in diesem Jahre einiges gelesen, was in Indien spielt (und auch ein Buch über den Hinduismus). Da ist dann ja die Rede vom Karma. Das und den dahinter stehenden Gedankengang kann ich nachvollziehen (zumal das nicht einer gewissen Logik entbehrt), doch dieser Kismetglaube ist mir so was von unverständlich und fremd.



    Zitat

    Milla
    Am Ende dieses Teils ist der Sultan ein gebrochener Mann und irgendwie habe ich jetzt doch Mitleid mit ihm,


    Ich nicht. So lange er an der Macht war, hingen Menschenleben von seinem Wohlwollen und seinen Gedankengängen ab. Ich sage nur: Uhrenaufzieher im Palast. Und hier ist er nichts weiter als ein weinerlicher Junge.



    Zitat

    Milla
    Apropos wütend... Dieser Scheich-ul-Islam ist ja wohl ein widerlicher Opportunist,


    Ich würde eher sagen, er erinnert mich durchaus an Meinungsäußerungen und Denkungsweisen heutiger islamischer Geistlicher.



    Zitat

    Peter Prange
    Nämlich in dem Widerspruch zwischen Prädestination / Voerherbestimmung durch den allwissenden und allmächtigen Gott einerseits und der menschlichen Willensfreiheit andererseits?


    Ja, an diesem Widerspruch knabbere ich auch bisweilen recht heftig. Drum habe ich mich vermutlich in den Indien-Romanen eher wohl gefühlt, weil mit deren Einstellung dieser Widerspruch in gewisser Hinsicht „aufgehoben“ ist, zumindest empfinde ich es so.



    Zitat

    Beowulf
    (...) es kann nur einen geben.


    Verwechselst du da nicht was? ;-)
    Sorry für das OT, doch bei dieser Formulierung muß ich immer sofort an Connor Mc Leod, später Duncan Mc Leod = Der Highlander denken.



    Nachdem ich nun alle Posts durchgelesen habe, bin ich um zwei Erkenntnisse reicher:


    - Juristerei ist nichts für mich (sorry Beowulf, aber Deine - vermutlich durch Deinen Beruf geprägten - Ausführungen haben mir wieder deutlich vor Augen geführt, weshalb ich mit dem, was sich „Recht“ nennt, nichts anfangen kann.


    - Wenn das die typische Denkweise ist, ist Islam eindeutig auch nichts für mich. Mit den Erklärungen zum Hinduismus komme ich (zu) gut zurecht, mit denen zum Islam überhaupt nicht.


    Ach ja, und noch habe ich vor durchzuhalten. Allerdings nicht mehr heute, sondern morgen wieder!

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin nach wie vor von dem Buch gefesselt. Die Spannung reißt nicht ab!


    Die Charaktere haben sich vertieft und sind einem näher geworden.
    Neben Elisa und Namir habe ich sogar zwischenzeitlich ein positives Band zu Abdülamid geknüpft. Seine Zerrissenheit ist mir auch sehr stark bewusst geworden.


    Ich war auch recht schockiert, wie der Sultan auf Elisa und Fatima reagierte, nachdem er zu hören bekam, dass Dr. Möbius geholfen hat.
    Es ist für mich wirklich nicht zu begreifen, warum es Kismet sein soll, dass Fatima von Saliha vergiftet wird (diese ja in irgendeiner Form auch ins Kismet eingreift - wenn man davon sprechen kann), nicht aber, dass Elisa durch den Arzt ihre Freundin zu retten versucht.
    Es wird tatsächlich mit zweierlei Maß gerechnet! Jeder entscheidet für sich selbst, wann es mal Kismet ist und wann nicht - sehr einfach!
    Aber genauso finden wir es ja bei den Islamisten mit Allah, unter dem Motto: "Allah hat mir irgendwo, im Schlaf oder in der U-Bahn, befohlen, jemanden zu töten, also tue ich das! Es war schließlich Allahs Wille!" Damit wird Ungerechtes gerechtfertigt - schlimm!
    Genauso sah ich es hier bei dieser bestimmten Passage. (Dass der Sultan Fatima nicht geholfen hat - das finde ich auch schlimm, aber gut, er hatte da mit seinen Problemen zu kämpfen - Kismet hin oder her!) Aber, dass er, nur weil Elisa einen Arzt ihrer Freundin hat helfen lassen, sie gleich ertränken zu lassen, dass ist für mich absolut unverständlich gewesen! Denn schließlich wollte Saliha auch Fatimas Leben nehmen und das war dann wieder okay, oder Kismet...
    Unbegreifliche Welt!


    Was mir am Rande aufgefallen ist: warum waren da so viele Katzen eingepfärcht? Was hatte das zu bedeuten? Später wurde am Rande erwähnt: Katzenzucht. Waren die Katzen zu Hauf in Käfige gesperrt, um sich zu vermehren, oder wie ist das zu verstehen?

    :lesend Ich lese: "Weit übers Meer" von Dörthe Binkert


    - Beständigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg -

  • Fatima ist schwanger. Damit der Palastfriede erhalten bleibt, soll sie das Kind nicht bekommen! ... versteh ich nicht. Es gibt doch nur einen Thronfolger ... wenn dem was passiert, ist doch die ganze Monarchie am Wanken! Hat man(Sultan) denn da alle schwangern Haremsdamen zur Abtreibung gezwungen?


    Dr.Felix Möbius staunt. Ich glaube, dass würde jedem von uns so gehen: eine Mischung aus 1000 und einer Nacht, Alibaba und Elektrisches Licht! Irgendwie ist das Alles sowieso ein bißchen zwiespältig: da wird der abgeschlagene Kopf des Großwesirs auf gehoben (als Mahung) und auf der anderen Seite werden Offiziere (Taifun) zum Studieren nach Deutschland geschickt! Gerade so wie es gebraucht wird!


    Saliha befolgt das Gesetz des Harems. Sie will Fatima samt ungeborenem Kind vernichten! Und Vater ewige Majestät sagt zu allem nur :"Kismet!" Mann, Mann .... :fetch Dann hat er einen Sohn,ist glücklich ... und dann kommt die Valide und sagt:" So nicht! Gottloses Weib!" Schon gerät die Welt der ewigen Maestät ins Wanken! Natürlich läßt er sich überreden, ganz so mutig ist er dann doch nicht! .... undschließlich ist er nicht mehr der "Schatten Gottes auf Erden".... sondern nur noch ein alter, unsicherer Mann.


    Was wird aus Fatima, Elisa .. und Dr.Möbius? Muss der jetzt wirklich im Verlies vor sich hin dämmern?

    :appetit Lieber stark auf'm Hintern als schwach auf der Brust :zwinker

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Bumkin ()

  • Zitat

    Original von Bumkin
    Fatima ist schwanger. Damit der Palastfriede erhalten bleibt, soll sie das Kind nicht bekommen! ... versteh ich nicht. Es gibt doch nur einen Thronfolger ... wenn dem was passiert, ist doch die ganze Monarchie am Wanken! Hat man(Sultan) denn da alle schwangern Haremsdamen zur Abtreibung gezwungen?


    Leider ja! Da gibt es doch diesen weißgekachelten Raum im Badhaus, wo eine Hebamme ihren mehr schlechten als rechten Dienst tut. Wo einige der Mütter diese Abtreibungs-Prozedur nicht überleben...

    :lesend Ich lese: "Weit übers Meer" von Dörthe Binkert


    - Beständigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg -

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    Original von Bumkin
    Fatima ist schwanger. Damit der Palastfriede erhalten bleibt, soll sie das Kind nicht bekommen! ... versteh ich nicht. Es gibt doch nur einen Thronfolger ... wenn dem was passiert, ist doch die ganze Monarchie am Wanken! Hat man(Sultan) denn da alle schwangern Haremsdamen zur Abtreibung gezwungen?


    Genau, es ging doch irgendwie darum, einen Erbstreit oder schlimmeres zu verhindern, aber du hast Recht - was passiert eigentlich, wenn der einzige Thronerbe stirbt (Krankheit, Unfall, Mord)? :gruebel

  • Und ich war bisher immer der (anscheinend irrigen) Meinung, daß so ein Sultan möglichst viele Kinder haben wollte. So wie das hier aussieht, sollten es wohl möglichst wenige sein.


    Und je weiter im ich Buch komme, um so mehr Probleme bereitet mir dieses "Kismet", was für mich immer weniger nachvollziehbar wird.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")


  • Hallo Linda,
    mir gehts genau so. Ich kann diese Hilfeverweigerung des Sultans mit Hinweis auf das "Gesetz des Harems" nicht begreifen.
    Wen ich allerdings auch nicht mag, ist der Zwerg Murat, der sein Mäntelchen in jeden Wind hängt, solange genügend Geld raus schaut.


    Unpassend fand ich die Erwähnung über Dr. Möbius und seine Gedanken zum Sitz- oder Stehpinkeln. Das gehört nicht ins Thema und ist doch uninteressant. Auch wenns ihm dann im Kerker wieder in den Sinn kommt...


    bea

    Die Dichter
    Es soll manchen Dichter geben,
    der muß dichten um zu leben.
    Ist das immer so? Mitnichten,
    manche leben um zu dichten.
    Heinz Erhardt

  • Zitat

    Original von Deutschebea
    Unpassend fand ich die Erwähnung über Dr. Möbius und seine Gedanken zum Sitz- oder Stehpinkeln. Das gehört nicht ins Thema und ist doch uninteressant. Auch wenns ihm dann im Kerker wieder in den Sinn kommt...


    bea


    Es zeigt aber auch, wie wenig er über das Land wusste, in welches er reiste und das er sich über eher nebensächlich anmutende Dinge Gedanken machte, aber über die politischen Umstände - die er dann ja selbst erlebt, sich keine großen Gedanken machte.

  • Zitat

    Original von taciturus


    Es zeigt aber auch, wie wenig er über das Land wusste, in welches er reiste und das er sich über eher nebensächlich anmutende Dinge Gedanken machte, aber über die politischen Umstände - die er dann ja selbst erlebt, sich keine großen Gedanken machte.


    Ich fand die Stelle so zum heulen lustig- genauso wie heute der Otto Normaltourist als drigenstes Problem seiner Reise ins schöne Birma wissen will welchen Lichtschutzfaktor die Sonnencreme haben soll. Naivität, die eigentlich immer weh tun sollte- Prange sei Dank Möbius später auch noch weh tut.

  • Mein interessiert neugieriges Staunen weicht einem faszinierten Staunen.


    Das Wesentliche haben die anderen bisher ja schon gesagt.


    Gut gefallen hat mir zusätzlich in diesem Teil das gelegentliche Quäntchen Humor, auch wenn dieser sich zum Teil zum Ende hin zum Teil ins Gegenteil verkehrt (siehe obiges Beispiel).


    Die Wandlung des Sultans empfinde ich als sehr berührend erzählt. Das sind die Momente, wo ich aus meiner Distanz herausrücke.


    Ich mach' mich mal gleich an den nächsten Teil.

  • In diesem Teil hatte mich die Geschichte gepackt. Es passiert auch einiges (s. Vorschreiber), so dass man gar nicht merkt, wie die Seiten verfliegen.


    Nebst den beiden Damen ist mir auch Nadir ans Herz gewachsen.


    Schade, dass er so ein Schicksal hatte.