Ein dringendes Bedürfnis

  • Sodale, hier isches wie verschbroche nochamol zum Nachläse, das Gedicht, dass in Spaichingen zum Sonderpreis verscherbelt wurde.


    Edit: Vielleicht sollte ich noch dazu sagen: Das Thema des Wettbewerbs lautete: Besetzt




    Ein dringendes Bedürfnis



    Party mit viel Sekt und Bier.
    Ebendarum steh ich hier
    am beschaulich-stillen Ort:
    Was reinfloss will nun wieder fort.


    Äußerst eng ist die Latrine.
    Es ist die einzige Kabine
    verriegelt und das Schildchen rot.
    Kein Urinal im Angebot.


    Die Blase funkt schon S.O.S.:
    „Mach ma hinne da, Express!
    Zählst du auch die Bodenfliesen,
    deutlich sei drauf hinjewiesen,
    wie ick jerade wieda merke:
    Jeduld is nich so meine Stärke.
    Mein Freund, es sei hier klar umrissen:
    Unsre Lage ist beschwerlich.“


    An Feuerwehren, Sommerregen,
    Boote, die vom Strand ablegen,
    Wasserrutschen, Schwimmturniere,
    Waschanlagen, an Geysire,
    an Niagara, denk ich kurz.
    Da ertönt ein feuchter Furz.


    Die Blase: „Meister, wollt nur wissen:
    Wird dit heut noch watt mit pinkeln?
    Watt treibt da drinne dieset Wesen?
    Den „Herrn der Ringe“ fertichlesen??
    Der soll sich ma am Riemen reißen,
    kann der Typ nich schneller schauen, dass er fertich wird?“


    Ich stelle mich dicht an den Rand
    der hölzernen Kabinenwand,
    ob sich nicht was vernehmen ließe
    durch die Tür zum Paradiese. --
    Es stöhnt. Verhalten gluckern Säfte.
    Mir schwanen größere Geschäfte...


    Als letzten Ausweg zu beflecken
    taxiere ich das Handwaschbecken.
    Ob man darein schnell heimlich kann?
    Da stellt sich einer hinten an.


    Die Blase meldet unterdessen:
    „Sagma, wäre es vermessen,
    wenn ick in Erinnrung brächte:
    Ick habe ooch jewisse Rechte!
    Leiste täglich meine Fron,
    doch, bitteschön, wer bin ick schon!
    Du kannst mich gerne weiter quälen
    und nochmal bis hundert zählen.“


    Wie ein Yogi, ganz gelassen,
    konzentriert aufs Atemfassen,
    betrachte ich mir ganz in Ruhe
    die Spitzen des Besetzers Schuhe
    untendurch aus schrägem Winkel:
    Italienisch. Feiner Pinkel.


    Darauf die Blase: „A pro Po,
    Chef, sach an, wie stehtet so?
    Willst du noch weiter hier sinnieren,
    kann ick für nüscht mehr jarantieren...“


    Ich verlass den Leidgenossen,
    der sich da drin eingeschlossen,
    weil ich jetzt sehr deutlich sehe,
    dass er nicht kann, weil ich hier stehe.


    So beschließe ich zu gehn,
    ne Runde durch den Garten drehn,
    und such, wie schon Rousseau verfuhr,
    den Weg zurück zu der Natur.

  • Ganz nett, haut mich aber nicht vom Hocker. Bißchen plump, erinnert mich ein wenig an diesen unsäglichen "Hallervorden-Humor". :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Bißchen plump :wave


    Hey, das ist kein Plumpsklo, das ist Poesie! :fetch
    (Dass Hallervorden sich mit Rousseaus Zivilisationskritik befasst hat, ist mir neu. Dass du, Voltaire, damit Probleme hast, dagegen nur allzu verständlich. ;-))


    Hab dich in Spaichingen vermisst. :wave

  • Zitat

    Original von flashfrog


    Hey, das ist kein Plumpsklo, das ist Poesie! :fetch
    (Dass Hallervorden sich mit Rousseaus Zivilisationskritik befasst hat, ist mir neu. Dass du, Voltaire, damit Probleme hast, dagegen nur allzu verständlich. ;-))


    Hab dich in Spaichingen vermisst. :wave


    Och, ich hab mit vielen Dingen so meine Probleme :grin.


    Ich hab Spaichingen nicht vermisst.... :lache

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Och, ich hab mit vielen Dingen so meine Probleme :grin.


    Ich meinte in dem Fall allerdings eher deinen philosophischen Namensgeber. ;-)
    Der Text beschreibt einen klassischen Konflikt zwischen natürlichen Bedürfnissen und anerzogenen gesellschaftlichen Tabus, wobei sich der triebhafte Teil des menschlichen Wesens hier auch sprachlich verselbständigt und ins Bewusstsein und den Sublimierungsversuchen des Ich entgegen tritt, so deutlich, dass der Autor mitunter zensierend eingreifen muss. (Darüber kann man dann lachen oder eben nicht.)
    Ich bin sicher, die Jury hat diesen philosophischen Hintergrund würdigen wollen, als sie mir den Preis zuerkannte. :-)

  • Zitat

    Original von Idgie
    Irgendwie bin ich mir sicher, dass die Wirkung sehr vom Vortrag abhängt. ;-)


    Den Eindruck teile ich. Die Geschichte ist echt klasse. Zumal die Situation wohl jeder kennt. Es ist auch richtig klasse erzählt, bestens nachvollziehbar und richtig treffend.
    Es tut ja hin und wieder gut, wenn man eigene Pein auch von andern geschildert bekommt - geteiltes Leid ist halbes Leid. Wenn das dann noch mit Worten geschieht, die man selbst so nie hätte finden können, ist das Vergnügen noch größer... Das schafft der Text richtig gut und darum hab ich das auch sehr gern gelesen.


    Leider bin ich zwischendurch immer wieder gestolpert beim Lesen, weil mir der Rhythmus nicht mehr ganz klar war. Vielleicht ist es da doch wichtig, zu hören, wie flashfrog es liest ... dann kommt es sicher ganz flüssig und stimmt. Wenn ichs lese, schaffe ich es allerdings nicht, es gibt immer mal Stellen, da sind mir ein - zwei Silben zu viel, oder zu wenig ... (dabei meine ich nicht die Stellen, in denen unsere Phantasie den Reim schon richtig vollendet, flashfrog nur aufgrund gewisser Rücksichtnahmen sozusagen Substitute einfügt...)


    Ich bin überzeugt, dass der Text, gut und geübt vorgetragen, ausserordentlichen Witz entfaltet und richtig nette Unterhaltung bieten kann.
    Große Literatur ist es nicht, will es aber wohl auch nicht sein.

  • :anfeuer


    Ganz genau flashfrog:
    Dein Gedicht ist Klasse und trifft den Nagel auf den Kopf. Ich als Eigentümerin einer Konfrimandenblase weiß, wovon Du redest. Und als Frau kann man sich noch nicht mal so einfach in der Natur erleichtern!


    Eins ist natürlich richtig: Der Rhythmus kommt beim Vorlesen besser rüber. Vor allem wenn es so gut vorgetragen wird wie von dir am Samstag.



    sala

    Beste Grüße


    sala


    "Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat" Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

  • Hallo flashfrog


    Einfach köstlich und humorvoll !


    Jedenfalls geällt es mir recht gut und ich schätze ,wenn es gut vorgelesen


    wird ,dann ist der Effekt doppelt so gut .


    L.G. teufelchen


    P.S Da die Geschmäcker unterschiedlich sind und jeder es anders aufnimmt


    ist die Resonanz wahrscheinlich nicht so begeisterungsfähig .

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Ganz nett, haut mich aber nicht vom Hocker. Bißchen plump, erinnert mich ein wenig an diesen unsäglichen "Hallervorden-Humor". :wave


    Mir kam als Stichwort eher Köln in den Sinn.
    Ist leider nicht so mein Humor.
    Aber wer weiß, das kann nach ein paar Bier sich auch noch ergeben.
    Wenn keiner schaut.
    Ist wohl Geschmackssache. Meiner Tante könnte es gefallen.