Ich hatte 'Der letzte Wunsch' ja schon vor recht langer Zeit gelesen, nämlich kurz nachdem das erste Spiel kam und mich die Witcher-Sucht erfaßte.
Ich fand es damals schon großartig, es führte dazu, dass ich bis zum bitteren Ende alle weiteren Bände verschlang. Jetzt habe ich - um der nostalgischen Zeiten willen und zur Feier des erfolgreichen Spiel-Abschlusses von Witcher2 - es nochmals zur Hand genommen und gleich an einem Abend durchgeschmökert.
Zeit, mal eine ordentliche Rezi dazu zu schreiben.
'Der letzte Wunsch' ist eine Sammlung von Kurznovellen (für Kurzgeschichten sind sie fast schon zu lang) aus dem Leben des Hexers Geralt von Riva, professioneller Monsterjäger im ewig vergeblichen Ringen um die eigene Neutralität in einer Welt voll gleichgültiger Niedertracht.
Diese Geschichten sind in eine Rahmenhandlung gefasst, die sie in einen größeren Kontext und eine Reihenfolge rücken und ihnen auch tiefere Bedeutung verleihen.
Als Leser erlebe ich ein faszinierendes Phänomen:
Ich habe diese Sammlung vor einigen Jahren schon gelesen, damals gleich mehrfach, weil dieser Humor so köstlich düster, die Handlung so spannend und zugleich tiefgründig und die Charaktere einfach überaus faszinierend sind, so dass man sich ihrem Sog kaum entziehen kann und einfach immer wieder dieses Erlebnis wiederholen möchte. Danach habe ich alle anderen Bücher gelesen, die ganze wuchtige Saga um Geralt von Riva und Ciri und alle anderen tragischen Gestalten in ihrem Bannkreis, und ich habe die beiden Spiele gespielt, die mit einer wunderbar-atmosphärischen Interpretation des von Andrzej Sapkowski entworfenen Universums aufwarten. Und jetzt lese ich 'Der letzte Wunsch' erneut, und es ist, als wären die Geschichten noch einmal gereift wie guter Wein, und hätten an Tiefe, Köstlichkeit und Aroma gewonnen.
Sie haben mir wieder einzigartigen Lesegenuß beschert, der nun, nach Kenntnis der ganzen übrigen Verwicklungen, nur noch intensiver geworden ist.
Geralt von Riva ist ein überaus faszinierender und schillernder Held, und in den Kurzgeschichten wird das komprimiert deutlich wie kaum irgendwo sonst in den Büchern.
Die Novellen aus 'Der letzte Wunsch' wie auch später dem zweiten Band, 'Schwert der Vorsehung', konzentrieren sich im Gegensatz zu den Romanen voll und ganz auf seine Person.
Seine Tragik liegt darin, dass er - wie er in einem der Romane später mal sagt - immer gegen den Wind pissen muss, obwohl er es eigentlich besser weiß. Der sich wütend weigert, das kleinere Übel zu wählen, der so gern dem Hexercodex verpflichtet Neutralität wahren würde - und es dann doch nicht schafft, weil er eben keine hirnlose Kampfmaschine ist, sonden ein zutiefst moralischer, zu oft melancholischer, alles hinterfragender Mensch. Gut, kein richtiger Mensch eigentlich, sondern ein Hexer - einen, den sie als Kind der Vorsehung von seinen Eltern genommen und einer Reihe von Kräuterkuren unterzogen haben, die unter äußersten Schmerzen Mutationen hervorrufen, die ein großer Prozentsatz der Kandidaten nicht überlebt. Der von klein auf an den Gebrauch von Giften gewöhnt und einem knüppelharten Kampf- und Überlebenstraining unterzogen wird, das ihn zu einem überragenden Kämpfer mit unmenschlichen Reflexen, hoher Schmerztoleranz und beschränkten Fähigkeiten im Gebrauch von Magie macht, in Form der Hexerzeichen. Geralts Haar ist weiß, obwohl er kein alter Mann ist, weil es im Zuge der Mutationen alle Farbpigmente verloren hat.
'Der letzte Wunsch' enthält unter anderem die aus den Spielen berühmte Episode von Geralts Kampf gegen die Striege, die verfluchte Tochter von König Foltest mit seiner eigenen Schwester. In einer anderen Geschichte erfahren wir von den Ereignissen, die dazu führten, dass Ciri, das von Menschen und Elfen gleichermaßen verfolgte Kind des Älteren Bluts, später zu Geralts Schicksalskind wird. Und schließlich - mein Favorit, berichtet die titelgebende Story davon, wie Geralt die Zauberin Yennefer von Vengerberg kennenlernt, seine Geliebte, sein Schicksal, sein Verhängnis und wie sie zueinander finden.
Es gibt in der Fantasy nur sehr wenige Weltentwürfe, die Einzigartigkeit und Frische für sich in Anspruch nehmen können, sondern das auch noch in einer geradezu furchteinflößenden Glaubwürdigkeit.
Geralt von Riva und seine Welt gehören zweifellos in diese Riege. Allein die von osteuropäischem Sagen- und Mythentum inspirierten Kreaturen und die ganz besondere Erzählstimme, eine willkommene Abwechslung von der sonst typisch angelsächsisch geprägten Fantasy, faszinieren bereits von der ersten Seite an und geben einem als Leser das Gefühl, eine ganz besondere, neuartige Welt zu betreten.
Die Weisheit, die feinsinnige Beobachtungsgabe, der Tiefgang, den man bei den Charakteren, ihren vielfältigen Motivationen und Handlungsweisen entdeckt, verschlägt einem entgültig den Atem. Dabei wird dieser Aspekt nicht vordergründig mit der großen Kelle serviert, sondern steht einfach subtil hinter sämtlichem Geschehen, durchdringt die Geschichte durch und durch ... und führt in der Quintessenz dazu, dass man sich nicht nur von der Lektüre nicht mehr lösen kann, sondern die Geschichte und die Figuren auch hinterher noch lange lange im Kopf behält und nicht aufhören kann, darüber nachzudenken.
Fazit: Lesen, Eintauchen, Verzaubern lassen!