Rowohlt, September 2007, 496 Seiten
Originaltitel: Black Swan Green, 2006 im Original erschienen
Übersetzt von Volker Oldenburg
Handlung:
1982: Es ist ein regennasser Januar in Black Swan Green, einem Dorf in der toten Mitte Englands. Jason Taylor - heimlicher Stotterer und zögernder Poet - befürchtet ein Jahr der schlimmsten Langeweile. Doch er hat weder mit einem Haufen Schulschläger noch mit köchelndem Familienzwist, dem Falklandkrieg, einem exotischen belgischen Einwanderer, einer drohenden Zigeunerinvasion oder gar mit jenen rätselhaften Geschöpfen gerechnet, die man gemeinhin Mädchen nennt. David Mitchells ebenso bezaubernder wie turbulenter neuer Roman kartographiert dreizehn Monate im Schwarzen Loch zwischen Kindheit und Adoleszenz, das Ganze im Abendrot eines heruntergekommenen Ex-Weltreichs, für dessen Bewohner der Zweite Weltkrieg immer noch nicht beendet ist. Dies ist Mitchells subtilstes, melancholischstes und lustigstes Buch - überquellend von dem Stoff, aus dem das Leben ist.
Über den Autor:
David Mitchell, geboren 1969 in Southport, wuchs in Malvern, Worcestershire auf. Er studierte Englische und Amerikanische Literatur und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität von Kent. Mitchell lebte ein Jahr auf Sizilien, bevor er nach Hiroshima, Japan, zog, wo er acht Jahre lang Technikstudenten in Englisch unterrichtete. Sein erster Roman, "Ghostwritten", gewann den Mail on Sunday/John Llewellyn Rhys Preis und landete auf der Shortlist für den Guardian First Book Award. Mitchells zweiter Roman, "number9dream" (2001), wurde 2002 für den Man Booker Preis nominiert, ebenso 2004 sein dritter Roman "Cloud Atlas". David Mitchell lebt in Irland.
Meine Meinung:
Anfangs nervt der Erzählstil mit seinem jungen Protagonist Jason Taylor aus den achtziger Jahren, bis man sich dann mit der Zeit daran gewöhnt hat.
Der Roman erinnert daran, wie unangenehm die Pubertät in dieser Zeit war, als Coolness, demonstrierte Stärke auf dem Schulhof und eine vulgäre Sprache das Leben bestimmten. Der Autor ist gnadenlos konsequent, die Dialoge bleiben authentisch und sind eigentlich nichts, was ich wirklich gerne lese.
Einige male geht mir der rotzige Ton des Romans zu weit:
S.113 BWUUUUÄH! Die erste Kotzeladung schoss mir aus dem Mund und platschte auf matschiges Gras. In der heißen Brühe schwammen Krabben- und Möhrenstücke.
Poetisch aus Sicht des Autors, aber unappetitlich für den Leser.
Oder S.115: Als erstes pinkelte ich bei speerangelweit offener Badezimmertür.
Oder S. 139 Ich … nieste zehn- oder zwanzigmal in ein popelverklebtes Taschentuch.
S.159: Moran zog den Rotz in seiner Nase hoch und schluckte ihn runter.
So geht es weiter.
Ich bin da etwas empfindlich, anderen Lesern macht das wohl eher nichts aus oder sie finden es lustig.
Immerhin schönt der Autor nichts und sein Erzähler, der sich in der Rangfolge und Hackordnung im unteren Mittelfeld einstuft beobachtet die Umgebung und sich selbst genau. Immer wieder gibt es beklemmende Beschreibungen von Schulhofquälereien.
Es gibt auch gelungene Momente, in dem die Sprache gut passt, z.B. wenn der dreizehnjährige Jason ein selbstbewusstes Mädchen trifft, kommt es zu einem wirklich amüsanten Dialog.
Richtig gut sind die Unterhaltungen, die Jason mit einer alten Frau aus Belgien führt. Madame Crommelynck, deren Welt die der Bücher und Gedichte ist.
David Mitchell versucht nebenbei, die Atmosphäre während des Falklandkrieges zu beschreiben. Damit erreicht er mich leider nicht wirklich, da auch Jason Taylor davon unbeeindruckt bleibt, wie mir scheint.
Es gibt aber einiges, was den Roman wenigstens teilweise rettet. Jason hilflose Wut auf diese gnadenlose Welt, wird sehr gut transportiert. Der Autor schafft es vergleichsweise gut, die Achtziger treffend zu beschreiben ohne zu viele modische Schlagwörter zu bemühen. Wenn er sie einsetzt, dann zweckmäßig. Zudem gibt es auch hohes Erzähltempo, das Langeweile vermeiden hilft.
Da sich der Roman mit der Zeit gesteigert hat, ist er doch lesenwert, ohne dabei gleich ein Meisterwerk zu sein.