Ich nehme jetzt einfach mal an, dass dies das Buch ist, das ich rezensieren will. Ich habe nämlich die englische Fassung, "Espresso Tales", gelesen, und zu "Hausgeflüster" findet sich keine genauere inhaltliche Beschreibung bei Amazon, außer "Die charmant neurotischen Bewohner der 44 Scotland Street sind zurück! Wieder gibt es kleine Katastrophen, große Alltagsdramen und bittersüße Glücksmomente." Gehen wir also mal davon aus, dass "Hausgeflüster" auf Deutsch der zweite Band der Reihe ist. Auf Deutsch erscheint es laut Amazon im November.
Eigentlich ist es etwas undankbar, den zweiten Band dieser wunderhübschen Reihe zu rezensieren - andererseits macht es einem die Sache sehr einfach:
Wer "44 Scotland Street" noch nicht gelesen hat, vergesse diesen Thread erst einmal und begebe sich direkt hierher. Es empfiehlt sich unbedingt, mit dem ersten Band anzufangen.
Wer "44 Scotland Street" schon gelesen hat, der weiß ohnehin ungefähr, was ihn hier erwartet. Pats Liebesleben holpert auf etwas ungewöhnlichen Wegen weiter voran (dabei ahnt man längst, wohin es idealerweise schnurstracks eilen sollte, warum merkt Pat das nicht?!), Bruce entwickelt sich noch mehr zum Kotzbrocken, Domenica glänzt erneut durch ihre klugen und des Öfteren auch skurrilen Lebensweisheiten, und Ramsey Dunbarton, der in Band 1 lediglich ein kurzes Gastspiel als Ballgast gab, liest seiner Frau Betty seine Memoiren vor. Vor allem aber erfahren wir, wie es mit dem hochbegabten und leider mit einer überambitionierten Mutter gestraften Bertie weitergeht. Schafft er es endlich, sich seine verhasste erdbeerfarbene Latzhose gegen vernünftige Jeans zu tauschen und überhaupt gelegentlich ein normaler kleiner Junge zu sein, statt seine Zeit mit Italienisch, Saxophon und Yoga zuzubringen?
Inhaltsmäßig also more of the same, wobei diesmal Bertie mengenmäßig wohl die Hauptrolle spielt. Mir scheint aber, dass der Fortsetzungsgeschichten-Charakter diesmal stärker hervortritt. Das hat den kleinen Nachteil, dass ab und zu Halbsätze eingestreut werden, mit denen der Zeitungsleser an Ereignisse aus den vorangegangenen Teilen erinnert wird, um den Zusammenhang wieder präsent zu haben, während der Buchleser denkt "das stand doch gerade zwei Seiten vorher, das weiß ich doch noch". Es hat aber auch den Vorteil (finde ich), dass die einzelnen Episoden stärker ausgearbeitet sind und besser für sich stehen können. Wenn man sich bewusst macht, dass die einzelnen Kapitel ursprünglich als Zeitungsepisoden erschienen sind und nachher eben nicht als Roman zurechtgeschliffen wurden, dann stört einen das auch nicht weiter. Man könnte sogar denken, man könne sich das Buch besser einteilen - ein mundgerechtes Häppchen hier, eines da, sodass man das Buch gut zwischendurch mal weglegen kann. Das hat bei mir allerdings ungefähr genauso gut funktioniert wie bei einer angebrochenen Tafel Schokolade oder Chipstüte.
Ich kann die Kritiker verstehen, die die Reihe nicht mögen. Sie ist sicher schräger als Maupins "Stadtgeschichten", und der Vergleich endet möglicherweise schon damit, dass ein Haus mit seinen Bewohnern Ausgangspunkt der Geschichten ist. Aber ich persönlich kann mich ihrem Charme nicht entziehen. Der zweite Band liest sich am Ende so, als hätte der Autor aufhören wollen, er gibt sich wirklich alle Mühe, einen stimmungsvollen Schluss zu schreiben - aber zum Glück lässt er noch genügend Fäden unverknüpft, und zum Glück weiß ich längst, dass noch mindestens zwei weitere Bände auf mich warten.
Also zur Zusammenfassung: Wer den ersten Band noch nicht kennt, fange unbedingt mit dem an. Wem der erste Band gefallen hat, der lese diesen. Wer sich nach dem ersten Band nicht so ganz sicher war, der lasse von diesem besser die Finger.