Mirjam. Maria Magdalena und Jesus - Regina Berlinghof

  • Erscheinungsjahr 1997
    610Seiten


    Klappentext:


    In diesem packenden Roman läßt Regina Berlinghof Menschen und Schicksale im römisch besetzten Judäa um die Zeitenwende lebendig werden. Berlinghof beleuchtet kritisch die Wurzeln von Religion und Glauben. Sie setzt auf die religiöse Erfahrung des einzelnen und weist fertige Lehren - egal ob zum Glauben oder zum Atheismus- als entmündigend zurück. Hinter allem steht die Frage: Was ist der Mensch. was ist Religion, wo ist Liebe.


    Über die Autorin:


    Homepage der Autorin


    Meine Meinung:


    In der Leserunde von Kastners "Wahres Kreuz" hat SiCollier auf dieses Buch aufmerksam gemacht und meine Neugier geweckt.


    Es war schwer zu überlegen, wo einsortieren- historischer Roman, Religion, Esoterik, Liebesroman? Von allem ein bischen. Aber der Schwerpunkt ist dann doch die Gretchenfrage, aber Sachbuch auch nicht- also historischer Roman.


    Vorweg, das Buch sollte gelesen werden, es hat die schwere Arbeit, die es macht es zu bewältigen letztlich verdient.


    Was mir nicht gefallen hat ist zum einen die Schriftgröße, die das Lesen nicht unbedingt erleichtert und die Tatsache, dass die Autoren Namen von Personen und Orten im antiken Orient in einer Schreibweise verwendet, die antikisierend sein sollen. So statt Babel, Bavel, statt Jerusalem Jeruschalaijm, Jeschua statt Jesus, Quimron statt Qumran. Da viele Namen in dem Buch vorkommen hat das mich auf die Dauer genervt.


    Regina Berlinghof erzählt das Leben der Mirjam, der Frau, die wir aus der Bibel in drei Sätzen erleben- dort ohne jeden Hintergrund, als komplette Lebensgeschichte. Dabei verwendet die Autorin verschiedene Ebenen. Zunächst eine Einleitung (keine Rahmenhandlung) in der eine Berichterstattung über einen Sensationsfund in unseren Tagen berichtet wird- Schriftrollen fast völlig unbeschädigt sind in einer Höhle in Israel gefunden woden und werden von einem jungen Archäologen, der im Auftrag der katholischen Kirche tätig ist an eine Freundin geschickt, weil er Angst hat die Wahrheit könnte unterdrückt werden. Die zweite Ebene ist die Erzählung der Lebensgeschichte eines gewissen Yoram, der sein Leben erzählt und die Geschichte seiner Beziehung zu seiner Frau. Die Geschichte eines frommen Juden, der auf der Suche ist zu seinem Gott ist und dabei die Suche nach sich selbst versäumt. Der als er die Liebe findet, die Liebe zerstört aus Angst und der unter die Räuber fällt und von niemand Hilfe erhält- bis die leicht verrückte wohlhabende Witwe Mirjam ihn mit sich nimmt, ihm hilft- wie er mit Empörung feststellt nicht anders als gestrauchelten Pferden, verletzten Vögeln oder räudigen Katzen. Dort beginnt er sein Leben und suchen aufzuschreiben, seine Jugend mit einer jüdisch streng religiösen Mutter, die den Vater nicht liebt und ihm auch keine Liebe schenkt, aber die strengen Gebote des Judentums in ihm versenkt- und das in einer heidnischen Umgebung und der Vater ist Heide. Er lernt den Vater verachten, ja hassen, wegen dessen Religion und stösst die Liebe des Vates zurück. Er ist Jude. Zur Vervollkommnung geht er in die Schule bei großern Rabbis, geht nach Qumran zu den Essenern und wird dort wegen seiner Glaubensstrenge zum potentiellen Nachfolger des Vorstehers der Gemeinde, als er wegen der Liebe zu einer Frau die Gemeinde verlässt- ein furchtbarer Sündenfall..Doch mit seiner Frau ist er glücklich, lernt die Liebe kennen, aber als die Liebe am größten ist, wird sie aus Angst und Unverständnis zu Hass. Yoram verlässt seine Frau, er lernt die Schüler des Rabbi Jesus kennen und auch diese verlässt er wieder, immer unbefriedigt von der Religiosität die er findet. Genesen von seinem Überfall lernt er bei Maria das Leben neu betrachten. Schliesslich kommt es dazu, das Mirjam sich dem Gast öffnet und ihr Leben erzählt. Zunächst ihre Jugend als verwöhntes junges und reiches Mädchen mit Bildung, das den Lehrer verführt und heiratet und deswegen aus der Familie ausgeschlossen wird. Die aus dem Gefängnis der Familie in deas Gefängnis der Ehe geflohen ist. und an diese Enge erstickt. Die nach einer Fehlgeburt zu Furie wird und die von Jesus geheilt wird, der ihr - diese Szene wird in der Bibel erwähnt- die Teufel austreibt. Dies beschreibt sie als befreiendes Erlebnis der Erkenntnis der Liebe, die in diesem Menschen Jesu liegt. Dem schliesst sie sich als Schülerin an- der Rav Jeschua ben Joseph zieht als Wanderprediger durch das Land. Sie verliebt sich in diesen Wunderrav und nicht nur in seinen Geist- doch der weist sie zurück. Er predigt die reine Liebe Gottes, die allumfassende Liebe, die keine Lust kennen darf. Von seiner Mutter Mariam erfährt sie die Geschichten seiner Jugend. hier, nach etwa der Hälfte des Buches fängt der Teil an, wegen dem das Buch im Umschlagtext die Warnung enthält, dass dieses Buch religiöse Gefühle verletzen könnte. Hier ist das beschreiben, was bei einem islamischen Text zur Fatwa führen würde, für die Autorin noch vor wenigen Jahrhunderten zum Autodaffe, dem reinigenden Feuer für Ketzer und Hexen. Die Autorin beschreibt Jesus als Kind der Liebe eines älteren Ehepaares- nicht der erste Sohn der jungfräulichen Maria, sondern der jüngste Sohn der Dreissigjährigen, die nach langen tristen Ehejahren erst die Liebe zu ihrem Mann entdeckt und in dieser Liebe ein Nesthäkchen zeugt und erzieht. Beschrieben wird auch die Geschichte der Hochzeit in Kaana- dabei wird das "Wunder" erkärt auf ganz natürlche Weise. Damit wird das Buch dann voll religiös- es geht um die Liebe als Suche nach dem Inneren Selbst, der Freiheit des Einzelnen vor Angst, der Freiheit von Sünde- so wird das Leben Jesu erzählt- bis zu einer überraschenden Erklärung für die Religionsgründung und das Überleben das mit Auferstehung nun gar nicht zu tun hat.


    Religion ist Liebe, nicht Ritual, wahre Liebe überwindet alles, alle Ängste und Probleme und die eigene Beengung, dazu gehört aber auch die Liebe zum eigenen Körper und zum Körper der Geliebten.


    Religion reizt zum Mißbrauch zur Machtausübung und der Mensch sehnt sich nicht nach Erkenntnis, sondern nach Führung. Jesus ist nicht Gottessohn, wie das die Kirche lehrt- alle Menschen sind Gottes Kinder- daher ist Gottessohn nichts was einen Menschen vom andern unterscheidet, ja vor allem keinen überhöht oder bevorzugt. Alle Geschöpfe unter dem Himel sind Geschöpfe Gottes und erfüllt von seiner Gnade und Liebe.


    Diesen Teil muß man selbst lesen, sich erarbeiten und daran abarbeiten. Es lohnt sich.

  • Danke für die Rezension; das hätte ich so nicht hingekriegt. Ich habe mal nachgesehen und festgestellt, daß ich das Buch vor rund drei Jahren gelesen habe. Beim Durchlesen Deiner Rezi ist mir erst bewußt geworden, wie viel mir nicht mehr gegenwärtig ist. Ich muß es erst noch einmal lesen, bevor ich mich hier länger auslassen kann.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")