'Cécile' - Kapitel 01 - 08

  • So, Buch ist eingetroffen und ich konnte dann auch sofort mit dem Lesen beginnen.


    Es ist schon einige Zeit her (leider), dass ich meinen letzten Fontane gelesen hatte, aber kaum hatte ich die ersten Sätze gelesen, war die Begeisterung für die Sprache Fontanes sofort wieder da. Er ist ein wirklicher Sprachkünstler. Sein Stil ist wunderbar fließend und ungekünstelt, und seine handelnden Personen werden von ihm eigentlich immer mit viel "Leben" ausgestattet. Und auch sein Augenzwinkern an einigen Stellen ist wirklich vom Feinsten.


    Fontane zeigte aber auch, dass die Welt des 19. Jahrhunderts eine reine Männerwelt gewesen ist. Frauen haben da nichts zu sagen, werden eher wie Schmuckstücke behandelt. Sie haben präsent zu sein, eine eigene Meinung gesteht man ihnen nicht zu. Insofern bildet die Malerin Rosa da schon eine nicht unbedingt übliche Ausnahme.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo Voltaire ... freu mich, dass Du dabei bist :wave



    Zitat

    Original von Voltaire
    Fontane zeigte aber auch, dass die Welt des 19. Jahrhunderts eine reine Männerwelt gewesen ist. Frauen haben da nichts zu sagen, werden eher wie Schmuckstücke behandelt. Sie haben präsent zu sein, eine eigene Meinung gesteht man ihnen nicht zu. Insofern bildet die Malerin Rosa da schon eine nicht unbedingt übliche Ausnahme.


    Ja, aber das Schöne ist, dass er Grenzen aufhebt bzw. Männer und Frauen (besonders in seinen späteren Romanen) angleicht ... achte besonders auf die Gestiken der Männer zum Ende des Buches hin und vergleiche sie mit denen Céciles ;0)

  • SiCollier


    Hey, genau wie Du es beschreibst - so sehr genieße ich die Werke Fontanes und bin so froh, dass ich noch einige Bücher zurückgehalten habe.


    zu Cécile - warum hat sie aber so ein "prinzessinnenhaftes" Wesen - alles "kleiner Hof" ?

  • Zitat

    Original von eyre
    zu Cécile - warum hat sie aber so ein "prinzessinnenhaftes" Wesen - alles "kleiner Hof" ?


    Das habe ich mich auch schon gefragt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • So, die "erste Abteilung" habe ich durch. Und wie immer bei Fontane bin ich schon nach den ersten Sätzen begeistert von seiner Sprache, von seinen Formulierungen. Er benutzt die Sprache zum etwas zu erzählen, er benutzt sie nicht, wie viele andere, für eitle Wortspielereien und dass Fontane ein wahrer Meister des Erzählens ist, das sieht man an diesem Buch wieder einmal sehr deutlich.


    Interessant auch wie er seine Personen schildert. Schnell hat man ihren Wesenzüge erkannt. Da der etwas steife Oberst, dann wieder die voll ein wenig freizügige Rosa und eben der junge Gordon, dessen Absichten wohl auch klar sein dürften.


    Ich oute mich dann mal als wirklicher "Fontane-Fan". :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Ich oute mich dann mal als wirklicher "Fontane-Fan". :wave


    Könnte sein, daß ich nach der Leserunde auch einer bin! :-) :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von eyre
    Juhuuuuu - habe ich Euch im Boot *freu* :wave


    In diesem Boot bin ich schon seit sehr vielen Jahren. :wave
    Fontane begleitet mich schon seit Anfang der Siebziger. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Noch eines zu Rosa ... ich finde sie nicht freizügig, sondern gebildet und offen ... sie streitet gern und herzlich mit Gordon und obwohl St. Arnaud der Meinung ist "brauchen Damen überhaupt nichts zu wissen", stimmt er ihr oftmals "befriedigt" zu ... Gordon ist nicht fasziniert von Rosa, aber er findet in ihr einen klugen und offenen Gegenpart ...


    Wissen macht unattraktiv ...


    Mich hat es beim Lesen gestört, dass Rosa zwar zur Unterhaltung beträgt, aber ein wohlwollenderes Lächeln erhält, als die unwissende Cécile

  • Thema Rosa, was mir da noch so durch den Kopf geht. Die Frauengestalt, die sich emanzipiert und die Grenzen, die ihr ihre Zeit setzt, überschreitet, taucht ja als Motiv (zumindest in den Büchern, die ich so in letzter Zeit gelesen bzw. hier die Rezensionen dazu verfolgt habe), öfters auf. Ich finde es sehr interessant, einer solchen Gestalt nun auch bei Fontane, also einem Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts zu begegnen. Daraus schließe ich dann, daß solche Gestalten keine Erfindung der Autoren unserer Zeit sind, sondern es sie wirklich gegeben hat.


    Zitat

    eyre
    Wissen macht unattraktiv ...


    Wohl auch eine Macht- und "Überlegenheitsfrage".



    Edit. Ergänzung, Schreibfehler berichtigt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • "Freizügig" hatte ich schon gemeint im Hinblick auf gebildet und offen, sie war eben nicht das typische "Weibchen" der damaligen Zeit sondern nahm sich offenbar das Recht auf eine eigene Meinung.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • So, die ersten 8 Kapitel habe ich nun auch durch.


    Anfangs fiel es mir etwas schwer, reinzukommen, da ich jetzt im Urlaub doch vielfach seichtere Literatur gelesen habe. Mittlerweile gefällt es mir aber ganz gut und ich bin gespannt, wie sich das Ganze weiterentwickelt.


    Mich wundert, warum von Gordon so ein Interesse an dem Paar hat. War das damals so? Was geht ihn das an?

  • Ich glaube, dass Gordon von Céciles besonderer Schönheit (wird ja mehrfach von Fontane erwähnt) angezogen ist und dass er ahnt, dass etwas in der Vergangenheit des Paars skandalumwittert ist.


    Da es außerdem sonst kaum potentielle Freunde für ihn im Hotel zu geben scheint, nähert er sich eben den beiden an.

  • Hallo Ihr Lieben,


    habe es geschafft. PC ist wieder fit, die ersten Kapitel sind gelesen. Und was ging das schnell.


    Zuallererst: Fontane ist witzig. Ja wirklich, ich habe mehrmals kichern müssen, vor allem in Quedlinburg (Kap. 8). Das Schloss ohne Sehenswürdigkeiten, der umso beredendere Kastellan. Herrlich. Amüsiert hat mich auch die Stelle, wo Rosa so erpischt auf die Tierstücke ist (was für eine Frau damals sicherlich eher ungewöhnlich ist) und die pickierte Antwort des Kastellan. In meinem Buch ist das "nicht" zum Thema sogar kursiv gedruckt. Auch die Galerie der Magdalenen mit der ebenfalls kursiven in Klammern gesetzten Bemerkung "natürlich vor dem Bußestadium" gibt mir ein lustiges Beispiel des Könnens Fontanes. Ich bewundere neben seiner Art der Naturbeschreibung, die, wie ihr schon angemerkt habt, so lebensecht ist, vor allem seinen Humor. Auch bringt er Kritik zu den damaligen Medien, also eigentlich den Tageszeitungen an, indem er in Kapitel 2 bemerkt, dass sie unter allerlei Namensverwechslungen über Persien und Indien orakeln. Der anschließende Satz mit dem Mond wurde ja schon erwähnt.


    Fontane, meine ich, schreibt recht gerne über die Schwächen der Menschen, geachtet habe ich vor allem auf die der Frauen. Cécile ist mir nicht sympathisch, zu apathisch, egoistisch und kalt ist sie mir. Ja eigentlich kann ich sie nicht recht fassen, ihr Schwanken zwischen Kindlichkeit und Passivität, Erschöpfung und Kraft ist mir nicht geheuer. Wäre sie eine Bekannte, ich würde sie für melodramatisch und anstrengend halten. Ihr Desinteresse und im Gegensatz dazu starkes Eigeninteresse würde mich irritieren. Was auch nicht ins Bild passt ist ihre Lektüre über separatistische Bewegungen in der Uckermarck. Ein politisches Thema bei solch einer Dame? Seltsam.


    So frage ich mich ebenfalls, was ein Mann wie Gordon an ihr findet. Ist es nur ihre Schönheit? Anfangs dachte ich, die spezielle Krankheit des Ehegesponses fesselte ihn, aber dann rückt Cécile immer mehr in seine Gedanken, wobei ich mir über ein Interesse als Frau noch nicht so sicher bin. Versucht er sie als etwas ihm Fremdes zu ergründen? Ihre Wechselfälle? Ich kann die Hingezogenheit dieses Mannes zu einer Frau, die so offensichtliche Schwächen hat noch nicht ganz begreifen, vielleicht kann er sich aber tatsächlich ihrer Schönheit nicht entziehen. Hat er ein zeittypisches Interessen an Damen, die zu belehren sind und das Selstdenken einstellen? Gleichzeitig ist ihre Unwissenheit aber ein Punkt, wo der Leser aufmerkt und über Rosas Aufgewecktheit fallen keine offensichtlich kritischen Worte.


    Überhaupt: Rosa, eine Frau nach meinem Geschmack. Offen, ehrlich, wissbegierig oder lerntriebig, wie Fontane es nennt. Offensichtlich das verkörperte Berlin für ihn.


    Die beiden "lustigen" Berliner Touristen sind ja ganz witzig, aber eigentlich immer einen Tick zu weit. Sie trinken recht viel und scheinen ein recht lautes Volk zu sein. Die Beschreibung der Ausrüstung hat mich allerdings auch amüsiert. Für meinen Geschmack sind sie mit ihren Mutmaßungen über Gordon und Cécile ein wenig zu schnell, auf diese Art entstehen ungerechtfertigte Gerüchte. Der Vergleich zwischen Stöpsel und Stricknadel lässt mich zwischen Heiterkeit und Empörung schwanken.


    Pierre ist mir noch nicht zu fassen, er ist ganz besorgter Ehemann mit Schutzambitionen, älter als die Dame an seiner Seite und hat neben aller Nachsicht doch auch Kritik anzubringen, wenn er ihre Lesegewohnheiten und damit ihren Bildungsstand anprangert. Er mag damit richtig liegen, andererseits die Literatur an der Stellung in der Gesellschaft zu messen ... dies schätze ich nicht.


    Ich bemerke gerade, wie lang dieser Artikel schon geworden ist. Ein Zeichen meines Interesses am Buch ;-)

  • Alles in allem hat Fontane eine interessante Auswahl an Charakteren entstehen lassen, die das Buch zu einer spannenden Angelegenheit machen. Kein Krimi, da gebe ich SiCollier recht. Seine Beschreibung mit dem Musikstück finde ich übrigens sehr nett. Die ominösen Andeutungen zum Ehepaar verführen durchaus zum weiterlesen. Ich habe noch keine Vermutung, was sein wird oder war.


    Meine angemerkten Stellen:


    Kapitel 3
    Mehrere Tage in der verrauchten Luft des "klimatischen" Kurortes und man kommt konserviert als Dauerschinken nach Hause.


    Kapitel 6
    Ein Walzer ist etwas hübsches, was auf einen Schlag viele Menschen für eine Stunde glücklich. Zeitkritik?
    Rosa will sich beim Diskutieren nicht gleich und in allen Stücken geschlagen geben. Streitsucht? Sie ist mir sehr sympathisch.
    Nett auch der Vergleich, dass einer schönen Prinzessin in Not immer geholfen wird, ein Kavalier des starken Geschlechts sich selbst zu helfen wissen muss.
    Der Begriff "Lokaldetail" in Bezug auf die Vertebrallinie. Und wie schön verschämt Cécile darauf reagiert. Hier musste ich lächeln.


    Kapitel 7
    Mein Leipzig taucht auf, wenn auch nur als Brühl. Hier war ich gleich hellwach, wo Fontane bei mir doch als Berliner Thematiker zählt.


    Kapitel 8
    Es ist so grün. Das fand ich auch ganz witzig. Ein Glück konnte ich mit dem Begriff Kloppstock etwas anfangen, wie hätte die Welt sonst auf mich herabgeschaut.
    Lustig auch die Stelle, wo eine Entscheidung zwichen Kastellan und Küster zu geschehen hatte und wie der eine sich mit Bratwurstduft zu trösten weiß. Preußen-Moral. Aber sie sind ja Preußen.
    Und dann all die Stellen, die das hüten ehemaliger Herrlichkeiten betrifft, die nicht mehr da waren. Vor allem der kärgliche Rest von Tapete und Boden. Eigentlich bewundernswert, wie ein Mann nur mit Worten versucht, alte Herrlichkeiten wiederauferstehen zu lassen.


    Auf bald ...

  • ... und dann die "Hundethematik" ... der Cécile nachtrottende große Hund Seite und das Hundegrab, welches die Treue eines Hundes monumentiert.


    :-]

  • Nein, ich habe nicht aufgegeben, sondern nur unterbrochen. Es war doch zu viel (an Leserunden und anderen Verpflichtungen); doch jetzt will ich - vor der nächsten „offiziellen“ Leserunde, diesen Roman noch fertiglesen (und hoffe, heute Abend noch durch zu sein). Da es eine Weile her ist, habe ich von vorne begonnen, und will hier noch folgendes nachtragen.


    Zweites Kapitel, zum Thema Geschwister bzw. Pärchen.
    (...) Vielleicht sind es (Anm.: Schwalben) Geschwister, oder vielleicht ein Pärchen.“
    „Oder beides. Die Schwalben nehmen es nicht so genau. Sie sind nicht so diffizil in diesen Dingen.“
    Es lag etwas Bittres in dem Ton. (...)

    Ich blicke noch immer nicht durch im Hinblick auf Céciles Vergangenheit, trotz aller Hinweise auch hier im Fred.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")