'Cécile' - Kapitel 21 - 29

  • Ceciles Mutter lebte ohne große Standesdünkerl, plauderte sogar mit der Waschfrau und hielt anscheinend das Geld nicht zusammen.
    Sie hält ihre Tochter ungebildet, wie sich selbst, schließlich sei eine junge, schöne Dame nur dazu da zu gefallen.


    War das auch eine Form von Kindesmissbrauch, oder ist sie selber Opfer?


    Nachdem Gordon das erfahren, verhält er sich Cécile gegenüber anders.

  • Interessant, wie sich direkt an den sachlichen Bericht von Clothilde die Kindheitserinnerungen und damit die persönliche Sicht von Eva Lewinski anschließt.


    Die Mutter selbst ist sehr naiv und handelt m.M. nach nicht aus Vorsatz, sondern weil sie es nicht besser weiß: "Es stand fest für sie, daß eine junge schöne Dame nur dazu da sei ,,zu gefallen, und zu diesem Zwecke sei wenig wissen besser als viel."


    Ein wenig erstaunt bin ich über das Ausmaß des Geheimnisses von Cécile. Das hatte ich mir dann doch nicht so heftig vorgestellt.


    Einmal zur Kenntnis gekommen, scheint es das Handeln der Personen unwiderruflich zu verändern. Gordon macht bei seinem Besuch Anspielungen und Avancen, die Cécile energisch zurückweist. Irgend jemand hier hat im Zusammenhang mit Cécile von mittelalterlicher Minne gesprochen. Cécile mag wohl umgarnt werden, aber mehr platonisch und spirituell.


    Nur gut, dass wieder mal ein Telegramm kommt und Gordon wegruft.

  • Da ich den Roman beendet habe, hier mein persönliches
    Fazit:
    Ich bin froh, dass wir uns für Cécile als Leserunde entschieden hatten, einen gut lesbaren Fontane, zugänglicher und weniger anstrengend als das in eine ähnliche Richtung zielende Buch "Effi Briest".


    Cécile ist ein ruhiger, verhaltener Fontane-Roman, nicht untypisch für diese Schaffensphase in Fontanes Werk.
    Die Protagonisten stehen zwischen den Zeiten. Das altmodische wird nicht mehr so vollständig akzeptiert, die modernen Ansichten aber auch noch nicht. Cécile leidet unter diesen Wandel. Da sie den Roman über oft als kränkelnd dargestellt und etwas geheimnisvolles in ihrer Vergangenheit angedeutet wird, bleibt sie als Protagonistin wenig sympathisch, aber trotzdem beeindruckend als Romanfigur.


    Die ruhigen Szenen im Harz blieben mir dauerhafer in Erinnerung als das dramatische Finale in Berlin.
    Obwohl auch da vieles nur angedeutet wird: Duell, Flucht und Selbstmord werden nur brieflichen erwähnt, nicht in Szene gesetzt. Das hat Fontane geschickt gemacht, so kam er zu einem raschen Ende, eine ausführliche Darstellung hätte dem Schluß des Romans nicht gutgetan.


    Ich würde Cécile als einen gelungenen Roman Fontanes bezeichnen, der aber letztlich in seinem Gesamtwerk eine mittlere bis untergeordnete Rolle spielt.
    Dank den gewählten Handlungsorten in Berlin und besonders im Harz, die Fontane Gelegenheit für seine wunderbaren Landschaftsbeschreibungen geben und den vielen Fontanetypischen Plaudereien, ist das Lesen mehr als lohnenswert. Fontane kann man nach wie vor mit großen Gewinn lesen, wenn auch die Sprache manchmal altmodisch anwirkt, so sind die Themen immer noch interessant.


    Ich würde das Buch für einen leichten Einstieg in Fontanes Werk sogar empfehlen.


    Für ein Wiederlesen ist Cécile auf jeden Fall eine geeignete Wahl.

  • Eyre sprach in einem anderen Abschnitt davon, dass der Leser im Schlussteil des Romans in einen Strudel gezogen wird. Genau so habe ich das auch empfunden. Die Ereignisse überschlugen sich und ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.


    So ganz kann ich das mit der Zwangsläufigkeit des Duells nicht verstehen. Das ging mir allerdings schon sehr oft in ähnlichen Büchern so. Gordons ungestümes und vor allem unschickliches Benehmen nach der Oper fasst Pierre als Beleidigung gegen sich auf. "Dabei schoß seine Auge heftige Blicke, denn er war an seiner empfindlichsten, wenn nicht an seiner einzig empfindlichen Stelle getroffen, in seinem Stolz. Nicht das Liebesabenteuer als solches weckte seinen Groll gegen Gordon, sondern der Gedanke, daß die Furcht vor ihm, dem Manne der Determiniertheiten, nicht abschreckender gewirkt hatte. Gefürchtet zu sein, einzuschüchtern, die Superiorität, die der Mut gibt, in jedem Augenblicke fühlbar zu machen, das war recht eigentlich seine Passion." (Kapitel 27)


    :gruebel


    Und Gordon muss dann wohl gemäß den unausgesprochenen Konventionen zum Duell fordern. Selbst eine Entschuldigung von Seiten Pierres kurz vorher kann das Unabwendliche nicht ändern.


    Und Cécile fand Liebe, Freundschaft und Achtung nicht in der Welt, also innerhalb der Gesellschaft. Sondern dort, wo sie von der Gesellschaft verachtet und gebrandmarkt wurde.

  • @taki 32


    Im Grunde sind das die Missstände, die Du schon angedeutet hast, finde ich - die gesellschaftlichen Konventionen zerstört das Individuum auf die eine oder andere Art: Cécile, die ja als Kind in eine Welt gestoßen wird, deren Folgen sie nicht kennen kann (erinnert mich die Kinderstars, die von ihren Eltern in die Showwelt gepresst werden) ...


    St. Arnaud, der sie zwar geheiratet hat, aber nach seinem eigenen Vergnügen strebt - selbst er hätte Cécile eine Affäre "zugetraut" (siehe Frühstücksgespräch) und sie auch gebilligt (Hure bleibt Hure). Er sieht sich gesellschaftlich dazu berechtigt, den Affront gegen sich (und nicht gegen Cécile) zu deuten und emotional zu handeln (gesellschaftliche Emotion: Verletzter Stolz) ...


    Gordon aber ist der "Schlimmste" - er, der durch die Welt gekommen ist, der die die Umstände, in denen Cécile aufgewachsen ist, verurteilt, behandelt sie dennoch als Kurtisane und erhebt einen eigenen Anspruch auf sie ... er hat ihr Wesen lange und ausgiebig studiert - er hätte erkennen können, dass sie nach Aufmerksamkeit strebt, aber sich moralisch festigen will - Hedemeyer war kein Nebenbuhler ... genau wie St. Arnaud ist es verletzter Stolz und gerade deshalb nimmt er das Duell an, denn er fühlt sich auch gesellschaftlich berechtigt, Cécile so zu behandeln (als von der Gesellschaft ausgestoßene) ...


    Cécile erblüht, wenn sie Aufmerksamkeit bekommt, aber ihre damit einhergehende kindliche Freude und Schönheit verführt die Männer und lässt sie fordern, sobald sie die ihre Vorgeschichte kennen. Ein Teufelskreis - es bleibt ihr nur der Weg zum Selbstmord bevor ihr Mann noch einen dritten oder vierten Mann erschießt ...

  • Eyre, zunächst einmal vielen, vielen Dank für die vielen klugen Kommentare zu "Cécile". Ohne deine Begleitung hätte ich das Buch sicherlich noch viel oberflächlicher gelesen.


    Im Thread zum ersten Teil hast du mehrfach vom emotionalen Gleichgewicht geschrieben, das Cécile nicht hat. Meinst du nach außen hin? Denn ihr Mann ist ja auch recht labil im Verhältnis zu Cécile, wenn er mal Cécile mit Zuneigung überhäuft und dann ohne ein Wort tagelang verschwindet. Und seine Spielleidenschaft ist seinem Ruf nach außen sicherlich auch nicht zuträglich.

  • Zitat

    Original von taki32
    Im Thread zum ersten Teil hast du mehrfach vom emotionalen Gleichgewicht geschrieben, das Cécile nicht hat. Meinst du nach außen hin? Denn ihr Mann ist ja auch recht labil im Verhältnis zu Cécile, wenn er mal Cécile mit Zuneigung überhäuft und dann ohne ein Wort tagelang verschwindet. Und seine Spielleidenschaft ist seinem Ruf nach außen sicherlich auch nicht zuträglich.


    Hey - schön, dass Du noch mal nachfragst - aber das emotionale Gleichgewicht bei St. Arnaud ist nach außen hin gegeben. Sein Verhalten gegenüber Cécile wechselt dauernd, aber emotional bleibt er stabil. Die Spielleidenschaft ist tatsächlich ein "Problem". Im 19. Jahrhundert definierte sich der Mann besonders emotional über seine Arbeit, d. h. wenn er mal erschöpft oder wütend oder was auch immer ist, konnte er diese Emotion über seine Tätigkeit erfassen und artikulieren. Außerdem waren die Herren der Mittel- und Oberschicht bestrebt, ein Gleichgewicht aus Arbeit und Freizeitgestaltung zu erhalten. Der steife, überarbeitete Mann wurde ebenso verurteilt, wie der "faule".


    St. Arnaud musste seinen Militärdienst quittieren und hat somit keine Möglichkeit, sich im Alltag zu behaupten und schon gar nicht, sich selbst über siene Arbeit emotional zu definieren. Sein verletzter Stolz beruht allein (!) auf seine militärische Präsentation, die Gordon nicht respektiert hat. D. h. St. Arnaud bezieht sich auf eine Arbeitsstellung, die er gar nicht mehr inne hat, fordert aber den Respekt dafür.


    Und Gordon - wenn du noch die Stelle liest, als er die Briefe bekommen hat, hat er Anwandlungen wie Cécile. Auch nachdem er wegen seiner Arbeit wieder unterwegs war, brachte es ihm nicht das emotionale Gleichgewicht wieder ... Fontane entriegelte damit einige emotionale Vorstellungen seiner Zeit ...

  • Das Buch hatte ich nun schon am Montag abend zu Ende gelesen.
    Mir gefiel es eigentlich soweit ganz gut, wobei ich aber sagen muss, dass ich genau wie damals bei "Effi Briest" nicht so recht den Zugang gefunden habe, was alles dahintersteckt. Ich hatte ja vorher schon geschrieben, dass es nicht so mein Fall ist, zwischen den Zeilen zu lesen.
    Sehr krass finde ich Gordons Verhalten Cecile gegenüber, als er von ihrer Vergangenheit erfahren hat. Man kann sich anscheinend nie von seiner Vergangenheit befreien, auch wenn es sich um Jugendsünden handelt oder auch gar keine andere Wahl hatte. Das hat sich meiner Meinung nach heute auch noch nicht grundlegend geändert.

  • Zitat

    Original von Akascha
    Sehr krass finde ich Gordons Verhalten Cecile gegenüber, als er von ihrer Vergangenheit erfahren hat. Man kann sich anscheinend nie von seiner Vergangenheit befreien, auch wenn es sich um Jugendsünden handelt oder auch gar keine andere Wahl hatte. Das hat sich meiner Meinung nach heute auch noch nicht grundlegend geändert.


    Über Cécile wurde mal gesagt, dass sie an der Rücksichtslosigkeit zweier Männer zerbricht. Keiner ist als "starkes" Geschlecht in der Lage, das Schicksal der verdammten Frau zu ändern. Selbst der Hofprediger steht in der Öffentlichkeit (gesellschaftliche Diner) nicht zu Cécile.


    Ich gebe Dir Recht - einen gewissen Ruf bekommt man nicht los, aber wird man heute noch in dem Maße gesellschaftlich verdammt?

  • Pierres Zuneigung für seine Frau beschränkt sich auf ihr schönes Äußeres, aber anderes scheint sie nie gewohnt gewesen zu sein. Arme schöne Frau. Und er, wenn er das Hohlköpfchen nicht mehr aushält, geht er tagelang seiner Wege und amüsiert sich andersweitig. Die Bewunderung anderer Männer für sein Schuckstück macht ihn stolz und lustig, nur zu weit darf es nicht gehen, schließlich handelt es sich um sein Eigentum.


    Cécile selbst ist Geschöpf einer dummen Mutter, deren Sinnen und Trachten sich auf den Fang von Männern beschränkte, was an sich nicht ungewöhnlich ist, nur wählte sie den falschen Weg. Cécile hat nichts ausser ihrem schönen Gesicht und eine Passivität, die es dem Leben leicht machte, mir ihr nach Belieben zu verfahren. Sehr schön und erhellend fand ich im Übrigen die Passage, worin es darum geht, das sie nie gelernt hat, Nein zu sagen. Sie ist zu schön, als das Männer ihr wiederstehen konnten und zu naiv, oder auch zu dumm, nicht mit sich machen zu lassen, was beliebt. Und warum eine Frau heiraten, wenn sie auch so mitspielt, böse ausgedrückt. In der damaligen Zeit nicht zu entschuldigen. Und trotzdem hält sich mein Mitgefühl in Grenzen. So richtig sympathisch ist sie mir nicht geworden, diese Frau, die ihr Leben in die Hand hätte nehmen können, anstatt sich in Krankheiten und Hysterien zu ergeben.


    Gordons Liebe dagegen verwundert mich nach wie vor. Dass er sich nach seinen Erkenntnissen nicht einfach abwendet ist ihm hoch anzurechnen, dass er aber den Ehemann als Grund des Übels ausmacht kann ich nur seiner Leidenschaft zuschreiben, die jegliches Maß überschreitet. Und obwohl Cécile ihn abweist und auf Freundschaft pocht, schreitet er eine Tugend zu verteidigen die keine ist. Erkennt er nicht, dass die Ehe mit Pierre Céciles einzige Chance überhaupt ist, in den Kreisen und Umständen zu leben, die sie zu brauchen glaubt? Vielleicht wägte sie ab zwischen materieller Sichereit und Liebe. Ich glaube nicht, dass Cécile ihren Ehemann überhaupt je geliebt hat. Aber vielleicht liebte sie Gordon ja doch, so könnte ich mir ihren Tod erklären.


    Unschön fand ich die Abwertung Rosas gegen Cécile durch Gordon. Sie ist mir mit ihrer pragmatischen und direkten Art soviel näher.


    Die Eifersucht aus Sittenrichterei habe ich nicht verstanden.


    Übrigens laß ich Eva Lewinsky und fragte mich promt, was die ganze Sache denn mit einer amerikanischen Praktikantin zu tun habe ;-)

  • Zitat

    eyre
    ... behandelt sie dennoch als Kurtisane und erhebt einen eigenen Anspruch auf sie ...
    ... es bleibt ihr nur der Weg zum Selbstmord bevor ihr Mann noch einen dritten oder vierten Mann erschießt ...


    Ja, das sind plausible Erklärungen. Nur konnte ich dies nie genau herauslesen.


    Zitat

    eyre
    Ich gebe Dir Recht - einen gewissen Ruf bekommt man nicht los, aber wird man heute noch in dem Maße gesellschaftlich verdammt?


    Kommt wohl darauf an, welcher Verfehlung man sich hingegeben hat. "Herumhurerei" als solches mag regional für Gesprächsstoff sorgen, weiter weg interessiert es kein Mensch mehr. Eine kriminelle Vergangenheit dagegen holt einen sicherlich schnell ein und sorgte für Ressentiments.

  • Fazit:


    Ein Roman, der interessant und schön zu lesen ist. Ich gebe Herrn Palomar dahingehend recht, dass Cécile nicht symathisch ist, jedoch beeindruckend, füge aber hinzu, dass die Figur des Gordon auf mich mehr Eindruck gemacht hat. Seine Gedanken und Gefühle, die Wandlungen vom Beobachter zum direkt Handelnden ...


    Hervorzuheben sind auf jeden Fall die Natur- und Landschaftsbeschreibungen Fontanes, welche die geschilderten Gegenden so real erscheinen lassen als befinde man sich direkt vor Ort. Sehr schön auch das vielfältige Personenensemble, mit teilweise skurilen Figuren, deren jeweilige Ansichten sicher ein breites Bild der damaligen Gesellschaft und ihren Haltungen wiedergeben.


    Ich würde auch nicht so weit gehen, die Sprache als altmodisch zu bezeichnen, man weiß schließlich worauf man sich einlässt, wenn man einen zeitgenössischen Roman liesst.


    Und da ich mich mit Céciles Motiven recht schwer getan habe, ordne ich den Roman nicht als leichte Lektüre ein. Man ist schon sehr gefordert sich in ihre Welt und die Umstände ihres Lebens hineinzufühlen, die Feinheiten der Gesellschaft und Konventionen, die unterschwelligen Botschaften des Textes. Fontane präsentiert seine Gedanken nicht auf dem Silbertablett. Dies allerdings habe ich zu schätzen gelernt.


    Alles in allem ein empfehlenswertes Buch, dass ein mehrmaliges Lesen durchaus lohnt.

  • Ich finde es immer wieder spannend, wie ihr emotional zu den zwei Frauen steht - keiner kann und will sich mit Cécile identifizieren, sondern verdammen eher die nüchterne Einstellung gegenüber Rosa ...


    aber zu Fontanes Zeit - was wären die beiden Frauen?


    Ist Cécile die "alte" Vorstellung der Romantik und Rosa die Moderne?


    Stellte Cécile sogar die absterbende Adelsschicht dar, die es zwanzig Jahre später nicht mehr geben wird (an der GEsellschaft kränkelnde Frau)?


    Oder ist es eine kritische Gegenüberstellung zweier überzeichneter Frauenfiguren, die jede für sich nicht "ernst" genommen wird: Cécile ohne Recht auf Rehabilitierung und Rosa ohne Recht auf frauliche Attraktivität? Der Bezug zu den Königinnen Elisabeth und Maria Stuart ist nicht wegzudenken (schon allein durch Gordons Name) ... Die Frau, die männliche Eigenschaften an den TAg legt, verliert ihr Ansehen als "echte" Frau ...


    ich finde, genau das hat sich bin in unsere Zeit fortgesetzt ... spricht man nicht auch den "Karriereweibern" Emotionalität und Fraulichkeit in einem gewissen Maß ab und damit ihre Attraktivität?


    das :gruebel eyre

  • Ja, ich bin eher ein Rosa-Typ, habe einen Hang zur aktiven und relativ unabhängigen Frau, die tut statt weint und sich bemitleidet. Ich schätze, dass alles nimmt mich gegen Cécile ein.


    Das Rosa von den Männern nicht angenommen wird hat mich tatsächlich empört, aber nicht verwundert. Mich empört aber auch schon die Einschätzung von Elisabeth als greuliches frigides Weib. Aber nur so kann man sich über andere erhöhen, indem man sie erniedrigt.


    Bei Aussagen zu Karriereweibern bin ich vorsichtig. Ich denke oder hoffe vielmehr, dass hier schon ein Umdenken geschieht. Was ich aber definitiv sagen kann ist, dass mich Mädchen und Frauen ärgern, die mit dem Augenaufschlag Wünsche und Ansprüche erfüllt bekommen. Hier wieder die Unselbstständigkeit. :fetch

  • Wie könnte wohl die Handlung verlaufen sein, wenn Cécile Gordon und vielleicht auch Rosa über ihre Vergangenheit aufgeklärt hätte. Wäre Gordons REaktion die gleiche gewesen?


    das mhmmmm eyre

  • Wie kann ich jetzt in Ruhe arbeiten, wenn es so spannend wird und gerade mal noch vierzig Seiten übrig sind? Mal sehen, eine „gemütliche“ Mittagspause sollte vielleicht reichen ...


    Die Rekapitulation des Gespräches zwischen Rosa und Gordon auf dem Heimweg hat mir mehr als deutlich gemacht, daß ich seit Ewigkeiten nichts mehr aus dem 19. Jahrhundert gelesen und das Gefühl für die damaligen Zeitläufte und Befindlichkeiten, die Zwischentöne und den seinerzeitigen Anstand, ziemlich verloren habe. Schade, sehr schade. Das muß ich durch entsprechende Lektüre schleunigst wieder ändern (meine, ich will fast sagen, Bibliothe, gibt in dieser Hinsicht eine Menge her! Nur wo anfangen? :gruebel )


    Und gleich nochmals der Satz: “Gebe Gott, daß es ein gutes Ende nimmt.“ Das kann ja wohl kein gutes Ende mehr nehmen.


    Der Brief von Klothilde bestätigt das schon Gesagte: ich kann die Zwischentöne aus jener Zeit nicht mehr verstehen! :cry Was ist so schlimm an der ganzen „Geschichte“; oder umschreibt das Wort „Vorleserin“ ganz andere „Dienste“? Vielleicht kommt ja noch die Aufklärung im Buch (oder es steht schon hier im Fred irgendwo).


    Im folgenden wird es dann ja weitgehend direkt angesprochen - für die damalige Zeit. Ich stehe wohl etwas auf dem Schlauch; wenn ich es recht verstanden habe, war Cécile wohl die Geliebte des alten und dann auch jungen Fürsten und kam aus nicht unbedingt solidem Elternhaus. Was damals natürlich ein Skandal war. Und da St. Arnaud sich wegen ihr duellierte und sie dann noch heiratete, waren beide wohl aus der Gesellschaft verstoßen. Was mir irgendwie nicht ganz einsichtig wurde, ist der Grund, warum St. Arnaud sie heiratete. War da doch Liebe im Spiel, oder ging es um das Gut, das Cécile geerbt hatte?


    Die weitere innere Entwicklung der Protagonisten (bis zum 27. Kapitel) empfinde ich im Vergleich zum bisherigen Buch als rasend schnell. So schnell, daß ich kaum folgen konnte. Gordon bricht plötzlich in eine Eifersucht aus, für deren Heftigkeit ich keine Vorwarnung finden konnte. Und sein Verhalten ist wirklich übel, auch nach heutigen Maßstäben.


    Und auch bis zum Ende geht es rasend schnell. So schnell, daß ich zwar die äußere Handlung verstanden, mit der inneren jedoch noch immer Probleme habe. Das St. Arnaud so einfach an die Riviera abreisen und dort anscheinend unbehelligt leben konnte?


    Über die tieferen Gründe des Selbstmordes von Cécile kann ich nur spekulieren; anscheinend hat sie Gordon doch geliebt und ist über dessen Tod schlicht zusammengebrochen.


    Übrigens gibt es in Wikipedia einen ganzen Artikel über diesen Roman (den ich allerdings jetzt erst, nachdem ich das Buch durch habe, lesen werde).


    Wie Fontane es allerdings geschafft hat, trotz des tragischen Endes eine innere Stimmung, die mit diesen Worten:
    Der Friede Gottes aber, der über alle Vernunft ist, sei mit uns allen.“
    mehr als gut beschrieben ist, zu hinterlassen, wird mir eines der großen Rätsel dieses Buches bleiben.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • eyre
    Ich weiß es nicht. Da mir Gordons Reaktionen sowieso unverständlich sind, kann ich mir hier überhaupt keine Szenarien ausmalen. Vielleicht hätte er mit Verständnis für sie reagiert und ihr die Liebe etwas zärtlicher angetragen oder heroisch verzichtet oder gar ein Verhältnis gefordert.
    Rosa hätte sich sicher nichts aus solchen Feinheiten gemacht. Meinem Bilde nach interessiert sie sich mehr für den Menschen an sich, weniger für die Meinung der Gesellschaft über diese. Vielleicht hätte sie eine Neugier auf das Warum und die Umstände entwickelt.


    SiCollier
    Oh, es kann immer ein vermeintlich gutes Ende nehmen, aber die Gefahr ist: Schaden anderer moralisch hochstehender Protagonisten, falsche Vorbilder für die Leserschaft oder schlicht Unglaubwürdigkeit der Handelnden. Mich stoßen aprupte innere Wandlungen zum Besseren immer sehr auf, wenn aus dunklen Schurken plötzlich strahlende Engel werden, überspitzt ausgedrückt.


    Und nocheinmal zu St. Arnaud: ist es nicht bitter, dass er so nebenbei zwei Leute umbringen kann, Ehrenhändel natürlich, die Gesellschaft aber viel mehr Gewese um die Liebschaften seiner Frau macht? Dabei hat sie geliebt, was etwas Gutes ist und er gemordet.

  • Liesbett   SiCollier


    Duelle waren schon lange verboten, aber trotzdem fanden sie statt und wurden gesellschaftlich akzeptiert. Um einer STrafverfolgung zu entgehen, musste man sich "eine gewisse" Zeit aus der Gegend entfernen, bis Gras über die Sache gewachsen ist oder (wie St. Arnaud im ersten Duell) Konequenzen aus der Straftat ziehen.


    Weder St. Arnaud noch Gordon sind meiner Meinung nach in Cécile verliebt. Beide sehen sie einfach als Schmuckstück an, als Faszinosum, denn Beide behandeln sie auf ihre Art als Besitztum. Selbst Cécile würde ich unterstellen, nicht geliebt zu haben, weil sie sich immer der männlichen Macht unterwarf.


    SiCollier
    Ich habe den Vorteil, dass ich mich viel mit der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts beschäftige und kann die "moralischen Empfindsamkeiten" besser erlesen. Eine Vorleserin gibt es nicht als Anstellung. Wenn Cécile eine adlige Tochter gewesen wäre und für die Gräfin als GEsellschafterin in Obhut genommen worden wäre, hätte es einen anderen moralischen Hintergrund als wenn ein unverheiratetes Mädchen "niederer Herkunft" ins Haus genommen wird. Die Mutter Céciles hat ihre Tochter vorsätzlich als Geliebte dem gräflichen Haus übergeben. Cécile hätte sich in keiner Art und Weise aus dieser Affäre ziehen können. Selbst wenn sie nicht die Geliebte gewesen wäre, ihr Ruf war hin.


    das auch einen Ruf habende eyre