Minder schwerer Fall, keine Vorstrafen, Geständnis, er hat die Jugendlichen letztlich nicht zum Konsum bewegt usw. Außerdem war er zum Tatzeitpunkt selbst erst knapp aus dem Jugendstrafrecht raus. Und es ging um THC. Aber das läßt sich schwer so wiedergeben, daß es nachvollziehbar wird - wie immer. Dazu müßte man die Verhandlung miterlebt haben, den Angeklagten und die Zeugen gesehen haben. Meiner Meinung nach ist das Strafmaß absolut okay (und ich gehöre nicht zu denjenigen, die Cannabis freigeben würden). Tatsächlich entsprach es dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Und es geht natürlich auch um Verhältnismäßigkeit. Gleich darauf wurde jemand, der gewerblich mit Kokain gehandelt hat und eine Cannabis-Plantage betrieb, von uns zu drei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Sein "Gärtner" bekam (ohne direkt am Handel beteiligt gewesen zu sein) noch ein Jahr und neun Monate. Auch geständig übrigens. Bei den etwa dreißig Fällen, die ich in diesem Jahr (ausschließlich BTM) mitverhandelt habe, gab es übrigens ausnahmslos Geständnisse.
Madeleine
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Zitat
dass der Richter in seinem Vorschlag für das Strafmaß von den Schöffen jemals überstimmt wird?
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen: Ja. Mehrfach. Übrigens auch im Hinblick auf die Urteilsfindung selbst. Aber mehr kann ich dazu nicht sagen; über die Beratungen ist Stillschweigen zu bewahren.
@BJ: Ja, gibt es. Es gibt sogar Fälle, in denen bis zu drei weitere Ersatzschöffen hinzugezogen werden, bei langen Verhandlungen, bei denen zu erwarten ist, daß der eine oder andere mal nicht kann. Aber der Normalfall ist ein hauptamtlicher und zwei Laienrichter. Oder zwei+drei am Landgericht.
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Macht da Schöffe sein noch ein positives Gefühl- ausschliesslich BTM???
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@Beo: Das wechselt jedes Jahr. Erst waren es Wirtschaftsdelikte, dann alles mögliche durcheinander, in diesem Jahr ist es BTM. Was im kommenden Jahr dran sein wird, weiß ich erst im Januar.
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@ Tom
Ich hatte meine letzte Antwort aus der Wikipedia rauskopiert.
Mir ist in den letzten 6 Jahren keine Verhandlung untergekommen in der es mehr als einen hauptberuflichen Richter und 2 Schöffen gegeben hätte....
Aber das mag ja wieder ein regionaler Unterschied sein.Die Geständnisse bei BTM-Delikten sind obligatorische, da in den meisten Fällen die Beweislage eindeutig ist, ist dies die einzige Möglichkeit, neben der so viele Kumpels wie möglich zu verpfeifen, einigermaßen ordentlich aus der Sache rauszukommen.
Dazu wird dann der Sonntagsanzug rausgekramt, Mutti ins Publikum gesetzt, damit sie dort ein wenig weint und am Besten noch eine alte Freundin heraus gekramt, mit der man in den nächsten Monaten eine Familie gründen will, außerdem schön die Schultern hängen lassen und die ganze Zeit enorm mitleidig gucken..... wirkt Wunder und senkt die Strafe um mindestens ein halbes Jahr, daß man sich draußen dann Krawatte und Anzug vom Leib reißt, seiner Mutter erstmal eine schallert und die Freundin wieder auf den Strich schickt, bekommt der Richter ja nicht mit..... -
Du bist Schöffe am LG?
Mein Ausbilder beim Schöffengericht am Amtsgerich hat seinerzeit (etwa 20 Jahre her) behauptet beim Strafmaß noch nie, bei der Frage ob Bewährung oder nicht zweimal und bei der Frage schuldig oder nicht schuldig vier oder fünfmal im 20 Jahren Berufspraxis überstimmt worden zu sein.
Hoffentlich liegt es daran, dass die Schöffen heute selbstbewußter sind.
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@Beo: Nein, am Amtsgericht.
@BJ: Am Amtsgericht sind es zwei Schöffen, am Landgericht drei.
Sonntagsanzüge und heulende Muttis habe ich noch nicht erlebt. Die meisten Angeklagten (und auch viele Zeugen) sehen aus, als wären sie eigentlich auf dem Weg zum Müllwegbringen. Jedenfalls dieses Jahr. Um Seriösität und ein akzeptables Erscheinungsbild haben sich nur die Leute im ersten Jahr (Wirtschaft) bemüht. Manchmal müssen die Angeklagten aufgefordert werden, Sonnenbrille oder Basecap abzusetzen oder die Kapuze aus dem Gesicht zu ziehen. Der Achtmonatemann hat Kaugummi gekaut, mit offenem Mund.
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.....hm dann haben die Anwälte hier die bessern Taktiken...
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Es gibt natürlich auch Fälle von Überstimmtwerden, die dann in der nächsten Instanz einfach wieder kassiert werden.
Habe einen Missbrauchsprozess erlebt, in dem die Staatsanwältin, der Verteidiger und (so schien es zumindest während der Verhandlung) auch der Richter sich nach einem Geständnis einig waren, dass zwei Jahre auf Bewährung das angemessene Strafmaß darstellen. Das Urteil lautete (und das ließ auf Überstimmung durch die Schöffen schließen) zwei Jahre ohne Bewährung.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung gingen in die Berufung, das Langericht entschied dann (bei zwei Schöffen und drei Berufsrichtern) auf Bewährung ...
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Tja churchill, auch im Deutschen gibt es Deal oder no deal
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BJ, schlechte Anwälte führen in schlechter Umgebung auch nicht zu anderem Strafmaß- und BTM in der Dimension, die du beschreibst machen die Hungerleiderpflichtis- es sei den Papa Bombastic zahlt ordentlich. Dann gehts aber auch ab im Saal. Oder hast du bei diesen Fällen schon mal mit Gutachten über THC Gehalt oder mit Gutchten 20,21 zu tun gehabt? Eher doch wohl nicht- Stundensatz 250 €, da läuft das dann.
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Nix für ungut... aber vielleicht solltet Ihr einen Extra-Thread für allerlei Diskussionen rund um Judikative, Exekutive und Legislative aufmachen?
Ich glaub, das könnte zu interessanten Diskussionen führen... "outemichschonmalalszukünftigestammleserin" -
Beo...
Ein Gutachter zum THC-Gehalt bei Cannabis wird immer gehört.
Gut meine Verhandlungen waren meist im Kilobereich, vielleicht läuft das da anders ab(who knows), einen Pflichtverteidiger auf hungerleider Basis hab ich auch nur selten gesehen.....
Aber vermutlich bewege ich mich einfach auf anderem Terrain als Tom... egal, er hat Recht, ich meine Ruhe....(Vielleicht sollte ich meine Signatur ändern, den Spruch muß in letzter Zeit so oft tippen....)
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Zitat
Original von Babyjane
Aber vermutlich bewege ich mich einfach auf anderem Terrain als Tom... egal, er hat Recht, ich meine Ruhe....(Vielleicht sollte ich meine Signatur ändern, den Spruch muß in letzter Zeit so oft tippen....)
Wieso, findest du Tom etwa arrogant? -
da mich dieses Thema auch sehr interessiert, wollt ich nochmal auf "Maddi" zurück kommen. Viele Sachen die hier aufgezählt wurden, z.B. das mit der Beruhigungsspritze waren doch gerüchte, und entsprechen nicht der Tatsache... Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es die Eltern gewesen sein solle, wenn doch, leiden sie wohl unter einer sehr agressiven Art des Münchhausen-Syndroms...
Auch dass sie ihre Kinder allein gelassen haben-wenn nichts passiert wäre, hätte sich niemand drüber aufgeregt. Die Kinder haben geschlafen, sie waren nicht weit weg vom Hotelzimmer und sind regelmäßig gucken gegangen. Noch nie mit dem babyphone zur Nachbarin gegangen wenn der Lütte geschlafen hat? Viel schlimmer finde ich es, wenn Eltern ihre Kinder zu Hause im Müll ersticken lassen, mishandeln, oder den Säugling allein lassen, während sie aufm Kietz feiern gehen. -
@ Waldläufer
Nein, ich meinte den Spruch mit dem Recht und meiner Ruhe, vielleicht sollte ich den in die Signatur setzen, dann brauch ich ihn nicht mehr tippen.
(sorry hatte deine Antwort erst jetzt entdeckt)
Tom ist nicht arrogant.... nein nein, er weiß immer alles besser, aber das ist ja hin und wieder irgendwie niedlich. -
@BJ: Ich berichte nur von meinen Erfahrungen. Ein Gutachter wird übrigens nicht immer gehört, aber es gibt immer Gutachten über den Wirkstoffgehalt der sichergestellten Drogen (die dann verlesen werden).
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Ein Gutachten ist nichts weiter als ein gerichtliches Hilfsmittel. Es muss nicht zwangsläufig erstellt werden und kein Gericht ist zudem an ein Gutachten gebunden. In der Praxis orientiert sich das Gericht natürlich an den Gutachten und zudem gibt es in einigen Bereichen schon soetwas wie eine "automatische" Gutachtenanordnung.
Das Gericht ordnet immer dann ein Gutachten an, wenn es sich davon Hilfe bei der Sachverhaltsaufklärung verspricht.
Tom
Ich dachte du bist in Spaichingen? -
Voltaire : Ein Gutachten etwa zur verminderten Schuldfähigkeit (psychologisches Gutachten) wird i.d.R. vom Gutachter vorgetragen und hat die Qualität eines Beweismittels, allerdings eines interpretierbaren (Einfluß auf Qualität der Straftat und Strafmaß). Gutachten zum Wirkstoffgehalt von Drogen werden immer automatisch angefordert, da der Wirkstoffgehalt im Hinblick auf die "(nicht) geringe Menge" ausschlaggebend ist und die Menge generell aufgrund des Wirkstoffgehalts und nicht aufgrund ihres Gewichts beurteilt wird. Bei Cannabis schwankt der Wirkstoffgehalt zwischen zwei und zwanzig Prozent, weshalb man nie über die sichergestellte Menge zu einer schlüssigen Formel käme. Diese Gutachten erstellt (zumindest in Berlin) ein von der KT beauftragtes Labor, i.d.R. ein lebensmittelchemisches übrigens.
Bin erst morgen früh auf dem Weg nach Spaichingen. Flieger nach Stuttgart -> Mietauto -> Spaichingen.
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Zitat
Original von Tom
Voltaire : Ein Gutachten etwa zur verminderten Schuldfähigkeit (psychologisches Gutachten) wird i.d.R. vom Gutachter vorgetragen und hat die Qualität eines Beweismittels, allerdings eines interpretierbaren (Einfluß auf Qualität der Straftat und Strafmaß). Gutachten zum Wirkstoffgehalt von Drogen werden immer automatisch angefordert, da der Wirkstoffgehalt im Hinblick auf die "(nicht) geringe Menge" ausschlaggebend ist und die Menge generell aufgrund des Wirkstoffgehalts und nicht aufgrund ihres Gewichts beurteilt wird. Bei Cannabis schwankt der Wirkstoffgehalt zwischen zwei und zwanzig Prozent, weshalb man nie über die sichergestellte Menge zu einer schlüssigen Formel käme. Diese Gutachten erstellt (zumindest in Berlin) ein von der KT beauftragtes Labor, i.d.R. ein lebensmittelchemisches übrigens.Bin erst morgen früh auf dem Weg nach Spaichingen. Flieger nach Stuttgart -> Mietauto -> Spaichingen.
Völlig richtig! Aber das Gericht ist in seiner Entscheidung frei, wie ein Gutachten zu bewerten ist.
Ein Gutachten muss immer durch Beschluß des Gerichtes angeordnet werden, auch wenn es dort sicher schon einen Automatismus gibt.
Dann aber in jedem Fall gute Fahrt......
....und eine schöne Zeit in Spaichingen. Herzliche Grüße an Marcel.