Max Barry ~ Chefsache

  • Kurzbeschreibung
    Nach dem bitterbösen Globalisierungsthriller »Logoland« hat Max Barry erneut zugeschlagen: In »Chefsache« führt er brillant-sarkastisch die amerikanische Management- und Firmen(un)kultur ad absurdum.
    Zephyr Holdings ist ein typischer Großkonzern voller Intrigen, absurder Management-Entscheidungen, bizarrer Mitarbeiterrichtlinien und einer Firmenphilosophie, die keiner versteht. Stephen Jones, der neue Verkaufsassistent stellt ketzerische Fragen: Was macht Zephyr überhaupt und warum? Warum verdient die sexy Rezeptionistin doppelt so viel wie alle anderen und muss nichts arbeiten? Und: Warum sind die Stockwerke verkehrt herum nummeriert? Als er es schafft, sich in das Stockwerk des Firmenchefs zu schmuggeln, findet er sich auf dem Dach des Bürogebäudes wieder. Und im eigentlich nicht existenten 13. Stockwerk stößt er auf die Vorstandsetage.


    Meine Meinung
    Max Barry schrieb das Buch mit "freundlichen Grüßen an Hewlett Packard"... da wird das ein oder andere Körnchen Wahrheit sicher drin stecken... "Email an alle" von Matt Beaumont war da noch harmlos...


    Eindeutig ein richtig gutes lesenswertes Buch, mit dem damit geworbem wird, dass es hundertmal besser ist als jedes x-beliebige Managerbuch... Recht gehabt... :grin


    PS: Viele Spoiler - viele verräterische Dinge - also nicht neugierig sein, dies trübt die Spannung beim Lesen...

  • Zitat

    Original von Lilli
    Eindeutig ein richtig gutes lesenswertes Buch, mit dem damit geworbem wird, dass es hundertmal besser ist als jedes x-beliebige Managerbuch... Recht gehabt... :grin


    Puh, ja. :wow


    Ein bisschen ging's mir mit dem Buch wie mit den Dilbert-Cartoons - "too close to home", als dass ich es wirklich witzig finden könnte... :wow Wer schon mal in einem Unternehmen gearbeitet, Reorganisationen miterlebt oder auch nur Kollegen und Chefs gehabt hat, der dürfte hier so manches Unbequeme wiederfinden. :rolleyes


    Durch die satirische Überhöhung können bei Zephyr Holdings Entscheidungen getroffen und Dinge geäußert werden, die im normalen Unternehmensalltag nur unterschwellig vorhanden sind - umso unangenehmer, das schwarz auf weiß zu lesen, was man sonst nur lästernderweise vermutet bzw. selbst idealistisch zu vermeiden versucht.


    Sehr böse, dennoch in vielem sehr witzig und gut zu lesen (ich hab's auf Englisch gelesen). Und die Grundidee ist genial.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Das "Omega-Management-System" gilt als Standard für moderne Unternehmensführung, weshalb sich der frische Universitätsabsolvent Stephen Jones ein entsprechendes Buch kauft, bevor er seine neue Stelle beim Konzern Zephyr Holdings antritt. Jones wird allerdings kein Manager, sondern Verkaufsassistent in der Abteilung "Schulungsverkauf". Dies ist die einzige Abteilung bei Zephyr, die augenscheinlich überhaupt Geschäfte macht - verblüffenderweise mit dem Konzern selbst, denn die Schulungen werden an andere Abteilungen verkauft, die nichtsdestotrotz als "Kunden" bezeichnet werden. Dies ist längst nicht die einzige Merkwürdigkeit, mit der der neue, überdurchschnittlich clevere Mitarbeiter konfrontiert wird. Das Betriebsklima wird geprägt von kleinen Intrigen (bei denen es nicht selten um Nebensächlichkeiten wie Donuts geht), permanenten Jobverlustängsten, fortwährenden strukturellen Änderungen und einer seltsamen Ungewissheit hinsichtlich der Betätigungsfelder von Zephyr. Verkürzt gesagt: Niemand weiß, was der Laden eigentlich macht - und nur wenige interessieren sich überhaupt dafür. Jones will sich damit nicht abfinden und kommt schnell hinter das Geheimnis. Zephyr ist ein Scheinbetrieb, ein Experimentierfeld, das einer Schattenunternehmung namens Alpha dazu dient, neue Managementtechniken zu erproben - eben jene, die später Bestandteil des "Omega-Systems" werden. Bevor Jones eins und eins zusammenzählen kann, wird er von Alpha okkupiert. Fortan führt er ein Doppelleben als einfacher Angestellter im sich pausenlos ändernden Unternehmen und als Agent für Alpha. Das hat zumindest einen großen Vorteil: Er ist der zauberhaften, aber karrieregeilen Eve Jantiss sehr viel näher.


    "Chefsache" mutet wie eine Satire an, zeichnet aber eigentlich ein sehr realitätsnahes Bild der Strukturen innerhalb eines Konzerns, in dem nur wenige Mitarbeiter dem Unternehmenszweck entsprechend tätig, sondern in der Hauptsache mit sich selbst beschäftigt sind, wenn sie nicht gerade mit völlig sinnlos erscheinenden neuen Managementvorgaben - insbesondere aber dem Horrorszenario "Konsolidierung" - konfrontiert werden. Die Besonderheit der Zephyr-Mitarbeiter besteht darin, keinem übergeordneten Zweck zu dienen, denn sie wissen nichts von Alpha. Jones erträgt die fortwährende Drangsalierung seiner Kollegen als Versuchskaninchen irgendwann nicht mehr und bläst zur Rebellion.


    Das Buch erinnert stark an "Ganze Arbeit" des Briten Magnus Mills, der ein ganzes Unternehmensgeflecht skizziert, das völlig unproduktiv und ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist, wobei der große Unterschied darin besteht, dass Mills' Protagonisten darum wissen. Leider versandet Barrys Managementsatire, die er seinem ehemaligen Arbeitgeber Hewlett-Packard gewidmet hat, weil er die Handlung zu einer vermeintlichen Lösung zwingen will. Hätte er das Perpetuum Mobile überleben lassen und den distanziert-lakonischen Ton des ersten Drittels beibehalten, wäre "Chefsache" ein zynisches und sehr amüsantes Buch über den ganz alltäglichen Managementwahnsinn geworden. So ist es das leider nur streckenweise, aber amüsant ist es allemal. Und erschreckend realistisch.