Ein Gedicht von F. Hebbel

  • Die Blumen, so hoch sie wachsen,


    Sind blass hier, wie der Tod;


    Nur Eine in der Mitte


    Steht da im dunkeln Rot.


    Die hat es nicht von der Sonne:


    Nie traf sie deren Gluth;


    Sie hat es von der Erde,


    Und die trank Menschenblut.



    F. Hebbel





    Mein Lieblingsgedicht. Stimmt mich wieder und wieder nachdenklich.

  • Mein Lieblingsgedicht von ihm ist das folgende,
    kopiert aus dem Gutenbergprojekt von Spiegel-Online


    Schau' ich in die tiefste Ferne...




    Schau ich in die tiefste Ferne
    meiner Kinderzeit hinab,
    steigt mit Vater und mit Mutter
    auch ein Hund aus seinem Grab.
    Fröhlich kommt er hergesprungen,
    frischen Muts, den Staub der Gruft,
    wie so oft den Staub der Straße,
    von sich schüttelnd in der Luft.


    Mit den treuen braunen Augen
    blickt er wieder auf zu mir,
    und er scheint, wie einst, zu mahnen:
    Geh' doch nur, ich folge dir!


    Denn in uns'rem Hause fehlte
    es an Dienern ganz und gar;
    doch die Mutter ließ mich laufen,
    wenn er mir zur Seite war.


    Besser gab auch keine Amme
    je auf ihren Schützling acht,
    und er hatte schärf're Waffen
    und gebrauchte sie mit Macht.


    Seine eig'nen Kameraden
    hielt er mit den Zähnen fern,
    und des Nachbars Katze ehrte
    ihn von selbst als ihren Herrn.


    Doch, wenn ich dem alten Brunnen
    spielend nahte hinterm Haus,
    bellte er mit heller Stimme
    meine Mutter gleich heraus.


    Er erhielt von jedem Bissen
    seinen Teil, den ich bekam,
    und er war mir so ergeben,
    daß er selbst die Kirschen nahm.


    Wie die beiden Dioskuren
    brachten wir die Tage hin,
    einer durch den andern glücklich,
    jede Stunde ein Gewinn.


    Macht' ich nicht auch halb vom Tode
    meinen treuen Pollux frei,
    ließ ich's nur, weil ich nicht ahnte,
    daß ich selbst der Kastor sei.


    Aber allzubald nur trübte
    uns der heitre Himmel sich;
    denn er hatte einen Fehler,
    diesen, daß er wuchs, wie ich.


    Und an ihm erschien als Sünde,
    was an mir als Tugend galt,
    da man mich ums Wachsen lobte,
    aber ihn ums Wachsen schalt.


    Immer größer ward der Hunger,
    immer kleiner ward das Brot,
    und der eine konnte essen,
    was die Mutter beiden bot.


    Als ich eines Morgens fragte,
    sagte man, er wäre fort
    und entlaufen wie ein Hase;
    doch das war ein falsches Wort.


    Noch denselben Abend kehrte
    er zu seinem Freund zurück,
    den zerbiss'nen Strick am Halse;
    doch das war ein kurzes Glück.


    Denn, obgleich er mit ins Bette
    durfte, ach, ich bat so sehr,
    war er morgens doch verschwunden,
    und ich sah ihn niemals mehr.


    Ward er an die Eisenkette
    jetzt gelegt von seinem Herrn,
    oder fiel sein Los noch härter,
    weiß ich nicht, doch blieb er fern!


    Schau' ich in die tiefste Ferne
    meiner Kinderzeit hinab,
    steigt mit Vater und mit Mutter
    auch ein Hund aus seinem Grab.