Die Mittagsfrau – Julia Franck

  • Fischer, September 2007, 432 Seiten
    Erschienen auch als Hörbuch, gelesen von der Autorin (Hörverlag DHV, ISBN: 3-86717-153-X)


    Handlung (von Amazon kopiert):
    Du wartest hier, ich bin gleich zurück", sagt Helene zu ihrem kleinen Sohn Peter, setzt ihn auf eine Bank am Bahnsteig und geht. Geht, um nie mehr zurückzukehren. Erst wenn man Helene und ihrer Lebensgeschichte zwischen zwei Weltkriegen folgt, wenn man sie durch ihre Hoffnung, Einsamkeit und Liebe hindurch begleitet, wird klar, wie diese radikale Entscheidung möglich wurde. Julia Franck erzählt in filigranem, klarem Ton ein Leben, das in die Mühlen einer furchtbaren Zeit gerät.



    Zur Autorin:
    Julia Franck wurde 1970 in Berlin (Ost) geboren. 1978 reiste die Familie aus. Sie wurde u. a. mit dem 3sat-Preis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs 2000 ausgezeichnet und mit dem Marie-Luise Kaschnitz-Preis 2004. Julia Franck lebt mit ihren zwei Kindern in Berlin.



    Meine Meinung:
    Julia Franck, die mir das erste mal im Fernsehen beim Ingeborg Bachmann Wettbewerb im Jahr 2000 in Klagenfurt aufgefallen war, bei der sie den 3Sat-Preis gewann, ist ihrem besonderen Stil treu geblieben und hat sich seit ihrem ersten Roman "Der neue Koch" sogar noch gesteigert, indem sie erzählerisch ein breiteres Spektrum abdeckt. Die Sätze sind stimmig und mit Leben erfüllt.


    Was mir am Buch aber überhaupt nicht zusagt, ist der Klappentext, der viel zu viel von der Handlung verrät. Das behindert den Leser an freien Gedankenflüssen zur Entwicklung des Romans, da der Handlungsablauf schon detailliert feststeht. Und das ist gerade bei diesem stilistisch und inhaltlich reichhaltigen Roman schade.


    Daher habe ich den Klappentext nicht geqoutet, sondern nur einen Text von Amazon.


    Eine Frau, die ihren kleinen Sohn auf dem Bahnhof stehen lässt und verschwindet, steht im Mittelpunkt. Eine ungeheuerliche Tat, die viele Fragen offen lässt. Wie sich die Handlung entwickelt und wie eine Frau so etwas tun kann, dafür nutzt Julia Franck in ihrem Roman einen Rückblick, der bis auf den kurzen Prolog und Epilog den Roman ausmacht. Sie erzählt, wie diese Frau mit jüdischen Wurzeln in den zwanziger bis vierziger Jahren aufwächst und lebt. Julia Franck entwirft ein großes Bild über diese deutsche Zeit.


    Der handlungsorientierte Roman ist von Anfang bis Ende spannend und interessant erzählt.


    Dass und wie Julia Franck erzählen kann, macht sie für mich zu einer der größten Hoffnungen der momentanen deutschen Literatur.

  • Das Buch "Die Mittagsfrau" dreht sich um eine Frau. Eine seltsame Frau. Eine, die eines Tages ihren Sohn auf dem Bahnhof stehen läßt und einfach weggeht. Was ist das für eine Frau, die so etwas tut? Und was wird aus dem Kind?


    Um diese Fragen geht es in diesem Buch. Ausführlich erfahren wir im Rückblick auf die 20er bis 40er Jahre, was letztendlich alles zu dieser drastischen Handlung geführt hat - zumindest für mich bleibt diese Tat aber dennoch völlig unverständlich.


    Das Buch war auf gewisse Art und Weise eigenartig, sperrig. Sicher ist auch das zentrale Thema des Buches kein leichtes, aber so richtig fließend lesen konnte man es auch nicht. Irgendwann stockte ich immer wieder.


    Das Buch ist in der Tat ein sehr ungewöhnlicher Familienroman - doch wirklich begeistern konnte er mich nicht. Die "Tat" ist für mich trotz aller Erklärungen so unverständlich, daß ich mich in keinster Weise in diese Handlung reinversetzen kann. So blieb ich immer kopfschüttelnd außen vor. Es war beileibe nicht schlecht geschrieben, allerdings thematisch nicht so 100% meins.


    Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, daß ein anderes Buch der Autorin meine Zustimmung finden könnte, denn schlecht geschrieben ist es, wie bereits gesagt, nicht.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ach, du Schreck! Wirklich?


    :wow


    Ich habe die Lesung gehört, die vor ein paar Wochen hier im RBB-Kulturradio am frühen Nachmittag gesendete wurde. Gelesen hat die Autorin selbst.
    Das fand ich schon schlimm genug. Ehrlich, AutorInnen sollten eher nicht lesen.


    Der Inhalt konnte mich noch weniger überzeugen, gegen Ende des Buchs habe ich das Radio schleunigst ausgeschaltet, wenn die Lesung begann.


    Nichts an der Handlung hat mich überzeugt. Ich fand auch den Ton der damaligen Zeit überhaupt nicht getroffen. Und zwar vom Ersten Weltkrieg an.
    Die Personen wurden nicht lebendig, das Leiden war einfach nur aufgesetzt.
    Vieles an der Handlung fand ich unlogisch.
    Es war künstlich.


    Für mich ist es einfach ein 'Betroffenheits-Buch', will sagen, es arbeitet offensiv mit Versatzstücken der berüchtigten deutschen Traumata. Nichts sonst.
    Ich war ziemlich vergrätzt deshalb.


    Sprachlich hat es mich auch nicht überzeugt. Es gab ein paar Stellen, an denen ich einfach lachen mußte, weil die Bilder so schief waren. Überdies war es oft unsauber formuliert.


    Sicher kein Buch für mich.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Der Roman Die Mittagsfrau hat heute den deutschen Buchpreis gewonnen! :frech :fingerhoch :freude


    Neeee, echt? Hm. So toll fand ich ihn aber nicht. Aber gut - ICH habe das ja nicht entschieden! ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Julia Franck griff mit der „Mittagsfrau“ ein Thema auf, welches in vielerlei Formen in der Literatur bereits verarbeitet wurde. In einem solchem Fall liegen meine persönlichen Erwartungen recht hoch. Die Autorin hatte es auch in sofern schwer, als dass ich unmittelbar davor „Die größere Hoffnung“ von Ilse Aichinger gelesen habe, welche ebenfalls in der von der Autorin gewählten Zeit spielt.


    Als gelungen empfand ich noch den Prolog, der den Umgang der Mutter mit dem Kind vor dem Verlassen schildert. Hier wurde ich neugierig auf die stoisch wirkende Mutter, ihre erlittene Geschichte.


    Dann sprang die Autorin zeitlich zurück und ich erfuhr etwas über die Kindheit von einer Helene in Bautzen. In diesem Teil des Buches waren mir nach kurzer Zeit die Helene zu umfänglich zugeschriebenen Gaben und Talente zu unglaubwürdig. Helene gelang es neben ihrer geistig in eigenen Welten lebenden Mutter nicht, persönlich Profil zu zeigen. Stattdessen ist sie über die Maßen gut in jeder ihr gestellten Aufgabe.
    So gut, dass es irgendwann zuviel des Guten ist.


    Die gelungenste Person im Roman ist für mich die Mutter, die in Neudeutsch wohl mit „Messie“ tituliert werden muss, was aber nicht ihre einzige interessante Facette ist. Auch die bedingungslose Liebe, die Helenes Vater mit seiner ungewöhnlichen Frau verbindet, ist durchaus gut geschildert und erreichte mich als Leser.


    Helene kommt nach Berlin und auch hier bekommt sie kein Profil. Sie erfüllt ihre Aufgaben gut, wie wir es schon von ihr kennen. Auch ihre erste, tragisch endende Liebe vermag es in meinen Augen nicht, Helene Leben zu geben.


    In der dann aus Not eingegangenen Ehe agiert Helene auch wieder so, wie wir es mittlerweile von ihr erwarten: gut.
    Überraschungen gibt es nicht, Helene wird nicht selbst aktiv, sondern reagiert immer nur auf äußere Umstände, die jedoch an jede Substanz gehen.


    Da sie viel arbeitet, bleibt wenig Zeit für das Kind, den Sohn, der doch besser hätte eine Tochter werden sollen (warum eigentlich?). Im Umgang mit dem Sohn wirkt sie kühl und distanziert. Nichtsdestotrotz liebt der Sohn sie abgöttisch und greift nach jedem Zipfel ihrer Aufmerksamkeit, derer sie ihn so spärlich zukommen lässt.


    Helene verlässt ihr Kind. Dann ist sie im Roman nicht mehr präsent.
    Nur am Ende, wo das Leben des Kindes nach dem Verlassen geschildert wird, gibt es noch einmal ein Streiflicht von ihr.


    Die Fragen, die ich mir als Leser stelle, bleiben aber weitgehend unbeantwortet und ich fühle mich alleingelassen. Wie fühlt sich eine Frau, die ihr Kind verlässt? Hat sie trotz ihres schwierigen Verhältnisses zum Sohn Schuldgefühle? Ist sie vielleicht doch erleichtert? Wie lief ihr Leben danach weiter, damit?


    Eigentlich wollte ich nächste Woche zu einer Lesung von Julia Franck gehen. Um die Frage zu stellen, warum dieses Buch aufhört, bevor es zu Ende ist.


    Da ich mich so eindringlich damit beschäftige, kann der Roman vielleicht doch nicht so schlecht gewesen sein, wie ich ihn über weite Strecken empfunden habe. ?(

  • Dieses hochgelobte Buch hat mir überhaupt nicht gefallen. Es wurde mir von meiner Kollegin (einer ausgebildeten Deutschlehrerin) empfohlen und geliehen. Zum Schluß habe ich nur noch quergelesen, aber das war auch nicht wirklich hilfreich.


    Vorher wird die Beschreibung sperrig benutzt - das trifft es für mich sehr gut.


    Im Gegenzug habe ich ihr mein Exemplar von Ulla Hahn's "Das verborgene Wort" geliehen. Ich bin sehr gespannt auf ihr Urteil. Für mich auch ein sperriges Buch, das mir aber trotzdem sehr gefallen hat.

  • Nachdem ich gestern mit der Mittagsfrau angefangen habe und nach dem Prolog gedacht habe "wie eigenartig", habe ich erst einmal weiter gelesen. So richtig komme ich aber nicht in die Geschichte rein und noch lese ich ersteinmal weiter. Aber es ging ja einigen so das sie das Buch als "sperrig" empfunden haben was es meiner Meinung nach auch ist. Mal sehen wie lange ich weiter lese oder ob ich es abbrechen werde.

  • Ich habe das Buch bereits vor längerem gelesen.


    Ich fand das Buch auch sprachlich *befremdlich*. Mir fiel vor allem auf ,das die Frauen immer schön und / oder stark, zb Leontine oder auch die verrückte Mutter, sind. Die Männer aber, bis auf den einen, den Helene liebte, Carl, Vergewaltiger, tumbe Naturen, oder naive, einfältige, eher blass beschriebene Personen sind,und an ihrer Liebe zur Frau (Vater von Helene und Martha) zugrunde gehen. Seltsam fand ich auch die Wendung am Ende. Plötzlich kommt Helene nach über 10 Jahren in den Sinn den Jungen, ihren Sohn, zu besuchen?
    Aber vielleicht konnte ich das Buch auch gerade deshalb nicht aus der Hand legen, obwohl ich es *seltsam* fand. Diese Erstarrung und Gefühllosigkeit die Helene/Alice dem eigenen Sohn entgegen bringt- die ja in seiner *Aussetzung auf dem Bahnhof endet.
    Ich habe die ganze Zeit wohl versucht das nachzuvollziehen- oder eine *Erklärung im Buch zu bekommen.
    Leider ohne Erfolg.

  • Schade, daß dieses Buch, von dem es mittlerweile ja auch die Taschenbuchausgabe gibt, bislang hier so wenig Anklang fand, denn ich finde es großartig!


    Streckenweise liest es sich tatsächlich etwas sperrig und es gab auch Sätze, die ich zwei Mal lesen musste, doch alles in allem passt die Sprache zu Helene, der Protagonistin, die auf der Flucht aus Stettin ihren kleinen Sohn Peter an einem Bahnhof in Vorpommern verlässt. Bis auf den Prolog und den Epilog, die aus der Sicht einmal des Kindes bzw. am Schluß des jungen Erwachsenen Peter geschrieben sind, wird der Roman als Rückblende und aus Helenes Sicht erzählt. Der Leser erfährt mehr und mehr, wie Helene zu dem Menschen geworden ist, der sein Kind allein am Bahnhof sitzen lässt, in den Händen einen Koffer mit der Adresse eines Onkels, den der kleine Peter noch nie gesehen hat.
    Ich bin nicht der Meinung, daß nicht erklärt wird, warum Helen diesen Schritt tut.
    Es steht sogar ziemlich genau auf der letzten Seite vor dem Epilog:

    Ich habe vielleicht mehr gespoilert als nötig, aber ich will nicht zu viel verraten...Mir hat "Die Mittagsfrau" sehr gut gefallen und ich fand, daß Julia Francksbesondere Sprache, wenn man sich auf die manchmal etwas sperrigen Sätze einlassen kann, sowohl die gefühlsreiche, als auch später die gefühlsarme Helene lebendig macht.Was mich allerdings wirklich sehr gestört hat, war, daß die Autorin im ganzen Buch auf die Anführungszeichen der wörtlichen Rede verzichtet, was mir das Lesen an manchen Stellen viel mehr erschwert hat als die Sprache an sich.FAZIT: ein großartiges Buch über das Schicksal einer Frau in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts!Wäre da nicht die Sache mit den Anführungszeichen gewesen, hätte ich 10 Punkte gegeben, so sind es 9.

  • Ich bin ebenfalls verwundert, dass dieses vielgepriesene Buch hier so wenig Beiträge findet. Wobei ich finde, dass es zu Recht gepriesen wird. Es gelingt der Autorin sehr gut, das bedrückende Leben der Helene zu beschreiben, ohne direkte Bilder zu zeichnen. Sie beschreibt subtil und indirekt, ohne zu erklären. Jeder kann sich selbst ein Bld machen. Das gefällt mir sehr gut. Ich finde auch, wenn m,an dieses Unterschwellige begreift, kann man ihr Verhalten nachvollziehen. Vielleicht nicht unbedingt verstehen...
    Die nicht gekennzeichnete wörtliche Rede hat mich auch zunächst gestört. Irgendwann hatte ich mich dran gewöhnt. Aber angenehm finde ich es nicht.
    Trotzdem gehört dieses Buch zu der Sorte Literatur, die man zweimal oder öfter lesen muss und sollte.

  • das ist das letzte Buch das ich abgebrochen habe, ich war nach ca. der Hälfte nur genervt und gelangweilt von diesem Buch ... sah nicht den Sinn der Handlung es ging nicht weiter, alles wirr - ich konnte nicht mehr weiterlesen !

  • Auch ich habe dieses Buch vor längerer Zeit gelesen (Das mit dem Koch war nicht gerade eine Empfehlung der Autorin für mich) und kann mich den hier geäußerten Kritiken nur anschließen.


    Wenn im Roman eine Erklärung für das Verhalten der Mutter geliefert werden sollte, so ist mir diese wohl entgangen. Nichts, aber auch gar nichts in ihrem Leben reicht für mich als Mutter als Rechtfertigung oder nur als Grund für so etwas wie Verständnis aus. Und das ist für mich das größte Manko des Buches. Es setzt mit einem Paukenschlag ein, mit einer Ungeheuerlichkeit, und löst die Erwartungen in keiner Weise ein, weshalb man das Buch liest.


    Alles in allem eine sehr unbefriedigende Leseerfahrung für mich.


    Cornelia

  • Unter dem Aspekt einer Erklärung für die "Tat" enttäuscht dieses Buch tatsächlich auf ganzer Linie.
    Lässt man das beiseite ist die Geschichte allerdings gar nicht schlecht... hat mich ein wenig an die Buddenbrooks erinnert. Ich habe es an sich ganz gerne gelesen, auch wenn es nicht so sehr meinen Erwartungen entsprach. Aber damit kann ich wohl mittlerweile ganz gut umgehen - immerhin ist es auch oft so, dass der Klappentext einfach Unsinn ist und man dann auch was ganz anderes vor sich hat, als erwartet.


    Ich gebe deshalb 7 von 10 Punkten.

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.

  • "Das Leben liegt in aller Herzen. Helene sagte es nebenher, als ginge es sie nichts an." (S. 209)
    Selten hat mich ein Buch von Beginn an so traurig gestimmt wie Julia Francks "Die Mittagsfrau".
    Über dem Buch liegt eine depressive und schwermütige Stimmung, die den Leser langsam einspinnt und in Helenes grauer sprachloser Welt gefangen nimmt.
    Julia Franck beginnt ihr Buch mit einem Prolog, der den Leser schonungslos mit der inneren Kälte der Protagonistin Helene konfrontiert und schockt. Sie lässt ihren Sohn Peter alleine auf einer Bank am Bahnhof in Stettin zurück und verschwindet aus seinem Leben. Im folgenden entwickelt die Autorin die Geschichte jener unglaublichen und unverständlichen Tat aus der Rückschau auf Helenes Leben.
    Die Legende, dass die Mittagsfrau Menschen um die Mittagszeit besucht und jene vergiftet, die ihr nicht die Zeit widmen, um ihr eine Geschichte zu erzählen, zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Nur dort, wo die Sprache Raum hat und wo Sprachlosigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen keinen Platz einimmt, bleibt die Mittagsfrau erfolglos und kann nichts ausrichten.
    Das hat Helene schon in ihrer eigenen Kindheit erfahren. Solange sie in der Druckerei ihres Vaters helfen darf, solange sie mit ihrem Vater und dem angestellten Drucker erzählen kann,ist ihre kleine überschaubare Kinder-Welt in Ordnung. Doch der Vater zieht in den Krieg. Helene und ihre Schwester Martha werden das erste Mal Gefangene der Mittagsfrau- in der Gestalt ihrer eigenen Mutter, die langsam das Gift des Wahnsinns in die Mädchen träufelt.
    Endlich nach dem Tod des Vaters gelingt den beiden Mädchen die Flucht nach Berlin, weg von der irren Mutter hin zur drogensüchtigen Tante Fanny. Martha wird in ihren Bann gezogen,lässt sich blenden von der schönen Scheinwelt und wird ebenfalls drogenabhängig. Wieder gelingt es der Mittagsfrau, das Leben der Mädchen zu lähmen. Die Sprachlosigkeit zwischen den Schwestern packt zu und die einst so innig Verbundenen driften auseinander.
    Wieder gelingt es Helene, sich aus den Fängen zu befreien. Diesmal ist es ein junger Student, Carl Wertheimer, in den sich Helene verliebt. Die Sprache, Bücher, Gedichte und Gespräche halten wieder Einzug in ihr Leben. Kurz vor der Hochzeit schlägt die Mittagsfrau wieder erbarmungslos zu. Carl stirbt bei einem Unfall.
    Von nun an ist Helene innerlich erstarrt und ihr Herz erkaltet. Die Sprachlosigkeit, Gleichgütligkeit und Gefühlskälte treibt sie schließlich zu dem Schritt, der den Leser im Prolog so schockt und der auch im Epilog nicht aufgelöst wird.
    Julia Franck ist ein meisterhaftes Buch gelungen. Mit einer beeindruckend starken Sprache bringt sie das unaussprechliche zum Ausdruck, ohne zu entschuldigen zeigt sie die schonungslose Wahrheit.
    Ihr gelingt es, dass der Leser einen solchen Schritt nachvollziehen kann und denoch erstarrt er vor der tatsächlichen Handlung. Die Legende der Mittagsfrau ist ein Sinnbild für das Leben an sich, das Buch ein Buch gegen die Macht der Sprachlosigkeit.
    Eine der intesnivsten Leseerfahrungen der letzten Jahre für mich, aber auch eine, die mich viel Zeit und Kraft gekostet hat.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin