05.11.2007 Hörbuchvorstellung der Polizeipoeten in Düsseldorf

  • Die Poetin ist wieder daheim.....


    Also gestiefelt und gespornt, wartete ich auf meine Mutter, welche ich im Flur schon die Treppen hoch schnaufen höre. Zwischendrin flucht sie immer mal wieder über Dachgeschosswohnungen und verdammte Kinder, die nicht im Erdgeschoß wohnen. Dann stürmt sie an mir vorbei und krallt sich meine Wimperntusche. "Brauch mal grad deine, meine war leer."
    Während sie ihr Gesicht verzieht und sich die Augen anpinselt, klingelt es schon wieder, meine seelische Verstärkung ist da. Ninchen taumelt ebenfalls die Treppen hoch und in meine Arme.
    Los los, wir sind spät dran. Wir quetschen uns in Muttis Auto und brausen los.
    Während ich den Renn-Yaris über die Autobahn prügel, krallt sich meine Mutter immer wieder im Türgriff fest und wirft mir tödliche Blicke zu. Ich bin in Eile keine Zeit für Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Muttergesetz.

    In Düsseldorf wirds heikel, wir müssen die Vollmerrather Str. entlang dann auf die Lottner Straße und dann auf den Jürgensplatz oder so ähnlich. die Vollmerather endet aber mitten im Nirgendwo und mein Navi piepst auch nur hilflos. 3 Runden um den Block und wir stehen vor einem uralten Gebäude mit der Aufschrift POLIZEI. Parkplatzsuche und reinflitzen.
    Vor der Türe stehen die obligatorischen Raucher unter anderem Volker Uhl, den ich herzlich begrüße und meiner Mutter und Nina vorstelle.
    Man schüttel brav die Händchen und wir gehen rein. Die Polizeipfarrerin kommt ebenfalls und begrüßt uns sehr nett, obwohl ich sie sehr skeptisch beäuge. Ich mag keine Kirche, da kann ich nichts für, das ist ein tief verwurzeltes Kindheitstrauma. Frau Kiehn scheint aber sehr nett zu sein.
    Irgendwer drückt mir ein Programm in die Hand und ich unterhalte mich kurz mit einer weiteren Autorin des Buches.


    Abwesend überfliege ich das Programm und atme erleichtert auf, als ich sehe, daß ich nicht lesen muß. Ich reiche das Programm an meine Mutter weiter, und lese in dem Moment doch noch meinen Namen. Darüber prangen die Worte GESPRÄCHE auf dem PODEST. Mir wird schlecht. Ich will nicht reden und ich will auch nicht auf das Podest.... schon gar nicht will ich reden UND auf das Podest.
    Dazu füllt sich der Raum, die 50 Stühle müssen nahezu verdoppelt werden. Ich schlucke und suche den Notausgang. Nina legt mir die Hand auf die Schulter und zwinkert. "Zusammenreißen! Lächeln, machst du schon!" Ich verspüre Brechreiz und mir ist kalt. Trotzdem sitze ich brav auf meinem Stühlchen und harre der Dinge die da kommen. Meine Mutter (die moralische) und Nina (die seelische Unterstützung) sitzen hinter mir. Ganz viele wichtige ältere Herren schütteln mir die Hand und sagen mir, wie toll sie die Geschichten finden und daß sie begeistert von mir sind. Ich nicke artig und bedanke mich und lächel. Vermutlich denken die Herrschaften, ich wäre irgendwie beschränkt oder blöde oder beides. Nicken, lächeln, danke sagen......dann geht die Musik an. Ich rechne ganz ehrlich mit übelstem Gitarrengeschrabbel und werde von angenehmen Klängen und einer unheimlich guten Stimme überrascht.


    Ich werde ruhiger. Mein Puls geht langsamer und der Brechreiz legt sich auch. Selbst die Kamera, die man mir direkt aufs Gesicht richtet und auf deren Bild man bestimmt jeden verschissenen Pickel sieht, bringt mich nicht mehr aus der Ruhe.
    Die Gäste werden begrüßt, Herr Hoppe, Frau Hase und der Polizeipräsident werden gesondert genannt. Ich frage mich kurz, was ich hier eigentlich mache und fange an meine Schalfransen aufzudröseln. Nina tritt mir von hinten in den Rücken.
    Die erste Geschichte wird gelesen, die zweite und dritte und alles ist wirklich schön, abgesehen, davon daß es in dem blöden Saal so kalt ist.
    Herr Hoppe liest eine Geschichte, die wahrlich sehr blutig ist, als hinter uns ein bißchen Tumult ausbricht. Einer der Zuschauerinnen ist schummerig geworden und sie wird heraus gebracht, eine Ärztin ist direkt zur Stelle. Die Geschichte, war zu viel für sie. Es herrscht eine sehr seltsame Stimmung und die Geschichten wirken nach. Sie hallen in den Köpfen und das Publikum ist nachdenklich.


    Dann wird die Pause eingeleitet. Am Buffet gibt es Futter und ich setze mich mit Mutti und Nina in ein Eckchen. Als wir uns grad die Mundwinkel sauberputzen hat uns das Fernsehen entdeckt.
    "Dürfen wir ein paar Fragen stellen?" Klar dürfen sie, aber sie wollen nicht mich fragen, sondern meine Mutter.
    Mama ist aufgeregt und reibt mit ihrer Hand fast ein Loch in die Anzughose. Dabei vergißt sie ganz zu erwähnen, daß ich ja immer schon geschrieben habe, sondern erzählt, daß ich immer schon gelesen habe. Irgendwann nehm ich ihre Hand und sie wird ruhiger und kann ordentlich antworten.
    Auch mir werden ein paar Fragen gestellt und ich erzähle zumindest, wenn ich so darüber nachdenke, totalen Quatsch, auch wenn Nina und meine Mutter, das beide vehement bestreiten und behaupten, ich hätte sehr intelligent geklungen.


    Während meine Mutter im Regen eine qualmen geht, suchen Nina und ich das Klo. Leider finden wir nur das Besucherklo. Da wir beide wissen, wer sich auf Polizeibesuchertoiletten so herumtreibt, kostet es enorme Überwindung diese Toilette zu benutzen. Ich versuche so wenig wie möglich anzufassen und mich so wenig wie möglich zu ekeln. Geht nur schwer, aber irgendwie klappts.


    Im Saal geht die Musik wieder an und wir huschen auf unsere Plätze.
    Tirzah Hase liest meine Geschichte und mein Herz klopft bis zum Hals. Komisch, wen anderen meine Worte sagen zu hören.
    Als sie fertig ist, drückt mir wer ein Mikro in die Hand und schubst mich zum Podest. Manni Breuckmann der Moderator kommt zu mir und stellt mir ein paar Fragen, ich antworte locker und versuche an etwas anderes zu denken, als da

  • ran, daß ich rückwärts vom Podest kippe, der Saal zu Buhen beginnt, oder ich plötzlich an akutem Sprachverlust leide.
    Der Redakteur des Filmteams zeigt mir, als ich mit zittrigen Schritten wieder zum Platz gehe, einen Daumen nach oben... meine Mutter strahlt vor Stolz und Nina guckt zufrieden. Sogar der Herr Polizeipräsident nickt mir wohlwollend zu. Ich schnaufe vernehmlich, ging ja doch, wenn ich bloß noch wüßte, was ich denen grad alles erzählt habe.... :gruebel :lache


    Wieder wird gelesen, dann wird der PP auf die Bühne zitiert und wenig rücksichtslos von Herrn Breuckmann interviewt. Immer wieder muß ich schmunzeln, als der Moderator ihm die Einladung entlockt, daß jeder Kollege, mit entscheidenden und schwerwiegenden Erlebnissen im Dienst, sich bei dem Herrn Präsidenten melden kann, jeder Zeit, kichert auch Nina hinter mir leise.
    Kurz habe ich die Vision, wie ich nachts nach einem tödlichen Unfall den Polizeipräsidenten aus dem Bett klingel und nach einem Gesprächstermin frage.
    Lustige Vorstellung, ob ich im Anschluß wohl noch Polizistin wäre? :chen


    Der Abend neigt sich dem Ende zu, es kommt noch eine Geschichte von meiner Autorenkollegin und ein kurzes lustiges Interview mit ihr. Dann gibts Blumen für die Damen, also auch mich und Wein für die Herren. Ich beschwer mich noch kurz daß es beim Catering nur Alt und kein Kölsch gab, dann signiere ich ein paar Bücher (huihuihui... ich darf signieren und Widmungen schreiben) und wir verabschieden uns so langsam.
    Der Heimweg ist schnell gefunden......


    Einzig die Aussage der Polizeipfarrerin hallt in meinen Ohren nach: "Ich hatte im Netz gelesen, daß sie nur nett aussehen wollten und nichts tun möchten.....das waren doch sie?"
    Ob die Dame wohl eine heimliche Eule ist?
    Dabei wäre ich doch so gern weiter hier inkognito unterwegs.... :lache

  • Schöner Bericht, danke. :wave


    Na, ob sich Frau Polizeipfarrerin outen wird? Ich bin gespannt. Dann gäbe es ja noch einen Bericht aus einem anderen Blickwinkel. :grin

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Hallo BJ,


    ein schöner Bericht. Herzlichen Glückwunsch zum ersten überstandenen Termin (Lesung kann man es ja nicht nennen, wenn du nicht gelesen hast ;-)) :-). Scheint ja alles so weit geklappt zu haben und ich bin gespannt, ob du das Filmchen auch zu sehen bekommst. Dass du dich an nichts erinnerst was du gesagt hast, kenne ich, ging mir bei einem Fernsehinterview auch so, genau wie beim Radio. Den Fernsehbeitrag hatten sie dann auf eine Antwort gekürzt (und natürlich genau die genommen, die nun so gar keinen richtigen Sinn hatte), den Radiobeitrag habe ich nie gehört. ;-) Das mit Übelkeit, kalten Fingern, zittern usw. geht mir auch jedes Mal so. Es gibt aber auch viele Autoren, die sich daran gewöhnen und denen es dann irgendwann vor Lesungen gar nicht mehr schlecht geht. Ich wünsche dir, dass du dazu gehörst. :-)


    Schön dass so viele Leute da und auch interessiert waren, dann hat sich das alles gelohnt. :-)



    Viele Grüße,


    Michelle

  • Hm... also aktuelle Stunde weiß ich nicht.
    Das Filmteam war ja hauptsächlich wegen mir da, weil die halt zur Zeit so einen Bericht über mich und zwei andere Autoren drehen.
    Haben schon hier zu Hause gedreht, dann halt jetzt bei meinem "Termin" und nächste Woche filmen sie noch mal im Dienst.
    Der Bericht ist bereits an den SWR 3 verkauft, wann und in welchem Format er aber gesendet wird, weiß ich nicht.
    Natürlich geb ich den Eulen Bescheid....


    @ Susanne
    Sei froh, meine Begleiterinnen liegen aufgrund der Kälte in diesem zugigen Saal nun beide mit fiesen Erkältungen im Bett.
    Nur ich bin noch fit und das wohl auch nur, weil ich mich geweigert habe mein Jäckchen auszuziehen..... :grin
    Außerdem wäre ich dann ja noch nervöser gewesen.....

  • WOW, sehr schöner und lustiger Bericht BJ. Danke dafür. :-) Finde ich wirklich sehr lieb, das deine Mutter und deine Schwester (Ninchen ist doch deine Schwester?) dich begleitet und moralisch unterstützt haben. Aber meine Meinung zu sowas kennst du ja. ;-) Von wegen Familienzusammenhalt und so.


    Und Susanne, schade, dass ihr euch wieder verpasst habt, BJ dich hier in Bergheim und nun du BJ in Düsseldorf (ups, ich hätte beinahe Feindesland gesagt *schäm*). :wave