Hallo, Grizzly.
ZitatNein, dem widerspreche ich entschieden. Du wirst auf einer Seite, entsprungen der Feder Manns, Goethes, Walsers oder Nietzsches, deutlich mehr Denkansätze finden, als in Browns Illuminati und sämtlichen Werken Hohlbeins zusammen.
Es genügt ein beliebiges Sonett von Shakespeare.
Ich finde übrigens, daß Walser nicht in diese Liste paßt.
Hohlbein erzählt Geschichten, die wenige Fragen offenlassen, die keinen großartigen Kontext besitzen, von einer Meta-Ebene ganz zu schweigen - der Text ist "as is", sozusagen, er funktioniert ganz alleine, ohne Vorkenntnisse oder einen gewissen Bildungsstand. Er erreicht natürlich auch nicht viel - außer, den Leser zu unterhalten (was eine große Leistung ist), in ihm Gefühle zu wecken, in Stimmungen zu bringen, unter Spannung zu setzen, Erwartungshaltungen auf- und wieder abzubauen. Auch Texte von Goethe, Nietzsche, Proust oder Shakespeare kann man auf diese Art lesen und konsumieren. Wenn man will, kann man den "Faust" einfach als Geschichte verstehen. Oder den "Werther". Oder "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Es hängt vom Leser ab, ob der Text mehr erreicht, als seine direkte Botschaft zu vermitteln.
Aber auch Dan Brown kann einen zum Nachdenken bringen: Muß es solchen Schund geben? <g> Ist der Vatikan wirklich unsicher? Sollte man vielleicht mal Rom besuchen? Gibt es wirklich schon Flugzeuge, die mit zigfacher Schallgeschwindigkeit fliegen? Muß der langweilige Wissenschaftler immer die hübschen, energischen Frauen kriegen? Wie werde ich langweiliger Wissenschaftler?
Die Frage ist, zu welchem Zweck und vor welchem Hintergrund man liest. Wir haben kürzlich (Anfang des Jahres) in einer Gemeinsam-Lesen-Runde Harry Mulischs "Die Entdeckung des Himmels" diskutiert - ein mächtiges, vielschichtiges, sehr intelligentes Buch, das eine Vielzahl von Andeutungen, Querverweisen, Anspielungen auf mythologische Aspekte usw. enthält. In dieser Runde war es, soweit ich recht erinnere, einzig Iris, die all diese Zusammenhänge entdeckt, aufgespürt, verknüpft und eingeordnet hat. Die anderen hielten sich mit überschwenglichen Urteilen zurück, weil sie das Buch einfach ein bißchen langweilig fanden. Woran lag das jetzt? Am Buch?
Worauf Hesse hinauswill/wollte, meines Erachtens, ist, daß das Lesen einfach um zu lesen (also letztlich sich die Zeit zu vertreiben) dazu führen kann, daß man zu viel Schlechtes liest, sich also eher mit Materialbeschaffung und -konsum befaßt, statt wohlüberlegt und gezielt an jene Literatur zu gehen, die es erstens verdient und zweitens geeignet ist, zur "Erbauung" des Lesers beizutragen. Wenn man so will, nörgelt Hesse einfach nur daran herum, daß seine Bücher weniger gelesen werden als andere.
Lesen ist, Geschichten zu lauschen, Gedanken, Spinnerein, Träumereien, Ideen, Vorschlägen, Sichtweisen - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist letztlich ein Informationsaustausch, der mal diffiziler, auf einer höheren intellektuellen Ebene, und mal weniger diffizil, auf niedrigem Niveau stattfindet, und natürlich unterscheidet sich auch die Menge der ausgetauschten Informationen von Fall zu Fall. Wie bei jeder Art von Kommunikation muß es einen Sender und einen Empfänger geben - und ob die Nachricht auch vollumfänglich ankommt, liegt an beiden. Manch ein Autor liefert sehr viele Informationen, auch auf verschiedenen Ebenen, und manch ein anderer ist in dieser Hinsicht eher sparsam. Aber das ist m.E. kein Grund, vor bestimmten Büchern ehrfürchtig auf die Knie zu fallen und andere zu verdammen. Eine Veränderung im Empfänger können nämlich alle auslösen, auch Brown und Hohlbein.