Hehe, als "Drogen" könnte man das schon auch beschreiben, da haste recht. Aber ohne unsere hausgemachten Körperdrogen könnten wir ja eh gar nix tun.
Magie des Schreibens, Mythos oder Notwendigkeit?
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Endlich ein bisschen Zeit ...
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Ich bin vollkommen auf deiner Linie: "Ohne die Magie des Schreibens gäbe es keine Literatur. "
Dazu gleich mehr.magali
Zu meinem Satz: ich möchte die Leser nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. Literatur fordert. Ob der Autor nun einen hohen EQ hat, lieb, nett, verdorben, besoffen, paranoid oder sonst wie ist - ist ein anderes Kapitel. Ja, es gibt Autoren, die ich auch - nun ja - als nicht unbedingt angenehme Zeitgenossen empfinde. Es gibt aber genug Menschen auf der Welt, und ich muss nicht mit jedem zu tun haben. Ich kann trotzdem ihr Werk in die Hand nehmen, mich daran reiben, empört sein, es lieben. Wen kümmert es heute, ob man z. B. Bukowski *persönlich* ausgehalten hätte?Was ich sagen will: Doc, wir *müssen* Mensch und Werk trennen. Zumindest, wenn es uns um Literatur und Kultur geht, und nicht um ein hübsches, warmes Nest sozialer Verbindlichkeit. Das ist für mich auch eines der großen Probleme: sobald es um die Sache geht, um Qualität, verlassen wir das soziale Gefüge und werden zum Außenseiter.
Noch ein Satz zur Magie. Vorhin habe ich den ollen Hem zitiert, es gibt noch ein Zitat, worin sich das Mysterium des Schreibens begründet: in der Verwandlung von Poesie und Prosa. Das hat m. E. mit den Ursprüngen der Poesie zu tun, die tatsächlich keine Geschichte erzählt, sondern eher mit Sprachmagie, Beschwörungen etc. zu tun hat. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Autoren, die aus der Poesie oder der reinen erzählenden Prosa kommen. Wie es auch einen großen Unterschied zwischen Sammlern und Jägern gibt. Dazu gibt es noch einen seltsamen Menschenschlag, der sich diesen beiden Gruppen nicht zuordnen lassen.
Mein Eindruck ist, dass, bei allen Überschneidungen und Mischformen, hier unterschiedliche Weltvorstellungen existieren, die sich teilweise ausschließen, teilweise sogar bekämpfen. Ein Roman, der diesen Kampf auf (für mich) eindrucksvolle Weise bearbeitet, ist Mr. Aufziehvogel von Murakami. Um es abzukürzen: es geht um die Auseinandersetzung zwischen Pragmatikern, die sich im Status Quo einrichten, und jenen, die den Status Quo als Bedrohung sehen. Es geht um die Auseinandersetzung zwischen Romantikern und Pragmatikern. Idealisten, die nach einer eigenen Moral leben, und jenen, die sich in der "Wirklichkeit, wie sie eben ist", einrichten.
Es stellt sich dann die Frage, was "wir" von Kunst und Literatur erwarten. Revolte oder Erhalt? Das sind natürlich Ränder, die meisten Menschen bewegen sich m. E. dazwischen. Ein bisschen Revolte, ein bisschen "bloß nix ändern".
Damit meine ich niemanden hier persönlich, indirekt etc. Es sind meine Gedanken zu dem Thema, die komplett falsch sein können. Das Scheitern ist mir nicht unbekannt, sondern Voraussetzung dafür, vielleicht einen anderen, noch unentdeckten Weg zu finden. Deshalb ist mir das Scheitern sympathischer als die Trampelpfade des Erfolges. Könnte gut sein, dass ich ein Romantiker bin.
Marcel -
Ich, als abloluter Nichtschreiber in dieser Runde, hätte mal ein Frage an die Autoren. Wann und aus welchem Anlass habt ihr euren ersten Text für die Öffentlichkeit geschrieben?
Ich frage aus diesem Grund: Seit meiner Grundschulzeit verschlinge ich Bücher, hatte aber noch nie den Wunsch irgendetwas selbst zu schreiben (Tagebücher zur Bekämpfung meiner (Teenager-) Alltagsprobleme mal ausgeschlossen). Meine Aufsätze im Deutschunterricht waren eher eineQual für mich und ich erntete dementsprechende Noten dafür.
Das erste positive Schreiberlebnis bekam ich in diesem Forum: Der Schreibwettbewerb zum Tema "Behinderung" zog mich förmlich an. Nicht weil ich der Meinung war besonders gut schreiben zu können, sondern weil ich selbst Erfahrungen mit Behinderten gemacht hatte. Ich habe zwei geistig behinderte Tanten - eine davon ist Marlene - und so schrieb ich meine Erfahrungen mit ihr einfach runter und sammelte überraschenderweise damit sogar Punkte, obwohl es "schreibmäßig" eigentlich unterste Schublade war.Seitdem frage ich mich, ob Autoren nicht gewisse Dinge erfaheren bzw. ziemlich gut nachempfinden können müßen um wirklich gute Resultate liefern zu können - auf Dauer?
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Zitat
Original von Charlotte
Ich, als abloluter Nichtschreiber in dieser Runde, hätte mal ein Frage an die Autoren. Wann und aus welchem Anlass habt ihr euren ersten Text für die Öffentlichkeit geschrieben?Ich habe jahrelang (eigentlich schon seit ich fünf bin; Schriftstellerin sein war und ist mein ganz großer Traum) einfach nur so geschrieben. Weil ich es muss, brauche, liebe, es mir gut tut
Der erste Text für die Öffentlichkeit (also bereits veröffentlicht) nach Auftrag ist mein Amazonchen; ich hatte von "Amazone meines Herzens" nur das Exposee auf der Festplatte, als ich damit bei einem Verlag anfragte und die Zusage bekam, den Roman zu schreiben.
Der Anlass ist klar: ich liebe das Schreiben und will veröffentlichen.
Schreiben ist wunderschön, aber den geschrieben Text gedruckt in der Hand zu halten ist das Höchste für mich.ZitatOriginal von Charlotte
Das erste positive Schreiberlebnis bekam ich in diesem Forum: Der Schreibwettbewerb zum Tema "Behinderung" zog mich förmlich an. Nicht weil ich der Meinung war besonders gut schreiben zu können, sondern weil ich selbst Erfahrungen mit Behinderten gemacht hatte. Ich habe zwei geistig behinderte Tanten - eine davon ist Marlene - und so schrieb ich meine Erfahrungen mit ihr einfach runter und sammelte überraschenderweise damit sogar Punkte, obwohl es "schreibmäßig" eigentlich unterste Schublade war.Seitdem frage ich mich, ob Autoren nicht gewisse Dinge erfaheren bzw. ziemlich gut nachempfinden können müßen um wirklich gute Resultate liefern zu können - auf Dauer?
Auf jeden Fall ist es hilfreich. Dass ich jahrelang sehr viel geritten bin und als Teenie fast mehr im Stall als zu Hause war, hat mir bei den Reitszenen im Amazonenroman natürlich geholfen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, zu galoppieren, abgeworfen zu werden oder Muskelkater zu haben, wenn man länger nicht geritten ist und dann die Chance nutzt, für mehrere Stunden auf ein Pferd zu können.
Aber ich bin nicht meine Hauptfigur; ich denke mich nur in sie hinein und empfinde nach, was sie empfindet.
Und natürlich gehört Recherche dazu. Mein Roman ist ja im historischen Bereich angesiedelt, in einer ganz anderen Kultur als ich sie kenne. Als Autorin muss ich das aber glaubhaft rüberbringen, damit meine Leser diese Welt verstehen und erleben können.
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Liebe Magali, lieber Nudelsuppe
Ein einfaches und spontanes abendliches Dankeschön für eure Beiträge.
Sie sprechen mir aus dem Herzen und haben meinen dieses Thema betreffend eher simplen Gedanken ein paar wundervolle Sätze hinzugefügt.
Ein angenehmes Wochenende und lieben Gruß.
Waldlaeufer -
Ich möchte hier nicht von den zwei Paar Steifeln reden, finde aber dennoch, dass in dieser Diskussion zwei Gesichtspunkte nicht klar getrennt werden:
Auf wen bezieht sich die Magie? Auf den Erzähler während des Flows? Ich nehme an, es handelt sich hierbei um die Ausschüttung körpereigener Endorphine (leider kenne ich dieses Gefühl nur vom Fliesenlegen). Damit wird diese Magie in dem Augenblick entmysifiziert, in dem sich vielleicht nur 5 der 50000 Leser dafür begeistern können, während der Rest ihn als unausgegorene Pseudoliteratur von Möchtegern-Autoren betrachtet. Damit wäre das Literaturschaffen nichts anderes als jede x-beliebige Tätigkeit auch (ich fürchte, meine Fliesungen könnten auch nur die besagten 5 überzeugen). In diesem Fall kann "schreiben" auch durch "Wie mache ich ihn schneller" oder "florales Gestalten mit Fimo" ersetzt werden. Wird es aber nicht, da dem Schreiben eine viel "magischere" (kann man magisch steigern :gruebel) Bedeutung zugemessen wird als dem Basteln bzw. Auto tunen.Oder, was hier auch immer wieder erwähnt wird, die Magie, die den Leser erfasst, der sich nicht ob des Karnickels und des Spiegels wundert, sondern einfach hinterher springt. Wie das funktioniert weiß ich nicht, har aber mit der Magie des eigentlichen Schreibens, also dem Prozess der Buchwerdung, nur wenig zu tun.
Schreibt eine, die, wenn ihr nicht ständig die passenden Worte fehlten, wenn ihr einmal eine interessante Geschichte einfiele und wenn sie nicht viel zu faul wäre, sich mit einem eigenen literarischen Text auseinanderzusetzen, sicherlich eine ganz hervorragende Autorin wäre
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Zitat
Original von Nudelsuppe
Eigentlich ist es ganz einfach: man schreibt einen Text, so gut wie man kann.aus ganzem Herzen:
@ magali
ZitatOriginal von magali
Kann man jetzt sagen, daß das Forum den Närboden für Kunst bildet?Für mich ist es auf jeden Fall so etwas in der Art, sei es durch Buchtipps und -diskussionen, durch Gedanken von Kollegen, durch Feedback von Lesern, und insofern eine enorme Bereicherung, von der ich nicht weiß, wie ich früher ohne sie sein konnte und sie nicht mehr missen möchte
@ Nudelsuppe
In Deinem post fand ich viele Gedanken, die mich zum Weiterdenken angeregt haben, danke dafür!
ZitatOriginal von NudelsuppeDas hat m. E. mit den Ursprüngen der Poesie zu tun, die tatsächlich keine Geschichte erzählt, sondern eher mit Sprachmagie, Beschwörungen etc. zu tun hat.
Daran denke ich oft beim Schreiben, bzw. habe den Wunsch, für den Leser mit "magischen" (i.e. treffenden, klingenden ) Worten etwas heraufzubeschwören.
Und im Grunde genommen IST es doch Magie - Buchstaben sind doch "nur" schwarze Zeichen auf Papier. Lautfolgen. Sätze. Mehr nicht. Und trotzdem entsteht etwas, das sowohl für Autor als auch Leser unendlich viel mehr ist. So kann ja ein Wort, ein einzelner Satz eine ganze Assoziationskette beim Leser auslösen.
Also, wenn das keine Magie ist, dann weiß ich auch nicht...ZitatOriginal von Nudelsuppe
Das Scheitern ist mir nicht unbekannt, sondern Voraussetzung dafür, vielleicht einen anderen, noch unentdeckten Weg zu finden. Deshalb ist mir das Scheitern sympathischer als die Trampelpfade des Erfolges.Balancieren wir nicht ständig, jeden Tag beim Schreiben auf einem verdammt schmalen Grat, auf dessen anderer Seite der Abgrund des Scheiterns gähnt?
Und woran mißt sich Erfolg vs. Scheitern?
Angenommen, ich schriebe einen Bestseller, den ich selber aber für so schlecht hielte, dass ich mich für das betreffende Werk schämte, jedesmal, wenn ich es zur Hand nähme. Schlecht, weil ich es nicht mit ganzem Herzen, ganzer Seele geschrieben habe, nicht alles dafür gegeben habe. Wäre das Erfolg?
Wann beginnt "Erfolg" als Schriftsteller?@ Charlotte
ZitatOriginal von Charlotte
Wann und aus welchem Anlass habt ihr euren ersten Text für die Öffentlichkeit geschrieben?Bei mir waren das 2 Lyrik-Beiträge zu Wettbewerben, da war ich so 17,18 rum. Aber irgendwie war das nicht "meins", aber dass ich Schreiben wollte, wusste ich schon sehr früh. Nur nie so genau worüber. Bis ich das Thema zu meinem ersten Roman fand (oder es mich) und ich es ausprobieren wollte - ob ich das überhaupt kann, ob ich es überhaupt durchziehen und zu Ende bringen könnte.
ZitatOriginal von Charlotte
Nicht weil ich der Meinung war besonders gut schreiben zu können, sondern weil ich selbst Erfahrungen mit Behinderten gemacht hatte.Ich glaube, genau DAS ist der Punkt - wenn sich etwas findet, bei dem man das Bedürfnis, den unwiderstehlichen Drang verspürt, es aufschreiben zu müssen, dann soll man schreiben.
Ich bin überzeugt, dass Schreiben immer lohnt, auch nur für sich selbst (und meine Tage- und Notizbücher sind auch äußerst banal und wenig literarisch - das ist auch nur für mich gedacht.).
Wobei ich mir immer etwas blöd vorkomme, wenn ich das äußere -weil es für mich nie außer Frage stand, NICHT zuveröffentlichen.
Vielleicht braucht's da eine gewisse Art von Exhibitionismus, von Geltungsdrang - ich weiß es nicht...ZitatOriginal von Charlotte
Ich habe zwei geistig behinderte Tanten - eine davon ist Marlene - und so schrieb ich meine Erfahrungen mit ihr einfach runter und sammelte überraschenderweise damit sogar Punkte, obwohl es "schreibmäßig" eigentlich unterste Schublade war.Ich kenne Deinen Beitragstext jetzt nicht... Aber: dass man den eigenen Text unvollkommen findet oder gar schlecht - das gibt's auch bei mir manchmal... Aber vielleicht war ja auch das Entscheidende, dass er authentisch war? Und das zählt meist mehr als ein noch so geschliffener Stil...
ZitatOriginal von Charlotte
Seitdem frage ich mich, ob Autoren nicht gewisse Dinge erfaheren bzw. ziemlich gut nachempfinden können müßen um wirklich gute Resultate liefern zu können - auf Dauer?puha, das ist eine schwierige Frage, die ich mir auch schon oft gestellt habe. Sagen wir so: ich staune manchmal, wie ich mich in einer Figur einfühlen kann, deren Biografie und Erfahrungen so gar nichts mit mir als Privatperson zu tun haben.
Aus meiner ganz persönlichen Sicht hilft es schon, wenn man schon sowohl tiefe Züge aus jeweils dem Kelch mit süßem und dem mit bitterem Lebenswasser genommen hat.
Und ich merke durchaus, dass meine Entwicklung als Mensch in die Arbeit einfließt und umgekehrt mich auch jeder Roman als Mensch "wachsen" läßt. Ohne dass ich jetzt meine eigenen Erfahrungen 1:1 in die Romane einfließen lasse.
Und trotzdem gebe ich jeder Hauptfigur immer auch ein kleines Stückchen von mir als Person mit - als ob ich einen Aspekt meiner Persönlichkeit dort hineinarbeite und so auch mal ausagieren kann.
Mir fällt in dem Zusammenhang Peter Bichsel ein:
Wer keinen Hang zur Traurigkeit hat, ist für die Literatur verloren. -
Zitat
Original von DraperDoyle
Ich möchte hier nicht von den zwei Paar Steifeln reden, finde aber dennoch, dass in dieser Diskussion zwei Gesichtspunkte nicht klar getrennt werden:
Auf wen bezieht sich die Magie? Auf den Erzähler während des Flows? Ich nehme an, es handelt sich hierbei um die Ausschüttung körpereigener Endorphine (leider kenne ich dieses Gefühl nur vom Fliesenlegen).Ja, beim Schreiben und wenn ich was davon veröffentlicht in der Hand halte. Wobei das natürlich ganz unterschiedliche Gefühle sind. Das eine ist nur das schöne, wohltuende Gefühl zu schreiben, das andere eine Art Highsein.
Man sagt ja, das man sich nach achterbahnfahren oder Bungee-Jumpen ähnlich toll fühlt; Achterbahn habe ich mal ausprobiert, aber da blieb das aus (war irgendwie enttäuschend für mich, mehr als leicht erhöhten Puls hatte ich nicht) und das Vergnügen war mir zu teuer, um es öfter auszuprobieren. Und Bungee-Jumpen versuche ich ganz sicher nicht
Wenn ich schreibe, fühle ich mich gut, bei einer Veröffentlichung aber könnte ich Bäume ausreißen, fühle mich leicht und beschwingt, schwinge freiwillig den Besen und räume fröhlich die Spülmaschine aus (das mache ich sonst zwar auch, aber nicht fröhlich ). Weil alles plötzlich schön ist und Freude macht.ZitatOriginal von DraperDoyle
Damit wird diese Magie in dem Augenblick entmysifiziert, in dem sich vielleicht nur 5 der 50000 Leser dafür begeistern können, während der Rest ihn als unausgegorene Pseudoliteratur von Möchtegern-Autoren betrachtet. Damit wäre das Literaturschaffen nichts anderes als jede x-beliebige Tätigkeit auch (ich fürchte, meine Fliesungen könnten auch nur die besagten 5 überzeugen). In diesem Fall kann "schreiben" auch durch "Wie mache ich ihn schneller" oder "florales Gestalten mit Fimo" ersetzt werden. Wird es aber nicht, da dem Schreiben eine viel "magischere" (kann man magisch steigern :gruebel) Bedeutung zugemessen wird als dem Basteln bzw. Auto tunen.Weil das Schreiben auch etwas sehr Persönliches ist. Wie man ein Auto tunt, kann jeder lernen (braucht nur genug Zeit und Geduld vom Lehrer), selbst ich mit meinen zwei linken Händen würde es irgendwann begreifen, wenn ich nur hartnäckig genug dabei bleibe und mich jemand genau anweist und überprüft, dass ich alles richtig mache.
Aber wenn eine Schreibaufgabe gestellt wird und 10 Autoren schreiben etwas zu einem Thema oder vielleicht sogar nach einem vorgegebenen Exposee, dann kommen 10 verschiedene Texte dabei heraus. Auch, wenn der Inhalt völlig gleich ist, unterscheidet sich die Art des Erzählens doch. Weil jeder Autor seinen eigenen Stil hat, seine eigene Art, etwas auszudrücken, zu beschreiben, den Figuren Leben einzuhauchen. -
magali und Nudelsuppe
Für mich sind es auch zwei paar Stiefel.
Es ist doch ein großer Unterscheid, ob man als Autor/in versucht, für den Markt zu schreiben oder ob man sich mit einem Thema auseinandersetzt und es literarisch umzusetzen versucht.ZitatOriginal von Nudelsuppe
[...] Es gibt einen großen Unterschied zwischen Autoren, die aus der Poesie oder der reinen erzählenden Prosa kommen. Wie es auch einen großen Unterschied zwischen Sammlern und Jägern gibt. Dazu gibt es noch einen seltsamen Menschenschlag, der sich diesen beiden Gruppen nicht zuordnen lassen.Das sehe ich genauso. Spontan fielen mir die verfemten Dichter/innen des Nationalsozialismus ein. Stellvertretend nenne ich hier mal Else Lasker-Schüler, mit deren Schicksal ich mich für meinen Roman beschäftigt habe. Sie - wie auch so viele ihrer Zeitgenossen - ließen sich nicht verbiegen und haben während des Schreibens sicherlich nicht nach dem Markt geschielt. Sie haben für ihre Kunst gelebt und mussten sie oft mit Berufsverbot / Exil bezahlen.
Wobei ich es nicht verurteile, wenn Autoren für den Markt schreiben. Aber das ist (bislang) nicht meine Motivation. Das in aller Kürze. Zu dem Thema gäbe es ja noch so viel zu schreiben. Bin aber heute anderweitig eingespannt und schaue später wieder vorbei ...
Ach ja, was sagt denn der Eröffner dieses Threads nach all den bisher geposteten Beiträgen?
ZitatOriginal von Doc [...] wenn es ein Autor schafft mit seinem Text die Leser auf eine Reise zu schicken, ihnen eine Geschichte zu erzählen, die sie aufregt, die sie lachen oder weinen lässt, sie verträumt schwelgen lässt.[...] Es hat aber vorallem mit Handwerk zu tun ... [...]
Magie ja oder nein?LG
Corinna -
Ich frage mich seit gestern, ob mir dieser Thread nicht ein paar Fragen beantwortet, die ich mir seit einiger Zeit immer mehr stelle:
(1) Weshalb mir manche - vor allem aktuell auf den Markt geworfene - Bücher vorkommen wie ein lieblos gerührtes Fertiggericht, sodass ich sie desillusioniert zuklappe und mich ein bisschen ver**scht fühle, und
(2) ob meine Abneigung gegenüber Übersetzungen wirklich nur durch meine "déformation professionnelle" bedingt ist oder ob mehr dahinter steckt.
Zu (1) scheint mir dieser Thread sagen zu wollen, dass es Bücher gibt, denen die Magie fehlt und wenn sie handwerklich noch so solide gemacht sind, während andere Bücher (for want of a better word) "magisch" entstanden sind und man ihnen handwerkliche Fehler daher nachsieht. (Ausnahmen in beiden Richtungen nicht ausgeschlossen.) Der Eindruck eines lieblosen Standard-Fertiggerichts täuscht nicht.
Zu (2) habe ich gerade im Bereich Literaturübersetzung in letzter Zeit gelernt, dass das ein solides Handwerk ist, dass Magie dort aber nur sehr selten einen Platz haben dürfte. Vielleicht stoßen die allermeisten LiteraturübersetzerInnen da einfach an ihre Grenzen; "Magie" ist nun mal nicht ihr Job. Was übrig bleibt, ist gutes Handwerk, und das reicht für ein Buch, das selbst ein Kunstwerk ist, nicht immer.
/me, leicht ent-täuscht, aber ihrem Leseempfinden wieder etwas mehr trauend
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wg. Übersetzungen
wie ordnest Du Leute wie Wollschläger ein?
Karl May und Ulysses, eigene Romane, sechs oder sieben Literaturpreise ...ja, wenn man schreibt, muß man mitempfinden. Man muß das, was man beschreibt aber nicht unbedingt selbst erlebt haben. Es ist eine Frage der Vorstellungskraft und eine Frage der Fähigkeit, eben diese Vorstellung von etwas übermitteln zu können.
Je besser die beiden Faktoren zusammenstimmen, desto besser die Geschichte.Ich werfe gleich noch einen Stein des Anstoßes dazu:
ich bin nicht der Ansicht, daß jemand, die schreiben kann, über alles gleichermaßen gut schreiben kann.Ich verdeutliche noch mal meine Begriff von Magie:
die Magie ist die Magie des Wortes, nicht die einer gelungenen Geschichte.
Es geht um solche Fragen, wie z.B. der, ob ein Wort und seine Bedeutung sich entsprechen.
Was für ein Kontext entsteht, wenn ich bestimmte Wörter aneinanderreihe, um mich auszudrücken.
Ob man mit Worten die Wirklichkeit wiedergibt oder nur eine Wirklichkeit oder eine Illusion von Wirklichkeit.
Was ist das Wort 'Baum'? Ein Baum? Welcher Baum? Das Bild eines Baums? Eines bestimmten? Oder hat es noch ganz andere Inhalte? Muß ich mich an die Inhalte halten oder kann ich einen neuen erzeugen?Es geht um Wort und Klang.
Es geht um die Aufgabe von SchriftstellerInnen in der Gesellschaft. Haben sie eine, haben sie keine?
Es geht um die Rolle von Kunst.
Es geht darum, herauszufinden, was es bedeutet, wenn einer wie Kafka schreibt: Ich bin Literatur.Natürlich gibt es noch andere Zauber. Es gibt eben das Glück, wenn sich die Sätze perfekt aneinanderreihen, wenn eine Geschichte entsteht.
Die Magie, die von einem fertigen Manuskript ausgeht, gleich, ob es dreihundert Seiten oder dreißig hat.
Es gibt das Glück, wenn man ein Publikum hat. Das Glück, wenn man begeistern kann. Erfolghaben. Das alles ist auch eine Art Magie.
Und dann gibt es natürlich noch die Magie des Geldes.
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Zitat
Original von magali
MaryReadwg. Übersetzungen
wie ordnest Du Leute wie Wollschläger ein?
Karl May und Ulysses, eigene Romane, sechs oder sieben Literaturpreise ...Möglicherweise anders, stimmt.
Es wäre interessant zu wissen, wie so ein Übersetzer-Autor es selbst empfindet. Wie viel Magie er beim Schreiben bzw. beim Übersetzen spürt. Ich selbst bin lediglich Übersetzerin, keine Autorin, ich kann es nicht beurteilen.
Ich vermute dennoch, dass der Anteil Magie im Übersetzungsgesamtwerk geringer ist. Im Bereich gehobene Unterhaltungsliteratur würde ich mir von den AutorInnen eine gute Portion Magie erhoffen, während die ÜbersetzerInnen sie hier wohl nur in einer Minderheit der Fälle aufbringen können. (Dafür ist - auch das habe ich in letzter Zeit gelernt - bei ihnen der Anteil "Handwerk" bisweilen durchaus solider. ) -
Wie definiert ihr Magie?
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Zitat
Original von magali
Wir reden hier immer noch über zwei Paar Stiefel.Das eine ist das Geschichtenerzählen, das sich grundlegend aus der Frage nach dem Publikum speist.
Das andere ist Schreiben als Auseinandersetzung eines Individuums mit dem, was dieses Individuum als 'Welt' begreift. Und in dem Bereich ist das Moment des Müssens wesentlich. Es bedingt die Form des Ausdrucks, das man sich also z.B. mit Worten äußern muß. Oder in Tönen.
Das Publikum ist bei dieser Auseinandersetzung zunächst unwesentlich. Man wirbt höchstens um Verständnis für seine Interpretation der welt. Wenns fünzigtausend verstehen, ist es natürlich schöner, als wenn es bloß fünfzig kapieren oder fünf.
Aber daran denkt man eher nicht beim Schreiben.Ehm, ich bin ja auch nur Leserin.
Aber als Leserin würde ich auch sagen: zwei Paar Stiefel. Warum? Manchmal darf ich als Leserin erleben, daß mir ein Autor keine Geschichte erzählt und mir dennoch viel zu sagen hat. Mich mit einem Text gefangen zu nehmen, mein innerstes anzusprechen, ohne mir eine Geschichte zu erzählen, erlebe ich als Leserin als magischen Moment - und ich vermute, daß dieser bei solchen Texten auch dem Schreiben inne wohnt.
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Zitat
Original von flashfrog
Wie definiert ihr Magie?Du kannst den Begriff natürlich googeln oder im etymologischen Lexikon nachschlagen.
Magie ist ein Begriff, dessen Bedeutung sich zwar einerseits ableiten lässt (s. Etymologie), andererseits ist er nicht unbedingt mit der Ratio erklärbar, sondern in seiner Bedeutung eher individuell erfühlbar. Dass wir von bestimmten Dingen im Leben magisch angezogen werden, ist wohl unbestreitbar.
Fühlten wir diese magische Anziehungskraft (von was auch immer) in unserem Leben nicht, würden wir feststellen, dass wir uns in einem neutralen, rationalen und damit kaltem Zustand befinden, der nichts weiter als eine intelektuelle Wahrnehmung wäre.Die Ausgangsfrage dieses Theads bezog sich auf die Magie des Schreibens. Dazu ist schon viel gepostet worden und letztlich scheint das Schreiben auf die Schreibenden eine magische Anziehungskraft auszuüben, aus welchen unterschiedlich gearteten Gründen auch immer.
Auch was magali über die Magie, den Klang eines Wortes schreibt, halte ich für wichtig. In vielen Wörtern steckt etwas Magisches, klingt ein besonderer Zauber heraus, was jede/r individuell empfinden mag. Dafür gibt es keine allgemeingültige Erklärung.
Die beiden Wörter "Wand" und "Mauer" z B mögen die gleiche Bedeutung haben. Aber was empfindet der einzelne beim Klang des jeweiligen Wortes? Für mich klingen die beiden Begriffe sehr unterschiedlich und lösen sehr gegensätzliche Gefühle und Vorstellungen aus. Das Benutzen der - für mich *richtig klingenden* - Wörter beim Schreiben ist ein besonderer Reiz, vielleicht und ganz sicher ist auch die Suche nach dem passenden Wort Magie.Allein schon das Wort Magie ...
Magische Grüße
Corinna -
Ich finde es immer hilfreich, wenn man über einen Begriff redet, zu wissen, was genau man mit dem Begriff meint und ob man damit tatsächlich dasselbe meint wie derjenige, mit dem man redet oder vielleicht etwas ganz anderes.
Für mich hat Magie mit etwas Übernatürlichem zu tun.
Schreiben und Lesen sind für mich nichts Übernatürliches. Auch, wenn wir nicht alle Vorgänge erklären können, die da im Gehirn ablaufen, und oft staunen und uns wundern über die Verknüpfungen, die das Gehirn schafft im kreativen Prozess. Übernatürlich oder esoterisch ist daran für mich nichts. Was in unserem Bewusstsein fassbar wird, ist eben nur ein kleiner Teil der Vorgänge, die in unserem Gehirn ablaufen. Durch Drogen, Träume oder trance-artige Zustände wie im Schreibflow hat man zu den unbewusstsen Teilen eventuell einen offeneren Zugang als im normalen Alltagsbewusstsein. Aber das als "Magie" zu bezeichnen, halte ich tatsächlich für eine Mythisierung.Rationale Grüße.
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Warum habe ich nur das Gefühl, dass deine Antwort schon vor dem Posting von Cookie feststand, flashfrog
Ich kann Cookie eigentlich nur mit eigenen Worten wiederholen: "Magie" ist erst mal nichts anderes als ein Wort, das mit Bedeutung und Emotion aufgeladen ist. In diesem Kontext bedeutet es nicht, dass man an "echte" Magie glaubt, sondern überträgt lediglich die Emotion, etwas als magisch zu empfinden. Mythisierung? Ja. Auch diese Möglichkeit bietet uns Sprache.
Marcel -
Zitat
Original von Nudelsuppe
Warum habe ich nur das Gefühl, dass deine Antwort schon vor dem Posting von Cookie feststand, flashfrogKeine Ahnung, wer weiß das schon so genau, Gefühle sind eine äußerst diffuse Angelegenheit, im Schwammigen lässt es sich so schön spekulieren, wer braucht schon Wissen, wenn er fühlen kann.
In diesem Fall liegst du mit deinem Gefühl übrigens falsch.
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Zitat
Original von Nudelsuppe
Für mich sind es zwei Paar StiefelDas Schreiben für eine wie auch immer definierte "Zielgruppe" unterscheidet sich grundlegend von einer literarischen Arbeit, wie sie Magali beschreibt. Im ersten Fall entsteht zufällig Literatur, wenn der Autor sehr, sehr gut ist. Im zweiten Fall erreicht man zufällig Publikum, wenn es sehr, sehr gut ist.
Das sehe ich ganz genauso. Bin zwar kein Autor, aber ein Verlagswesen.
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Zitat
Original von flashfrog
wer braucht schon Wissen, wenn er fühlen kann.
Der Gegenüber dieses Herren. Zum Beispiel.