Die erste bemannte Mission zum Mars kann nicht von der NASA durchgeführt werden, da die Weltraumbehörde akuter Geldmangel dazu zwingt die ehrgeizigen Pläne auf Eis zu legen. Stattdessen wird ein Preisgeld in Höhe von 30 Milliarden Dollar ausgesetzt für diejenigen, die es als erstes zum Mars und wieder zurück schaffen.
Was sich laut dem reißerischen Klappentext wie eine Art Cannonball-Rennen im Weltraum liest, entpuppt sich schnell als hervorragend recherchierte Hardcore-Astronauten-SF. Weit ab von strahlenden Helden oder skurril-obskuren Weltraum-Operas zeigt Gregory Benford, dass es tatsächlich möglich ist eine spannende Geschichte ganz ohne klischeehafte Zutaten moderner SF zu erzählen. Keine mysteriösen, uralten Geheimnisse, keine plötzlich auftauchenden, überlegenen Fremden - nein, er erzählt stattdessen von Victor, Julia, Raoul und Marc. Vier Astronauten, die von einem Konsortium internationaler Konzerne von der NASA bereitwillig abgeworben werden, um nach einem harten Trainings- und Auswahlverfahren die lange Forschungsreise zum Mars zu machen. Ja, Forschung ist angesagt, denn nur, wer mit fundierten, neuen Beobachtungen und Analysen des roten Planeten zur Erde zurückkommt, und dabei noch erster ist, erhält die 30 Milliarden.
So erfährt man, durch Rückblenden eingestreut, mit welchen Problemen die Besatzung bereits auf der Erde konfrontiert ist, wie die ungeheure Medien-Maschinerie in Gang gebracht wird und welche handfesten, finanziellen Interessen so eine nicht alltägliche Weltraummission überschatten. Auch persönliche Bande kommen nicht zu kurz, denn zum Stress des Auswahlverfahrens kommen unerwartete Entwicklungen hinzu, die allen Beteiligten zu schaffen machen.
Das monatelang im Alleingang vorbereitete Unternehmen des Konsortiums bekommt überraschend einen Konkurrenten um das Preisgeld. Ein Zusammenschluß von Airbus und dem chinesischen Weltraumprogramm will dem Konsortium zuvorkommen. Aufgrund entwicklungstechnischer Probleme gelingt der Airbus-China-Kooperation nur ein um viele Monate verzögerter Start. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mission des Konzern-Konsortiums schon längst auf dem Mars und sammelt Gesteinsproben, Bohrkerne und ist auf der Suche nach fossilen Überresten von einstigem Leben. Doch erst als sich nach nahezu einjährigem Aufenthalt ein geeignetes Startfenster auftut und die Mission im sicheren Wissen um den Sieg beendet werden kann, überschlagen sich die Ereignisse.
Mit großer Liebe zum technischen und wissenschaftlichen Hintergrund beschreibt Benford eine in naher Zukunft mögliche Mars-Mission. Auch die Macht der Medien wird in vielen Szenen eindringlich geschildert, an die Kommerzialisierung, gerade bei einer gewinnorientierten Konzern-Mission, müssen sich nicht nur die Astronauten, sondern auch der Leser gewöhnen. Benfords Personal bleibt überschaubar, die Geschichte konzentriert sich vorallem auf die vier Astronauten des Konsortiums. Doch gerade da leistet sich der Autor eine Schwäche. Bei so wenig Charakteren fallen Pappkameraden eben besonders auf. So bleibt vorallem Marc recht seelenlos und auch Raoul hätte einiges mehr an Tiefe gut getan. Wohltuend wird aber auf eine verklärte Romantisierung der Expedition verzichtet. Benford geht hart mit seinen Figuren um. Zu keiner Zeit kommt Ferienlagerstimmung auf, die man von so manchem Hollywood-Astronauten-Streifen kennt. Die Erforschung des roten Planeten wirkt jederzeit glaubwürdig, was sicherlich einem Gutteil der Fachkompetenz des Autors (Physiker und Astronom) zu verdanken ist. Doch bei allem wissenschaftlichen Einblick, den der Roman gewährt, wird vorallem eine verdammt spannende und glaubwürdige Geschichte erzählt.
Das Rennen zum Mars ist ein lohnenswerter Blick in eine mögliche nahe Zukunft. Wer sich auch nur ein bisschen für Weltraumforschung interessiert und sich dabei eine rundum gelungene Geschichte nicht entgehen lassen möchte, dem sei dieser Roman wärmstens ans Herz gelegt.
Gruss,
Doc