Gleich am Anfang eine Frage: Was wiegt mehr? Eine Tasse kalter, oder eine Tasse heißer Kaffee?
Marcus Chown, Physiker und Autor, gibt auf diese Frage zwar eine Antwort im vorliegenden Buch, doch das ist letztendlich nur die Spitze eines anscheinend unendlich in die Tiefe gehenden Eisberges.
Eigentlich möchte Chown gemäß seinem Vorwort die Welt der Quantenphysik anschaulich machen, doch das geht nicht, ohne eine Verständnis für die Welt des Allerkleinsten: Atome, Elektronen, Photonen, Myonen, etc. etc. Also führt er den Leser gut über die Hälfte des Buches durch die wundersame Welt der Atome und ihrer Trabanten, in der anscheinend nichts so ist, wie es uns in der von uns empfundenen Alltagswelt vorkommt. Dabei berührt er natürlich ganz existenzielle Fragen, wie "Warum gibt es überhaupt eine Alltagswelt?" oder "Warum wissen die Atome, dass sie sich z. B. zu einem Stuhl oder zu einem menschlichen Auge zusammenrotten müssen?". Seite um Seite entblättert sich vor dem Leser eine mehr als faszinierende Welt, die selbst den vom Autor oft zitierte Einstein noch zum Staunen gebracht hat. Leider fehlen erklärende Illustrationen vollständig, was bei dieser Materie eine geradezu sträfliche Nachlässigkeit ist. Wer nicht schon vorbelastet ist und z. B. aus anderen Büchern den Aufbau des Doppelspaltexperiments kennt, wird in "Warum Gott doch würfelt" schmählich im Stich gelassen. Viele von Chowns Ausführungen schreien geradezu nach illustrierenden Beispielen, doch leider Fehlanzeige.
Und doch gelingt Chown immer wieder der Brückenschlag von der so fremdartig wirkenden Welt der Atome und Quanten zu der von uns wahrgenommenen. Wenn es um die Funktionsweise und Nutzbarkeit von Quantencomputern geht oder der geradezu geisterhaft anmutenden (überlichtschnellen) Kommunikation von Teilchen untereinander, wird die ganze Faszination der Quantenphysik offenbar.
Der Titel des Buches ist übrigens an die Einstein in den Mund gelegten Worte "Gott würfelt nicht" angelehnt, der damit seinen Unmut über die Quantentheorie (und ihre Folgen für die gesamte naturwissenschaftliche Weltanschauung) zum Ausdruck bringen wollte. "Warum Gott doch würfelt" ist wegen der fehlenden Bebilderung für Einsteiger nur bedingt zu empfehlen. Chown muss viel per Text erklären, was durch ein einfaches Schaubild viel deutlicher zu machen wäre. Da bleibt es nicht aus, dass man bei einem so komplexen Thema den einen oder anderen Absatz auch ein zweites Mal lesen muss, um zu verstehen was der Autor eigentlich sagen möchte. Doch trotz dieser Einstiegshürden ist es ein umfassendes (und auch verständliches) Werk zum Thema Quantenphysik.
Achja, die heiße Tasse Kaffee wiegt tatsächlich mehr. Die Atome des heißen Kaffees sind wesentlich mehr in Bewegung, als die Atome eines kalten Kaffees. Und da bewegte Teilchen (Materie) tatsächlich mehr wiegen, als unbewegte, wiegt die heiße Tasse schwerer als die kalte.
Gruss,
Doc