Thommie Bayer - Eine kurze Geschichte des Glücks

  • Für Robert Allmann geht in Erfüllung, wovon beinahe jeder insgeheim träumt.
    Er knackt den Lotto-Jackpot und gewinnt 6,2 Millionen Euro. Die Ironie des Schicksals schlägt jedoch umgehend zu und so verlässt ihn seine Frau, bevor Allmann ihr davon berichten kann.
    Was bleibt von seinem Glück, jetzt, da er es mit niemandem mehr teilen kann?


    Zugegebenermaßen hatte ich nach der Lektüre von „Das Aquarium“ und „Singvogel“ hohe Erwartungen an Bayers neuen Roman, die „Eine kurze Geschichte des Glücks“ leider nicht erfüllen konnte. Mit Robert Allmann zeichnet Bayer erneut einen Protagonisten mit intellektuell-kreativen Interessen und Wesenszügen, in dessen Leben das Finanzielle eine eher untergeordnete Rolle spielt.
    Zwar stellen sich mit dem unverhofften Reichtum auch Veränderungen wie Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen ein, die Allmann erkennt und treffend analysiert, Bayer dürfte es jedoch kaum darum gegangen sein, zu thematisieren, inwiefern Geld den Charakter verändert. Vielmehr steht das Glück als Abstraktum im Zentrum des Romans, die Frage nach dessen Zusammensetzung und Ursprung. Mir scheint, als habe Bayer mit dem Lottogewinn den falschen Aufhänger für dieses Unterfangen gewählt. In vorliegender Form fehlt mir eine konsequente Differenzierung.
    Stellenweise überzeugt Bayer, insbesondere bei der Beschreibung der Ereignisse nach dem Tod von Allmanns Vater.
    Bis auf die in einigen Passagen störenden, wuchtigen Formulierungen, schreibt Bayer schlicht und unaufdringlich, was mir an all seinen Romanen sehr gefällt.


    Fazit: Bayer bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Ein netter, kurzweiliger Roman zwar, der unterhält, zur Phänomenologie des Glücks jedoch wenig neues zu bieten hat. Ich bedaure, nur 6 Punkte geben zu können.

  • Meine Meinung:


    Was ist überhaupt Glück?


    Als Robert Allmann aus heiterem Himmel die frohe Botschaft erhält, dass er 6,2 Millionen Euro im Lotto gewonnen hat, reagiert er so, wie es wohl jeder Mensch in seiner Situation tun würde: Er ist sprachlos.


    Als Autor und Musiker, der bisher nie im Geld geschwommen ist, lebt er allein mit seiner Frau Regina, die er liebevoll „Wespe“ nennt, ein eigentlich sehr glückliches Leben. Doch auf einmal wird alles anders. Als Regina an jenem Abend nach hause kommt und er ihr eigentlich von dem Lotto-Gewinn erzählen will, gerät die Situation aus dem Ruder und Regina flüchtet, bevor Robert ihr überhaupt erzählen kann, was passiert ist.


    Nun hat Robert erst mal Zeit, über sein jetziges Leben, aber auch über seine Zukunft mit den 6,2 Millionen nachzudenken. Thommie Bayer erzählt in einer äußerst interessanten, spannenden und lustigen Art und Weise, wie der Protagonist seine Frau kennen lernte (gerade diese Kennenlern-Szene fand ich äußerst amüsant und humorvoll geschrieben), welche Freunde in seinem Leben eine große Rolle spielen und welche Ziele er für sein Leben hatte. Wir begleiten Robert auf seinen Träumen, die er sich nun mit all dem Geld erfüllen könnte.


    Der Protagonist ist von Anfang an eine sehr sympathische Figur, auch wenn er vielleicht zuviel Wein trinkt oder andere Laster hat. Er hat so viele Facetten in sich vereint, dass sich der Leser sehr gut mit der ein oder anderen seiner Tugenden und Interessen identifizieren kann. Und er hat jede Menge Träume. Träume, die er sich nun mit soviel Geld alle erfüllen könnte. Aber macht Geld wirklich glücklich? Ist es das, wonach er wirklich strebt? Oder sind es doch Werte wie wahre Freundschaft und Liebe, die einem Menschen das Glücklichsein erleichtern?


    Thommie Bayer hat es mir leicht gemacht, mich an der Seite von Robert wohl zu fühlen und mit ihm durch die Lande zu ziehen. Ich habe oft gegrinst, geschmunzelt, nachgedacht, mitgefiebert und auch getrauert. Im Laufe des Buches wurde Robert ein Mensch aus Fleisch und Blut und vor allem mit soviel Emotionen, dass ich oft gedacht habe „Hey, komm mal her und lass Dich drücken.“ Und als ich am Ende das Buch zuschlug, hatte ich beinahe das Gefühl, einen liebgewonnenen Freund verloren zu haben.


    Am Ende stellt sich mir die Frage: „Was ist überhaupt Glück? Ich werde darüber nachdenken und sicherlich einige der psychologischen Aspekte aus diesem Buch dafür benutzen, mir selber ein Stück weit auf die Spur zu kommen.


    Es war für mich das erste Buch von Thommie Bayer, aber da es mir so super gefallen hat, wird es mit Sicherheit nicht mein Letztes gewesen sein.

  • Ich finde es schade, das der Thread hier so "untergeht" und das Buch doch verhältnismäßig schlecht wegkommt. Thommie Bayer hat mit Robert Allmann eine sehr glaubwürdige Figur gezeichnet, trotz Ecken und Kanten sympathisch und stets authentisch. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, hätte mir sogar noch ein paar Seiten mehr Umfang gewünscht. Das Potenzial dafür war da.
    Genau wie Kossi empfehle ich "Eine kurze Geschichte vom Glück" deshalb gerne weiter. :-)


    LG
    Papiertourist