Gatty - Das Vermächtnis der Pilgerin, Kevin Crossley-Holland, Orig. Gatty's Tale, Übersetz. v. Tanja Ohlsen, Boje-Verlag, 2007, ISBN 978-3-414-82060-0
Zum Autor: (lt. Klappentext)
Kevin Crossley-Holland wurde 1941 in Oxford geboren. Er studierte Literatur in Oxford und entdeckte dabei seine Leidenschaft für die Welt der alten Mythen und Legenden. Seine Bücher für Jugendliche und Erwachsene wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Vor allem seine "Artus"-Trilogie machte ihn weltberühmt. Er ist Mitglied der Royal Society of Literature und Träger zahlreicher Auszeichnungen, unter anderem gewann er die begehrte Carnegie Medal und den Smarties Prize. Kevin Crossley-Holland lebt mit seiner Frau Linda in Norfolk.
Meine Meinung:
Manchmal sind Nebenfiguren eines Romans so interessant, dass es sich lohnt diesen Figuren eine eigene Geschichte zu gönnen. So ging es Kevin Crossley-Holland mit Gatty, die bereits in seiner in viele Sprachen übersetzten und ausgezeichneten Artus-Trilogie als Nebenfigur auftauchte, und der er nun mit „Gatty’s Tale“, in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Gatty – Das Vermächtnis der Pilgerin erschienen, eine eigene Geschichte widmete.
Britannien, 1203: Gatty ist eine fünfzehnjährige Waise, die ihr ganzes Leben auf dem Feld gearbeitet hat. Nach dem Tod ihres Vaters beschließen Sir John und Lady Helen de Caldicot, dass Gatty bei Lady Helens Schwester, Lady Gwyneth de Ewloe, Kammerzofe werden soll. Mit Lady Gwyneth de Ewloe bekommt Gatty eine warmherzige und liebevolle Herrin, die dafür sorgt, dass Gatty Schreiben und Lesen lernen kann und ihre engelsgleiche Stimme schulen kann. Als Lady Gwyneth de Ewloe mit einer kleinen Pilgerschar und Gatty ins Heilige Land aufbricht, muss die kleine Gruppe zusammenwachsen und gemeinsam vielen Gefahren begegnen. Mehr als einmal ist ihre Heimkehr fraglich...
Mit Gatty hat Kevin Crossley-Holland eine Figur geschaffen, die ihren Lesern aufgrund ihrer offenen, lebenslustigen und freundlichen Art schnell ans Herz wächst. Gatty ist impulsiv und Vorlaut, ehrlich, einsatzbereit und immer bereit für ihre Kameraden alles zu geben. Wenn sie in ihrem Überschwang Fehler macht, so sind diese niemals negativ motiviert. Was Gatty aber zu einem ganz besonderen Charakter macht, ist ihre naive Weisheit, mit der sie vieles vereinfacht, auf den Punkt bringt oder zumindest den Kern der Sache trifft. Und so schafft es Kevin Crossley-Holland, seine Leser in heiteren wie besinnlichen Passagen des Romans immer mal wieder für Sekunden zum Innehalten und Nachdenken zu bringen.
Der Erzählstil des Autors war zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig für mich, die Dialoge sind oft in kurzen, scharfen Sätzen gehalten, gleichzeitig aber genau so, wie sie in Realität stattfinden würden. Gemeinsam mit den sehr gut recherchierten Szenen mittelalterlichen Lebens, ergibt dies eine lebendige und authentische Darstellung des Mittelalters wie man sie nur selten in historischen Romanen antrifft. Unauffällig verarbeitet der Autor jede Menge Informationen, die seine Leser beiläufig aufnehmen und lernen können.
Der Boje-Verlag hat „Gatty“ als Hardcover mit Worterklärungen und zwei Karten im Anhang an den Roman ergänzt veröffentlicht.
Auch wenn die Pilger auf ihrer Reise viele Gefahren zu bewältigen haben, ist Gatty eher ein ruhig fließendes Jugendbuch und wer ein großes Schlachtengetümmel und Schwerterklirren erwartet, wird eventuell enttäuscht sein. Allen anderen bietet Gatty eine schöne Geschichte über eine Pilgerreise im Mittelalter mit nachdenkenswerten und humorvollen Passagen voller Menschlichkeit und einen anderen Blickwinkel auf das Heimkommen, an der auch erwachsene Leser ihre Freude haben können. Für mich ist der Autor Kevin Crossley-Holland auf jeden Fall ein interessante Entdeckung und ich werde mir sicher seine Artus-Trilogie zulegen – auch wenn Gatty dort nur als Nebenfigur auftaucht.