Der Fundamentalist, der keiner sein wollte - Mohsin Hamid

  • Gebundene Ausgabe: 190 Seiten
    OT: The reluctant fundamentalist
    Verlag: Hoffmann und Campe (März 2007)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3455400477
    ISBN-13: 978-3455400472
    Preis: 17,95 €


    Klappentext:
    Auf einem Platz in Alt-Anarkali, der Altstadt von Lahore, begegnen sich in einem Café ein Pakistani und ein Amerikaner. Während der westliche Besucher einsilbig bleibt, entpuppt sich der Einheimische jedoch als äußerst mitteilsam. Changez erzählt, wie er als junger, ehrgeiziger Gaststudent nach Princeton kam und in der Folge den amerikanischen Traum "par excellence" erlebte. Keine Frage, dass er als Ausländer, noch dazu aus dem Mittleren Osten, doppelt soviel leisten musste wie seine Kommilitonen. Doch Changez ist ein Kämpfer, der zu den Besten gehören will und das gelingt ihm auch: Nach seinem Abschluß wird er von einer Elite-Unternehmensberatung engagiert. ....


    Über den Autor:
    Mahsin Hamid, geboren 1971, wuchs in Lahore, Pakistan auf, studierte Jura in Princeton und Harvard und arbeitete in New York. Für seinen ersten Roman "Nachtschmetterlinge" erhielt er den Betty-Trask-Preis, sein Debüt wurde außerdem für den PEN/Hemingway Award nominiert und von der New York Times auf die Liste der bedeutendsten Bücher des Jahres 2000 gewählt. Hamid schreibt u.a. für Time, Guardian und New York Times. Er lebt in London. Mehr Informationen unter: www.mohsinhamid.com


    Meine Meinung:
    Das Buch ist als ein Monolog geschrieben, Changez, ein junger Pakistani, erzählt einem Amerikaner sein Leben, während sie in einem Café in Lahore sitzen. Dabei ist dieser Monolog alles andere als eintönig, der Amerikaner kommt immer indirekt zur Sprache, z.B. indem Changez auf Blicke eingeht, die er kommentiert. Außerdem wird die Umgebung eingebunden, so z.B. der Kellner, der sie bedient, oder Menschen aus der Umgebung, die die beiden sehen.


    Changez scheint das große Los gezogen zu haben. Ein Stipendium in Princeton, ein Job in einer Unternehmensberatung in New York und schließlich die Beziehung zu Erica. Doch diese ist alles andere als einfach, da Erica ihrem verstorbenen Freund Chris nachtrauert und sich nicht verabschieden kann. Doch in seinem Beruf ist Changez anerkannt, er leistet gute Arbeit, ist voll integriert und kann seiner Familie in Pakistan Geld schicken.


    Doch dann geschieht der 11. September. Changez bemerkt, wie New York und Amerika sich wandeln, wie die Stimmung sich verändert in dieser Stadt, die so weltoffen war und nun so feindlich zu Fremden ist. Nach Abschluß eines Jobs fliegt Changez zu seiner Familie und wird dort mit ganz anderen Problemen konfrontiert: Indien droht Pakistan mit Krieg, Amerika greift das Nachbarland Afghanistan an und alles, was bisher alltäglich war, scheint ihm weit weg.


    Als er mit einem Bart nach New York zurückkehrt, grenzt ihn das schon äußerlich von seinen Kollegen ab. Doch ihm ist dieser Bart wichtig. Das Projekt, dass er in Südamerika betreuen soll, ist ihm dagegen völlig egal. Und so bemerkt er, dass er, der doch voll integriert schien, nicht länger der Überflieger in Amerika sein will und er kehrt zurück in seine Heimat.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es liest sich abwechslungsreich und schafft es, Stimmungen zu erzeugen. Teilweise ist es leicht wie ein Sommertag, manchmal jedoch düster wie im November.


    Das Buch hat mich deshalb sehr beendruckt, weil es mal die andere Seite schilderte, die Sicht eines Ausländers in Amerika, der zunächst akzeptiert und unterstützt wurde, bis er sich nicht mehr anpassen wollte, was er äußerlich durch den Bart zeigte. Aber dadurch gehört er noch lange nicht zu den Bösen, zu den Terroristen, die alles zerstört haben. Der Tiel "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte" passt wirklich sehr gut. Es zeigt die Zerrissenheit, die Changez in sich zeigt.


    Zum Schluß wurde das Buch immer spannender, es wird eine unterschwellige Aggression aufgebaut, die sich dann in dem Ende nicht völlig auflöst, so dass man mit seinen Gedanken noch eine ganze Weile im Buch hängen bleibt.


    Das gibt von mir 10 Punkte für ein beeindruckendes Buch.


    @ Milla. Ich bin mir sicher, dass es Dir gefallen wird.

  • Danke für die Rezi, Geli :-) Klingt so, als müsste das Buch dringend auf meine Wunschliste!


    Mich hatte bisher ein wenig abgeschreckt, dass das Buch in Monolog-Form geschrieben ist, eben weil ich befürchtete, dass das ein wenig eintönig sein könnte, aber diese Zweifel hast du soeben ausgeräumt.


    Schade, dass ein günstiges englisches TB wohl erst im nächsten Jahr erscheint!

  • Ich war ein wenig enttäuscht von "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte", da es zwar nett und schnell zu lesen war, aber darüber hinaus für mich nicht wirklich interessant war. Für mich hatte das Buch einfach zu wenig Handlung und das offene Ende war für mich wieder sehr frustrierend.


    Auch die symbolhaften Namen (Erica - America), waren mir einfach etwas zu offensichtlich. ;-)


    Alles in allem ein nettes Leseerlebnis, aber ohne dieses Monologstil und ein wenig mehr Handlung, hätte aus dem Buch dann doch vielleicht mehr herausgeholt werden können.

  • Ein Pakistani, ein Amerikaner, ein Cafe in Lahore.
    Was anfänglich wie ein Gespräch aussieht, entpuppt schnell als ein unterschwellig bedrohlicher Monolog des Pakistani.
    Im Laufe des Abends erzählt er seine Lebensgeschichte, berichtet von seinem Studium in Princeton, seiner ersten Festanstellung bei der angesehenen Unternehmensberatung Underwood Samson und wie er sich in Erica verliebt. Dank seines gutbezahlten Jobs befindet sich Changez bald auf der Überholspur des Lebens und glaubt nun an das, was ihm sein Arbeitgeber unaufhörlich eingetrichtert hat, nämlich zu Amerikas privilegiertester Schicht zugehören.Diese Seifeblase zerplatzt in dem Moment, als am 11.September 2001 Bomben auf das World Trade Center abgeworfen werden und sich die politische Lage in Changez' Heimatland verändert. Plötzlich spürt er die Blicke in der U-Bahn, sieht sich auf Flughäfen verschärften Kontrollen ausgesetzt, stellt seinen Job in Frage. Genau diese Umbruchsituation hat der Autor Moshin Hamid genutzt, um es etwas über die Seelenlage seines Protagonisten zu schreiben. Dabei geht es weniger um 9/11 und Schuld und Sühne als darum,wie ein solches Ereignis einen Menschen zum Umdenken bewegt.
    Hamid, selbst Pakistani, hat lange in den USA gelebt und weiß, wovon er schreibt. Hat der Leser den sperrigen Anfang überwunden, zeigt sich recht schnell die erzählerische Begabung des Autors, der es versteht, mikroskopisch zu beobachten und davon zu berichten.
    Als wohltuend erweist sich dabei der gänzlich unamerikanische Erzählstil Hamids, der davon zeugt, dass er sich während seines Aufenthalts in den
    Staaten nicht hat vereinnahmen lassen hat.


    Mein Fazit: Auch wenn das Jahr noch vier (Lese-)Monate andauernd wird, so kommt dieses Buch auf meine Top-Ten-Liste 2008.
    Ein Autor, den man sich merken muss!


    Anmerkung: Das Buch ist von mir entdeckt und gekauft worden.

  • Ich fand gerade die Monologform des Buches durchaus gelungen und mich hat auch die vergleichsweise dünne Handlung nicht gestört. Gerade die Idee, einen Pakistani zu Wort kommen zu lassen, der einerseits exzellent ausgebildet ist und das amerikanische "Imperium" von innen kennengelernt hat, und andererseits mit der Zeit seine Zweifel bekommt.


    Was ich sehr, sehr schade fand (und dieser Eindruck hat sich mit dem Nachdenken über dieses Buch verfestigt), ist die letztlich unüberzeugende Ausführung des ganzen. Ich glaube nicht, dass es schwer ist, zu beschreiben, warum sich Menschen der arabischen Welt von den USA dominiert fühlen, sogar gedemütigt. Aber ich fand letztlich die Beschreibung des Protagonisten Changez nicht schlüssig.
    Seine Reaktion auf den 11. September ist nicht ausreichend vorbereitet - nur eine Szene zuvor zeigt, dass er die Abneigung der Philippinen gegen die Amerikaner wahrnimmt und versucht dieser auf den Grund zugehen. Aber das erklärt für mich noch lange nicht seine Reaktion angesichts 9-11.
    Auch im weiteren Verlauf des Buches gibt es viel Selbstreflexion, aber wenig tiefgreifende Erklärungsversuche für sein Verhalten und seine Gefühle.
    Ich habe ehrlich gesagt da in manchen Zeitschriftenaufsätzen schon besseres gelesen, was über Befindlichkeiten und Motivationen von Fundamentalisten und Symphatisanten oder aber von "ganz normalen" Muslimen mit kritischer Haltung gegenüber dem Westen mehr ausgesagt hat als dieses Buch.


    Also vom Ansatz her fand ich es durchaus gelungen, aber dann leider etwas blutleer. Wenn es aber für ein paar Menschen den Effekt hat, auch über die Sichtweise "der anderen Seite" nachzudenken, hat es seinen Dienst getan.

  • Meine Rezension:


    Der junge Pakistani Changez erzählt einem ihm unbekannten Amerikaner in einem Café in Lahore seine Geschichte: wie er in Amerika studierte, aufgrund seines hervorragenden Universitätsabschluss einen begehrten und gutbezahlten Job in der Finanzbranche erhielt, von seiner Liebe zu der Amerikanerin Erica und wie die Ereignisse vom 11. September 2001 sein Leben veränderten. Besonders letzteres ist sehr eindrucksvoll beschrieben: Vor den Anschlägen war er in der U-Bahn einer von vielen in der Multikulti-Metropole New York, danach wird er misstrauisch beäugt, ja sogar angepöbelt. Changez ist ein "Fundamentalist, der keiner sein wollte", doch auch wer aufmerksam seinem Monolog lauscht, aus dem das ganze Buch besteht, versteht nicht wirklich, was ihn letztlich zu einem gemacht hat, woher seine Abneigung stammt, welche Gedanken ihm durch den Kopf gehen. Seine Liebesbeziehung zu Erica und auch deren eigene Geschichte ist tragisch, fügt sich aber irgendwie nicht harmonisch in das Gesamtbild ein. Mich persönlich hätte der persönliche und familiäre Hintergrund von Changez viel mehr interessiert, dieser wird jedoch nur kurz und mit Schwerpunkt auf der gesellschaftlichen Stellung der Familie beschrieben. Auch zwischendurch hätte ich mir noch mehr Informationen - sei es auf der Gefühls- oder Handlungsebene - gewünscht. Das Ende entspringt einer originellen Idee, aber auch sie wirkt auf mich irgendwie unausgegoren, was wirklich schade ist, da so der Clou einfach verpufft. Was in Erinnerung bleibt ist ein kurzer, aber intensiver Eindruck davon, wie sich das Leben der Menschen, die aus islamischen Ländern stammen und in den USA leben, nach dem 11. September verändert hat. Changez persönliche Geschichte dagegen wird schon bald verblassen.


    6 Punkte von mir.

  • Durch Zufall trifft Changez in Pakistan auf einen Mann, den er nicht kennt und der sich gerade suchend umschaut. Das ganze Buch hindurch erzählt Changez diesem fremden Mann sein Leben. Er erwähnt seine Kindheit, sein Elternhaus und erzählt ausführlicher von seiner Zeit auf der Eliteuniversität Princeton, wie er Erica kennengelernt hat und wie wohl er sich in New York gefühlt hat. Dann kam der 11. September und sein Leben änderte sich, seine Sicht auf Amerika änderte.
    Das ganze Buch über redet nur Changez. Alles was der fremde Mann sagt kder wie er reagiert, erfährt der Leser nur durch Wiederholung, Antworten oder Bemerkungen von Changez. Er unterbricht seinem Lebenslauf manchmal um über
    die Umgebung im Teehaus zu sprechen, den Fremden zum Essen einzuladen oder ihn auf Geschehen auf dem Marktplatz aufmerksam zu machen. Dieser Monolog das ganze Buch über ist etwas gewohnungsbedürftig und speziell, aber doch gut und ohne Verständnisprobleme zu lesen. Der Autor bringt es fertig, Spannung aufzubauen und das nette Geplauder trotz anhaltender Höflichkeit immer bedrohlicher wirken zu lassen.
    "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte" hat mich gut unterhalten, aber es ist stets sehr oberflächlich gehalten. Kritik und Denkansätze werden immer nur ganz kurz erwähnt, ein bisschen als hätte nicht nur der Erzähler Angst, Amerika zu stark zu kritisieren, sondern auch der Autor. Dadurch bleibt es gute Unterhaltung, aber auch ein Buch, das man schnell wieder vergessen hat.