In diesem 2005 erschienenen Romanerstling treffen wir drei junge Frauen zwischen 1986 bis 1998, immer im Sommer. Aus den Berichten der jeweiligen Sommerereignisse wachsen Abbilder dreier Leben zusammen und zwar Leben in der DDR.
Da ist Nina, Ich-Erzählerin und eigentlich Hauptperson der Geschichte, die gute Schülerin, den Studienplatz schon gesichert, die am Anfang noch im spätpubertären Gefühlschaos steckt, aber durchaus bereit ist, das Leben in die Hand zu nehmen. Dann Simone, Mo, sehr empfindsam, die nur in der Liebe zu einer vollständigen Persönlichkeit wird und allein nicht bestehen kann. Und schließlich die wunderschöne Katrin, die Strebsame, Streberin genau gesagt, den Blick immer nach vorne gerichtet, auf Erfolg und Karriere, schnurgerade.
Die Konstruktion ist originell, die Versprechen, die die Geschichte zu geben scheint, klingen faszinierend, die Charaktere interessant. Doch der Roman scheitert, für mich bereits nach einem Drittel.
Nina, die zunächst bei der Magdeburger Kulturbehörde arbeitet, entdeckt anläßlich eines nicht ganz legalen Punk-Konzerts ihren Drang nach Freiheit. Ihm gibt sie mehr und mehr nach. Sie gerät mit den Behörden in Konflikt, rasch auch mit der dem berüchtigten Staatssicherheitsdienst, verliert ihren Studienplatz. Sie bewegt sich bald am Rand der Gesellschaft, schlägt alle Hilfsangebote als Bestechung aus und lebt der Freiheit. Daß dieser Erzählstrang mit einem wilden Republikflucht-Szenario gekrönt wird, ist nur logisch. 1989 landet sie deswegen auch im Gefängnis. Erst die Wende schenkt ihr die ersehnte Freiheit.
Das Ganze ist sehr packend und streckenweise auch überzeugend erzählt, das Streben nach rein individueller Freiheit aber, das uns Nina da vorlebt, führt dazu, daß ab einem sehr frühen Zeitpunkt völlig verlorengeht, was Nina eigentlich will. Freiheit. Schön. Um was zu tun?
Mo, die kleine, zarte, liebe, scheitert in all ihren Beziehungen. Auch sie flüchtet, wird erwischt. Im Gefängnis trifft sie Nina wieder. Aber das hilft Mo nicht. Sie wird einfach immer trauriger, verliert jeden Antrieb und landet in der Psychiatrie. So richtig kommt aber auch sie nicht an bei Lesen. Es gibt ein paar schöne Beschreibungen, aber die Person bleibt zu blaß. Tatsächlich ist sie vom Papier verschwunden, lange bevor sich die Türen der Anstalt hinter ihr schließen.
Bleibt Katrin, die stolze Erfolgsfrau. Sie, die eigentlich ein Opfer ihrer inneren Einsamkeit ist, verkommt rasch zu einer Pappfigur, die papierne Parteiparolen von sich gibt. Sie leidet insgeheim, während sie beruflich und gesellschaftlich Erfolg an Erfolg reiht. Am meisten leidet sie darunter, daß sie am Tag des Reaktorbrands von Tschernobyl in Kiew war und infolge der Strahlung unfruchtbar geworden ist. Ihr hilft es auch nicht, daß 1989 die Mauer fällt und die Freiheit über die DDR hereinbricht. Die Freiheit meistert sie natürlich großartig, einmal angepaßt heißt immer angepaßt, aber das Mutterleben bleibt ihr versagt. Strafe muß schließlich sein.
All dieses Unglück, von Ninas unterdrückten Freiheitsgefühlen über Mos Traurigkeit zu Katrins unerfülltem Kinderwunsch, soll der DDR geschuldet sein. Die Gründe dafür haben sich mir nicht erschlossen. Nina macht sich frei, wann immer es ihr paßt. In Magdeburg verbringt sie ihre Tage in Bierkneipen, hin und wieder arbeitet sie ein bißchen, wenn sie Knete braucht. So ist das, wenn eine unterdrückt und ausgegrenzt wird. Im Westen dann angekommen, studiert sie ein wenig herum, entdeckt, daß die Behörden dort auch nicht die freundlichsten der Welt sind, und verbringt dann ihre Tage frei im Café in Prenzlauer Berg. Erkläre mir eine den Unterschied.
Mo, die ich wirklich mochte, ist leider kein geeignetes Abbild der dahinsiechenden DDR, mit all den Hoffnungen am Anfang, dem Erstarren in den mittleren Jahren und dem langen Tod im letzten Jahrzehnt. Menschen wie Mo, die aus den unterschiedlichsten Gründen einfach immer trauriger werden, gibt es überall, das ist kein Spezifikum diktatorischer Regimes.
Mein Mitleid gehörte übrigens Katrin. Nur halb gebacken aufs Papier geworfen, wird sie noch dazu mit den meisten Klischees ausgestattet, Typ ‚blondes Biest’. Wie es im Buche steht.
Zum Schluß stiehlt Nina ihr auch noch den Ehemann. Eine Demonstration von Freiheit, nehme ich an.
Nicht zurecht kam ich ebensowenig mit der Sprache. Stereotypen, Klischees, gesuchte Metaphern. Manchmal hämmern Kurzsätze, dann folgt eine Abschweifung ins Lyrische, die mit einer Plattitüde gekrönt ist, die eine umgehend zum Kichern bringt
„Ach, Mo, was für tolle Veränderungen um uns herum passieren, findest du nicht?“ schreibt Nina in den 1990ern. Man faßt es kaum.
Am Ende rauschen die satten Äste der Kastanien. Das geschieht fünf Sätze vor dem Schlußsatz. Nina darf ihn sagen und er ist dermaßen mißlungen, daß man nicht mehr weiß, ob man hell auflachen oder losheulen soll. Aber die Entscheidung fällt ohnehin schwer bei diesem Buch.
Schade um eine eigentlich gute Idee, schade um drei Protagonistinnen. Vielleicht war es für die Autorin, die ja selbst aus Magdeburg stammt, einfach noch zu früh, diese Ideen auszuarbeiten. Nur das Etikett ‚Schrecken der DDR’ an ein Manuskript zu kleben, macht eben noch lange keinen guten Roman.