Als ob nichts wäre - Katarina von Bredow (ab ca. 14 J.)

  • (OT: Som om ingenting 1999)


    Katarina von Bredow (geb. 1967) ist eine schwedische Autorin, die seit Anfang der 1990er Jugendbücher schreibt. Ihr Thema ist die Liebe und es ist geht stets um eine sehr schwierige und konfliktbelastete Version davon.


    Als ob nichts wäre ist ihr zweiter Roman. Es ist die Geschichte der etwas über 18jährigen Elin, die die Schule abgeschlossen hat, aber nicht so recht weiß, wie sie nun ihr Leben gestalten soll. Sie hat einen Job in einem Süßwarengeschäft, sie dekoriert gern und sie packt gern Süßes in kleine Tütchen zum Verkaufen, aber mit dem Herzen ist sie nicht dabei. Ihre Eltern drängeln ein wenig auf ihre Selbständigkeit, aber Elin zögert. In ihrem Leben ist einfach Pause. Das einzige, von dem sie sicher weiß, daß es ihr gefällt, ist Schreiben.
    In dieser Situation entdeckt sie einen Volkshochschulkurs übers Schreiben, kurzerhand meldet sie sich an. Zu ihrer Überraschung trifft sie im Kurs den Vater ihrer besten Freundin. Er ist zugleich Nachbar, mit Elins Eltern befreundet, die Familien kennen sich in - und auswendig. Jedenfalls hat Elin das immer angenommen. Daß Paul auch schreibt, hat sie nicht gewußt.
    Über den Kurs, das Sprechen übers Schreiben und den Austausch ihrer Texte passiert es: Elin verliebt sich Paul. Und er sich in sie. Eine leidenschaftliche Affäre beginnt.


    Dieser recht knappe und straff erzählte Roman erzählt auf bestechende Weise vom Wandel eines noch unreifen und unsicheren Mädchens zu einer aktiven, selbständigen jungen Frau. Sie erlebt eine ‚amour fou’, voll Liebe, Sex und Verrat, eine Geschichte der Schrecken, die doch das innere Wachstum Elins bedingen. Hineinverwoben ist zugleich auf eine in einem Jugendbuch bislang unvergleichliche Art die Geschichte vom Werden einer Schriftstellerin. Es geht dabei um die grundsätzlichen Fragen, die die Beschäftigung mit dem Wort mit sich bringen, um das Glück beim Formulieren, die Befreiung, wenn die Sätze anfangen zu klingen und zu leuchten, wenn sie eine umschmeicheln wie die Worte, die einer der Geliebte nur eine Stunde zuvor ins Ohr geflüstert hat. Um die Einsamkeit, die man fühlt, wenn eine die Worte verlassen, eine Einsamkeit, die ebenso entsetzlich ist, wie das Gefühl des Verlassenseins, wenn der Geliebte geht. Um das Gefühl, anders zu sein, als Schreibende genauso wie als Ehebrecherin.


    Gespiegelt wird Elins Liebesgeschichte zum Schreiben wie zu Paul an der nicht minder komplizierten Geschichte ihres Bruders, der zum Entsetzen ihrer gutbürgerlichen Eltern Tänzer werden will. Die beiden Erzählstränge stützen sich gegenseitig und treiben sich zugleich gegenseitig voran. Dazu kommen massive Probleme in der Ehe ihrer Eltern, wie auch in Pauls Ehe.
    Und auch die beste Freundin ist nicht gern beste Freundin, wenn eine eine Affäre ausgerechnet mit dem Vater hat. Die Probleme drohen Elin zu verschlingen. einzig das Schreiben bietet Zuflucht.


    Elin wie ihr Bruder Peter verlieren und gewinnen am Schluß, der Schutz der Familie geht verloren für ein Stück Freiheit, die Kindheit muß aufgegeben werden für den ersten Schritt hin zur Kunst. Zurück gibt es nicht mehr.


    Die Geschichte wird von Elin erzählt, in der Ich-Perspektive, subjektiv, parteiisch und keineswegs immer ehrlich. Ehrlich ist sie in den Gedichten und Abschnitten ihrer Kurzgeschichten, die sie schreibt und die sie uns vorlegt. Das Buch enthält ein paar sehr lesenswerte Gedichte aus Elins Feder.
    Am Ende ist Elins schmerzhafter Reifeprozeß, den sie schreibend dokumentiert, ein Roman geworden. Ihr erster.


    Ein ganz seltener Glücksfall eines gelungenen Romans über eine Liebe - oder zwei? -, originell, wahrhaftig, überzeugend, erschreckend und zugleich voller Wunder.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus