Grafeneck - Rainer Gross

  • Kurzbeschreibung


    "Ich weiß von nichts. Hier in Buttenhausen ist kaum was passiert. Nazis haben wir keine gehabt, und die Juden waren schon weg." Vergangenheit ist nie vorbei. Auch nicht am Ende der Welt, in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Ein brutales Verbrechen bringt die Erinnerung zurück. Viele sagen, Hermann Mauser sei ein verschrobener Kauz. Ein Eigenbrötler. Das stimmt. Schon immer gewesen. Er ist einundsechzig Jahre alt, seit dreißig Jahren ist er Grundschullehrer in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb. Als er den toten Mann im Berg entdeckt, wird die Vergangenheit wieder lebendig. Und Hermann Mauser erkennt, dass es Verbrechen gibt, die nie verjähren. Und Schuld, die niemand vergeben kann. Ein melancholischer Krimi, ein dunkler Heimatroman, ein glänzendes Debüt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Mann allein mit einer Schuld, die plötzlich in sein Leben tritt, die nicht seine ist und die er zu seiner macht.


    Über den Autor (von Amazon.de)


    Rainer Gross geboren 1962 in Reutlingen/ Baden-Württemberg. Studium der Philosophie und Literaturwissenschaft in Tübingen, danach Studium an einem theologischen Seminar. Er ist verheiratet und lebt seit 2002 als freier Schriftsteller in Ahrensburg. Der Kriminalroman "Grafeneck" ist seine erste Buchveröffentlichung.


    Eigene Meinung:


    In den Osterferien entdeckt Hermann Mauser, 61, Lehrer, bei einer Höhlenexpedition im Münzloch eine durch Lehm verschlossene Kammer. Darin entdeckt er eine mumifizierte Leiche. Bevor er seinen Fund der Polizei meldet, beginnt er selbst nachzuforschen, um die Geschichte „seiner“ Leiche zu erfahren.


    Daraus entwickelt sich ein spannender Krimi, der ein heikles Thema aufgreift. In der Idylle eines kleinen Dorfes, wirft durch diesen Fund die Vergangenheit ihre Schatten voraus. Schon bald führen alle Spuren in die NS Zeit und konfrontiert das Dorf mit der eigenen Vergangenheit, wo man nach der Maxime lebt: „Nazis haben wir keine gehabt, und die Juden waren schon weg.“


    Rainer Gross hat dabei ein heikles Thema aufgegriffen und zum zentralen Thema in diesem 191 Seiten starken Krimi gemacht. Er stellt sich dabei unter anderem der Frage, was Recht und was Unrecht ist.


    Ein spannender und ergreifender Krimi, der zu einigen Fragen anregt und sich mit dem Grauen der Verbrechen der NS Diktatur beschäftigt. Ein starkes Debüt, auch wenn über manche Stolpersteine bei der Lösung die Intuition der Akteure aushelfen muss.


    Ich vergebe 8 von 10 Punkten.

  • Nicht jeder Roman, in dem eine Leiche entdeckt und nach dem Täter ermittelt, wird ist ein Kriminalroman.
    So auch dieses 220 Seiten stark Büchlein, das einen Nachmittag verschnabuliert werden kann, dessen Wirkung aber weit länger hält als bei den meisten dicken Schwarten.


    Ein Grundschullehrer, der aus Buttenhausen stammt und dort lebt, findet in einer schwer zugänglichen Höhle eine Leiche, die dort schon 50 Jahre zu liegen scheint. Der Fund verstört ihn, ruft in ihm etwas wach. Er will die Geschichte der Leiche selbst finden.
    Auch wenn er letztendlich den Fund meldet, lässt er ihn nicht los. Sein Vater muss zum Todeszeitpunkt Polizist in Buttenhausen gewesen sein. Hat er was damit zu tun? War er, der ihm beigebracht hat, was Recht und was Unrecht ist, ein Mörder, ein Nazi?
    Hat sein Vater etwas mit Grafeneck, der Euthanasie-Anstalt der Nazis in der Nähe, zu tun?


    Ein Zufallsfund lässt eine gelebte Lebenseinstellung ins Wanken geraten, die Vergangenheit, auf der man aufbaut, ist scheint plötzlich eine andere. Überall im Dorf herrscht der Grundsatz zum wissen über die Vergangenheit:
    "Wenn ich es sagen würde, was ich weiß, dann müsste ich sagen: Ja, ich hab was gewusst. So aber kann ich sagen, ich weiß von nix".


    In diesem Roman geht es nur nebenbei um Tat und Ermittlung, es geht um Recht und Unrecht und Erbarmen

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Ich überlege schon, ob ich mir dieses Buch zulege, da das ein Thema ist, dass mr schon bei Ritzel unterkam und über das ich nciht viel weiß

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Meine Meinung:


    In seinem 2008 mit dem Glauser für den besten Debütroman ausgezeichneten Krimi entführt Rainer Gross seine Leser in ein kleines Dorf auf der Schwäbischen Alb, in dem jeder jeden kennt und sich alle einig sind: Bei uns gab es keine Nazis. Die Nähe zu Grafeneck, der Euthanasie-Anstalt der Nazis, lässt jedoch anderes vermuten und als Grundschullehrer Hermann Mauser bei einer seiner Höhlenerforschungen auf eine mumifizierte Leiche stößt, gerät das zerbrechliche Gefüge aus Schweigen und dem Versuch zu vergessen ins Wanken. Gross' Stärke liegt sicher in der stimmigen und dichten Atmosphäre, die er in nur wenigen Sätzen zu erschaffen weiß. Die Frage nach Schuld und Erbarmen zieht sich wie ein roter Faden durch den - trotz Leiche und ermittelndem Kommissar - eher untypischen Kriminalroman. Diese Frage ist es in erster Linie auch, die für Spannung sorgt, denn der Fall an sich ist leider sehr geradlinig und vorhersehbar. So berührend die Geschichte auch ist, sie leidet darunter, dass die Figuren (mit Ausnahme des Protagonisten) auffallend blass bleiben. Mag man sich dies bei der Dorfbevölkerung noch mit einer gewissen Austauschbarkeit der Charaktere erklären, so hätte man sich doch zumindest bei dem Kommissar und der Freundin des Protagonisten mehr Tiefe gewünscht, um die geschilderten Entwicklungen glaubwürdiger zu machen. Was bleibt, ist die (wichtige!) Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis gegenüber Menschen mit Behinderung in Grafeneck, der gleichnamige Krimi wird jedoch nicht so lange im Gedächtnis verweilen.


    Deshalb von mir 6 Punkte.